Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im Juli und August u.a.:

Von Kiel bis hinter Warschau
Moses Merkle, Elisabeth Saggau. D 2008. 58 Min. OmU. Mit Phil Conyngham
Für seine Fans in Europa, Nordamerika und Ostasien ist der Australier Phil Conyngham der beste Didgeridoo-Spieler der Welt. Als echter Crossover- Musiker entlockt er seinem Instrument nicht nur traditionelle Stammesklänge. Er sieht sich selbst als Rockmusiker, komponiert Technobeats ebenso wie halluzinatorischen „Noise“. Seine internationalen Konzerterfolge schlagen sich jedoch nicht immer auf seinem Bankkonto nieder. Die Einladung zu einem Musikwettbewerb in Polen erreicht ihn zu einem denkbar ungünstigen Moment. Phil möchte unbedingt daran teilnehmen. Ohne Geld für Benzin, mit einem 20 Jahre alten, rostzerfressenen Bus, gilt es, durch winterliche Kälte und Dunkelheit von Kiel bis zu einem kleinen Ort irgendwo hinter Warschau zu reisen. Mit Straßenmusik versucht Phil in Kiel, Berlin und Warschau, sich das Geld für die Tour zu verdienen. Mit blutenden Lippen und gepolstert mit sechs Textilschichten trotzt Phil den eisigen Minustemperaturen. Auf glitzernden und düsteren Großstadtstraßen und in tiefster Provinz erlebt Phil gemeinsam mit dem Kieler Filmteam Moses Merkle und Elisabeth Saggau skurrile Abenteuer. Wie nach Drehbuch begegnen ihm archetypische Warner, Widersacher, Hinderer und Helfer: Das wahre Leben wie im Spielfilm. Hinter Warschau lernt er die polnische Variante des Didgeridoos, die Ligawa, und andere traditionelle Hirteninstrumente kennen – und fürchten. Hier steht er einer starken Konkurrenz osteuropäischer Musiker gegenüber... Ganz am Ende fließt der Wodka, und es wird getanzt! Na zdrowie!
Di, 15.7., 19.00 + Mi, 16.7., 20.30

Inselaffen – eine Kinomär
Christoph Dobbitsch. D 2008. 20 Min. Kamera: Torben Sachert. Mit Luzie Buck, Tom Keller, Dennis Hoppe, Carsten Fimm, Jessica Zang, Siegfried Jacobs und Herbert Feuerstein
Nach BedHead und Fliegenfänger stellt der Kieler Filmemacher Christoph Dobbitsch seinen heiß ersehnten dritten Film vor. Die Geschichte ist diesmal im Milieu der Filmschaffenden angesiedelt, genauer gesagt dort, wo idealistische Newcomer und abgeklärte Routiniers um die schlanken Fördertöpfe ringen. Ein Narr, der darin kein Gleichnis auf die Verhältnisse im nördlichsten Bundesland erkennt… Die Welt des Films ist eine Welt voller Magie – und voller Enttäuschungen! Beide Seiten dieser Medaille lernt Sandra kennen: eine junge Kinoliebhaberin, deren größter Wunsch es ist einen eigenen Film auf die Leinwand zu bringen. Doch das ist leichter gesagt als getan, wenn man auf einer Insel wohnt, auf der es von überforderten Filmförderen, überheblichen Regisseuren und arroganten Produzenten nur so wimmelt… der alltägliche Filmwahnsinn eben. Weiterhin im Programm: Making of Verlangen des Schicksals und Making of Verlangen der Unschuld (Beide von Maria Reinhard)
Do, 17.7., 20.30

Jesus Christus Erlöser
Peter Geyer. D 2008. 84 Min. Am 23. Juli zu Gast: Regisseur und Verwalter des Kinski-Nachlasses Peter Geyer
Berlin, Deutschlandhalle, 20. November 1971. Auf einer leeren Bühne, einsam im Kegel der Scheinwerfer, tritt Kinski auf. Schulterlanges Haar, einfache Jeans, ein Hemd mit Blumen- und Punktmustern. Er rezitiert seinen eigenen Text Jesus Christus Erlöser und realisiert damit ein Projekt, mit dem er sich schon über zehn Jahre beschäftigt. Es soll eine hochemotionale, ganz auf die Stimme des Schauspielers reduzierte Erzählung werden – ihr Inhalt die laut Kinski „erregendste Geschichte der Menschheit“: Das Leben von Jesus Christus als einem der „furchtlosesten, freiesten, modernsten aller Menschen, der sich lieber massakrieren lässt, als lebendig mit den anderen zu verfaulen.“ Aber der Auftritt gerät zum Debakel: Fünf Minuten dauert es, bis die ersten Zwischenrufe kommen. Kinski reagiert und pöbelt zurück, schnell hat sich das Publikum auf den Schauspieler eingeschossen. Zuhören will hier kaum jemand; heute diskutiert man, betritt selbstbewusst die Bühne und fordert Mitspracherecht. Kinski steht einem Publikum gegenüber, das mit dem Muff von tausend Jahren auch die Integrität des Künstlers abgeschafft hat – eines Künstlers überdies, den die meisten der Aufbegehrenden lediglich als Bösewicht aus Edgar-Wallace-Filmen kennen und von dessen großartiger Karriere als Theaterschauspieler und Rezitator sie nichts ahnen. – Peter Geyer, Verwalter des Kinski-Nachlasses, hat aus allen ihm zugänglichen Bild- und Tonmaterialien dieses faszinierende Stück Zeitgeschichte rekonstruiert. In endloser Puzzlearbeit ist es ihm gelungen, den Ablauf des Abends akustisch lückenlos wieder herzustellten und dem Text die aus diversen Perspektiven aufgenommenen Filmclips zuzuordnen. Und anders als die meisten der 5.000 Zuhörer kann das Kinopublikum das Ende des Abends erleben. Deswegen: Nach dem Abspann unbedingt sitzen bleiben – es kommt noch was!
Mi, 16.7. - Mi, 23.7.; am 23.7. zu Gast: Peter Geyer

