46. Nordische Filmtage Lübeck

Nordsee ist Mordsee

„Lebensgeister”, ein Kurzfilm von Jörn Staeger

„Nordsee ist Mordsee”: Hätte Hark Bohm diesen Titel nicht schon 1976 für sein Sozialdrama über Jugendliche in einem Hamburger Problemviertel verwendet, würde er sich anbieten für die kleine Schwarz-Weiß-Studie von Jörn Staeger, die nun, rund ein Jahr nach den Dreharbeiten auf Sylt (infomedia-sh.aktuell 03/10 berichtete, Arbeitstitel: „Optimismus“), als 35mm-Film fertiggestellt wurde.

Man erlebt eine Frau und zwei junge Männer am Strand, die erstaunlich wortlos, aber mit vielsagenden Blicken unter düsterem Herbsthimmel dem neckischen Ballspiel frönen. Der Ball wechselt visuell trickreich den Besitzer und wird schnell zum Paris-Apfel. Wenn zwei sich mögen, ärgert sich der Dritte: Das zart anbandelnde Pärchen zieht sich aufs Badelaken zurück und dem Verlierer des kleinen Reigens bleibt - als wäre es ein Film aus England - nur der Ball als Trost. Er folgt ihm tief in die Flut, bis sich die Nordsee als derbe Gespielin seiner annimmt und ihn in die Tiefe reißt, unbemerkt von den frisch Verliebten am Strand. Die Brandungszone wird zu Messers Schneide zwischen Todeskampf und Liebesspiel. Am Ende sitzt ein sehr, sehr einsamer Mensch im Sand, und die Nordsee spuckt ihm spöttisch sein Spielzeug vor die Füße.

Szene aus „Lebensgeister“

Die Darsteller und der Regisseur (v.l.) : Nils Prelle, Jess Koch, Birgit Lange, Jörn Staeger

Die titelgebenden „Lebensgeister”, die vom Sprung ins kalte Wasser geweckt werden, sind ruppige Gesellen: Lust, Angst, Hoffnung, Liebe, Schmerz. Das wortlose Schwarzweiß dieses Kurzfilms wird der Archaik seines Themas gerecht, doch der simple Plot vertraut all zu sehr auf die atmosphärische Dichte seiner Bilder. Man wünscht sich, dass die Musik, die in bester Hollywood-Tradition nur sporadisch und affirmativ eingesetzt wird, der eigentlich Träger der kleinen Geschichte wäre. Dann könnte sie die schönen Bilder im Rhythmus der Brandung umschließen wie das Meer einen Ertrinkenden.

„Lebensgeister” wurde von der Kulturellen Filmförderung S.-H. gefördert und hat seine Premiere am Kurzfilmabend des Schleswig-Holstein-Forums der Nordischen Filmtage (Samstag, 6. Nov. ab 22.45 Uhr). (Lorenz Müller)

„Lebensgeister“, D 2004, DV/35 mm, 7 Min., Buch: Beate Maurer, Jörn Staeger, Regie, Kamera, Ton, Schnitt, Produktion: Jörn Staeger, Darsteller: Jess Koch, Birgit Lange, Nils Prelle

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