56. Internationale Filmfestspiele Berlin - Berlinale 2006Sittenbild der 50erThe Notorious Bettie Page (Mary Harron, USA 2005)Bettie Page ist eine wahre Pop-Ikone. Der Look, den das Pin-Up-Modell in den 50ern kreierte, ist bis heute fester Bestandteil der Populärkultur: Dunkelbraunes, langes, lockiges Haar, vorne Pony-Schnitt, dunkle Augenbrauen, rot geschminkter Mund. Von Madonna bis Nina Hagen greifen Pop-Stars und Sternchen gerne in die Stil-Schatzkiste der einstigen Pin-Up-Queen, deren naiv-erotischer Charme in zahllosen Fotos und 16mm-Filmchen die Jahrzehnte überdauert. Der ersten dramatischen Aufarbeitung ihrer Lebensgeschichte in Mary Harrons Film The Notorious Bettie Page schlug deshalb gebührendes Interesse entgegen. Dunkle Göttin des Pin-Up, Gretchen Mol in The Notorious Bettie Page (Foto: Berlinale) und im wirklichen Leben (unten) Harron inszeniert Gretchen Mol als Bettie Page in einer Mischung aus selbstverständlicher Frömmigkeit und naivem Spaß am Posieren für seriöse Kunden. Die Regisseurin versucht keine psychologische Studie, sondern liefert eher eine beschauliche Geschichtsstunde zum Thema moralische Bigotterie der amerikanischen Gesellschaft in den 50ern. Die gehobene Mittelschicht ist es, die für den Boom im Sex-Business sorgt. Wie Paula Klaw, glaubwürdig gespielt von Lily Taylor, immer wieder betont, haben die hart arbeitenden Rechtsanwälte, Richter und Mediziner ein Recht darauf, sich von den Strapazen auf ihre Weise zu erholen. Und Bettie liefert das Anschauungsmaterial dafür. Andererseits sind es aber genau diese Vertreter der gehobenen Mittelschicht, die auf Druck einer entsetzten und überforderten puritanischen Öffentlichkeit die Hersteller dieser vermeintlichen Pornografie verurteilen. Bettie sieht zunächst nichts Anstößiges in ihrer Arbeit als Modell, doch möchte sie eigentlich den Durchbruch als ernsthafte Schauspielerin. Der bleibt ihr versagt. Und spätestens nachdem ihr ein Schauspielkollege seine Verachtung angesichts ihrer Fotos entgegenhält, gerät Betties Weltbild ins Wanken. In der Schlussszene lässt Harron Bettie in die Arme der Kirche zurückkehren. |