47. Nordische Filmtage LübeckSchwierige SchwesternHarrys Töchter / Harrys döttrar (Richard Hobert, SCHWE 2005) und Dalecarlians Liebe ist nicht genug / Masjävlar (Maria Blom, SCHWE 2004)Komplexe Familienverhältnisse sind ein beliebtes Thema im skandinavischen Film, so auch in Richard Hoberts Harrys Töchter und Maria Bloms Dalecarlians, in denen beiden es um das schwierige Verhältnis von Schwestern geht. Und um Familie als Fluch aber auch Chance zur Selbstfindung. Schwierige Schwestern: Lena Endre (links) und Amanda Ooms in Harrys Töchter (Foto: NFL) Die Doppelgeburt im Zeichen des Todes verstrickt die Schwestern in eine komplizierte Situation. Ninni sieht im Kind ihrer Schwester auch ihr eigenes, nährt sich ihm mit allzu heftigen Muttergefühlen, während Marie sich davon bedroht fühlt. Die Situation eskaliert in Richtung Psychokrimi, Ninni entführt ihren Neffen und Marie gerät in depressive Angstzustände. Zumal das Verhältnis der Schwestern von einer verdrängten Familiengeschichte überschattet ist. Kurz vor der Geburt der jüngeren Schwester Ninni wollte sich Harry von seiner Frau trennen. Und die verfiel nach Ninnis Geburt dem Wahn für Harry war das wie ein Fluch, eine Bestrafung für seine Untreue, und prägte das Verhältnis zu seinen Töchtern. Nachts schlich er sich oft in ihr Zimmer, für Marie und Ninni eine beängstigende Erfahrung. Doch wie sich in einem klärenden Gespräch zwischen den Schwestern herausstellt, waren Harrys Zärtlichkeiten nur übertriebene Sorge, nicht der geahnte Missbrauch. Die biografischen Verwerfungen ihrer Eltern zwischen Liebe und Tod müssen die Schwestern nunmehr jede auf ihre Weise quasi nacherleben, als Mutter eines toten Kindes und als eine, die befürchtet wahnsinnig zu werden. Ein Thema für eine Familienaufstellung und genau so, in einem Kammerspiel auf auch vom Bildkader her engstem Raum, erzählt Hobert die schicksalhafte Verwicklung. Der man nicht entrinnen kann auch als davon bewegter Zuschauer. Fremd in der Familienwelt: Sofia Helin in Dalecarlians (Foto: NFL) Maria Blom zeichnet ihre Figuren ebenso liebevoll wie mit kritischer Distanz, durchleuchtet das komplexe Verhältnis von Nähe und Distanz und zeigt Familie und die zum Teil tragikomisch-grotesk inszenierte Dorfgemeinschaft als brüchige Fassaden, hinter die man gleichwohl schauen muss um zu sich selbst zu finden. Dass das oft nur im Rahmen einer klärenden Katastrophe geschehen kann, ist keine filmische Erfindung, sondern präzise dem Leben abgeschaut. Ein in seinen zarten, manchmal auch bewusst derben Andeutungen beeindruckender Film, der trotz seiner möglicherweise redundanten Ähnlichkeit zu Das Fest das ewige Thema Familie auf ganz eigenwillige Weise behandelt. (gls) |