Preisträger des 19. European Media Art Festivals

„Daumenlutscherin“, „Looking for Alfred“ und „John & Jane“ heißen die Preisträger des 19. European Media Art Festival (EMAF), das am 14. Mai in Osnabrück zu Ende ging. Ungewöhnlich für das Medienkunstfestival: zum ersten Mal fielen alle drei Preise in die Kategorie Film.

Dialog-Preis des Auswärtigen Amtes

Der indischen Regisseur Ashim Ahluwalia überzeugte die Jury des mit 2.000 EUR dotierten Dialog-Preises des Auswärtigen Amtes mit seinem eindrucksvollen Porträt einer neuen Generation seiner Landleute. In „John & Jane“ zeigt er das Leben junger Inder, die als Angestellte eines amerikanischen Call Centers 14 Stunden täglich Verkaufsgespräche mit Kunden in den USA führen und ein bizarres Leben zwischen realer und virtueller Welt führen.

Das Urteil der Jury: „Der Film zeigt die Anpassung der Angestellten an die Erfordernisse moderner Kommunikation und die mit der ständigen Verfügbarkeit einhergehende Ausbeutung. Es ist ein erbarmungsloser Überlebenskampf, der den Hintergrund abgibt für die Ersatzwelt, in der sich die Call-Agents mit ihrer alltäglichen Kommunikation und ihren privaten Träumen bewegen. Es gelingt dem Regisseur, die Komplexität dieser Existenz mit brillanten Aufnahmen und einem vielschichtigen Soundtrack einzufangen. Er nimmt seine Gesprächspartner ernst und deckt gleichwohl behutsam auf, in welch krassem Widerspruch sie ihre Identität finden müssen. Die Verkaufsgespräche geraten zur sozialen Ersatzhandlung. Ein wirklicher Dialog kommt nicht zustande. Der Film wirft Fragen auf über persönliche und kulturelle Identität angesichts fortschreitender Globalisierung und Technisierung“, so die Jury mit Ivika Kivi, Leiterin des E-Media Center der Estnischen Kunstakademie (Tallinn), Piotr Krajewski (Kurator, Mitbegründer der WRO International Media Art Biennale, Wroclaw, Polen) Conny E. Voester (Kuratorin und Produzentin für Medienkunst, Basel/Berlin) und Katharina Paulick (Auswärtiges Amt, Berlin).

Ashim Ahluwalia, 1972 in Bombay geboren, studierte Film am Bard College in New York. 1999 gründete Ahluwalia die Firma „Film Republic“, die sich der Produktion unabhängiger indischer Filme außerhalb des „Bollywood“-Systems widmete. Ein Jahr später stellte Ahluwalia „Thin Air“ fertig, einen Dokumentarfilm über drei Zauberer vor dem Hintergrund des modernen Bombay. „John & Jane“ ist sein zweiter Film.

EMAF Award

Den mit 2.500 EUR dotierten EMAF-Award für eine richtungsweisende Arbeit der Medienkunst erhält der belgische Medienkünstler Johan Grimonprez für seine Hitchcock-Hommage „Looking for Alfred“.

Die Jury: „Mit seinem Film entführt Johan Grimonprez den Zuschauer in ein Verwirrspiel um Alfred Hitchcock und appelliert auf raffiniert-intelligente Weise an unsere visuelle und akustische Orientierung. Er inszeniert Hitchcocks Figur als Doppelgänger-Motiv und Objekte aus dessen filmsprachlichem Universum als klare ikonografische Elemente und setzt sie zugleich spielerisch und präzise in Beziehung zu Ausschnitten aus dessen Filmen. „Looking For Alfred“ ist damit nicht nur eine liebevolle Hommage, mit der der Künstler einmal mehr seine umfassende Kenntnis der Mediengeschichte beweist, sondern verwendet die Referenz zugleich als Baustein einer neuen Strategie zur wechselseitigen Annäherung und Aneignung verschiedener Medien – indem Johan Grimonprez verschiedene digitale und analoge Medien verwendet und diese sowohl auf der Kinoleinwand wie auch im Kontext einer multimedialen Installation präsentiert, erweist er diesem Wechselspiel seine Referenz. Mit seinem neuen Zugang zu Imitationen, Simulationen und Kopien öffnet er unsere Sinne für die unterschiedliche Wahrnehmung von Realität.“ Jury: Ivika Kivi, Leiterin des E-Media Center der Estnischen Kunstakademie (Tallinn), Piotr Krajewski (Kurator, Mitbegründer der WRO International Media Art Biennale, Wroclaw, Polen) Conny E. Voester (Kuratorin und Produzentin für Medienkunst, Basel/Berlin)

Preis des Verbands der deutschen Filmkritik

Die Jury des Verbands der deutschen Filmkritik verleiht den Preis in der Kategorie Experimentalfilm an Ute Ströer für ihren Film „Daumenlutscherin“. Die Meisterschülerin der HBK Braunschweig beeindruckte die Kritiker-Jury mit Alexandra Seitz, Jürgen Kiontke und Peer Moritz, durch die „faszinierenden und schockierenden, häufig verstörend sinnlichen Bilder, deren beeindruckende visuelle Qualität sich vor allem einer hervorragenden Lichtdramaturgie verdankt“.

Aus der Begründung der Jury: „Ströer gelingt eine Tiefenbohrung in jenen Urschlamm, aus dem Märchen ihre Stoffe beziehen – im vorliegenden Fall Heinrich Hoffmanns Geschichte „Daumenlutscher“ aus dem Disziplinierungsbuch „Der Struwwelpeter“. Bei der Jury hat Ute Ströers Arbeit mit ihrem Konzept „Film ab – Finger ab“ unter den 65 Filmen des Wettbewerbs den wahrlich bleibendsten Eindruck hinterlassen.“

Ute Ströer erhielt 2002 ihr BA-Diplom an der AKI Kunstakademie im niederländischen Enschede. 2005 schloss sie ihr Diplom Freie Kunst an der HBK Braunschweig in der Filmklasse bei Prof. Birgit Hein ab. 2004-2005 war sie Gasthörerin an der Humboldt-Universität Berlin bei Brian Toussaint. Seit 2005 ist sie Meisterschülerin bei Prof. Birgit Hein.

(nach einer Pressemitteilung des EMAF)

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