AlleAlle
Pepe Planitzer. D 2007. 90 Min. Mit Milan Peschel, Eberhard Kirchberg, Marie Gruber
Ina, gerade aus dem Gefängnis entlassen, kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück und trifft in dem seit dreißig Jahren leer stehenden Haus ihrer Mutter auf den Gerüstbauer Dohmühl, einen nicht immer nüchternen Gelegenheitsdesperado. Und auch Hagen, ein geistig behinderter Heimbewohner, landet auf der Suche nach seinem Onkel in dieser ungewöhnlichen Landschaft irgendwo südlich von Berlin, irgendwo zwischen Himmel und Restbeton. Hagen glaubt, in Dohmühl seinen Onkel wiedergefunden zu haben. Der möchte seine beiden Gäste am liebsten so schnell wie möglich wieder los werden und auf der verödeten Militäranlage, die er von seinem Vater erbte, vor sich hin wuseln. Doch nach einigen fehlschlagenden Versuchen, seine Ruhe wieder her zu stellen, bemerkt Dohmühl, welche Kostbarkeit im Zusammensein liegt… Nach der Aufführung dieses Films auf der Berlinale 2007 jubelte die Presse: „Es gibt immer eine Hoffnung, funkt AlleAlle an alle, die den Film sehen wollen. Aber gibt es so viele Irre im Land, wie Strauchelnde eine rettende Hand brauchen? Wie auch immer: wenn es um alles geht, geht Filmkunst unter die Haut.“ (FAZ 08. 02. 2007); „Der Film ist ein wunderschönes Märchen. Um manchen Helden müssen wir uns in diesen ungewöhnlichen Anfängerfilmen Sorgen machen. Nicht aber über die Zukunft des deutschen Kinos.“ (ZDF Aspekte, 17. 02. 2007); „AlleAlle hat eine emotionale Tiefe, die den meisten Filmen auch mit riesigem Aufwand nicht gelingt“ (MAZ, 19. 02. 2007); „Ein klug inszenierter, unpathetischer Film über den Wert der Menschlichkeit, der sich gleichwohl den Problemen der Zeit stellt.“ (Die Tagespost, 06. 02. 2007). Am 18. Juli zu Gast: Regisseur Pepe Planitzer und weitere Teammitglieder
Do, 17.7. - Mi, 23.7.

Ein Abend mit neueren Kieler Kurzfilmen
Im Programm: Der Bleistift-weg-mach (R: Maria Reinhard. D 2008. K: Torben Sachert. 15 Min); Making of Verlangen der Unschuld (R: Maria Reinhard. D 2008. K: Torben Sachert. ca. 6 Min); Sieben Versuche zu fliegen (R, B, K: Sarah Roloff. D 2007. 14 Min); Neumann (Connie Kelting, Martin Hennig, Moritz Glinka. D 2008. 9 Min) u.a.
Mo, 21.7., 20.30

Crosby Stills Nash & Young – Déjà Vu
Bernard Shakey (aka Neil Young). USA 2007. 96 Min. OmU. Musik: Crosby Stills Nash & Young. Mit: David Crosby, Graham Nash, Stephen Stills, Neil Young, Stephen Colbert, Josh Hisle, Mike Cerre
Die jüngsten sind sie zwar nicht mehr, mit ihren dicken Bäuchen und tattrigen Bewegungen wirken sie auf der Bühne bisweilen auch etwas fehl am Platz, aber leise sind David Crosby, Graham Nash, Stephen Stills und besonders Neil Young deswegen noch lange nicht. Angeführt vom wortgewaltigen Bandleader Neil Young war ihnen daran gelegen, die Tour der Band im Sommer 2006 zu mehr als einem Auftritt alter Männer zu machen. Unter dem Banner „Freedom of Speech“ machte man sich auf den Weg, spielte zwar auch viele alte Songs, aber auch neue, die explizit die Bush-Administration kritisierten und besonders den Krieg im Irak. Für die Band war eine solch dezidierte politische Stellungnahme nichts neues, im Gegenteil. In den ersten Jahren ihres Bestehens Ende der 60er Jahre, war politisches Engagement für eine Folk-Gruppe eine Selbstverständlichkeit, ja fast schon Grundvoraussetzung. Berühmtes Ergebnis dieser Ära ist der Song Ohio, mit dem Crosby Stills Nash & Young auf den Tod von vier Studenten reagierten, die auf dem Campus ihrer Universität von Mitgliedern der Nationalgarde getötet wurden. Angesichts dieser Historie sollte man eigentlich annehmen, dass den Anhängern der Band deren politische Haltung bewusst ist. Umso überraschender muten da die Reaktionen von Teilen der Fans an, wenn auf den aktuellen Konzerten gegen den Präsidenten und seine Politik Partei ergriffen wird. Wutentbrannt stürmen da hunderte aus den Konzerten, beklagen sich über politische Propaganda und behaupten gar, dass niemand das Recht hätte, die Regierung zu kritisieren, der nicht selbst einmal gedient hat. In diesen Aufnahmen zeigt sich die große Ambivalenz Amerikas, die bisweilen kritiklose Unterstützung der Regierung und besonders der eigenen Armee. Dass die Band sich in keiner Weise gegen die kämpfenden Truppen stellt, wird dabei geflissentlich übersehen, genauso wie es gerade den Deutschen schwer fällt zu begreifen, dass sich für viele Amerikaner Kritik an der eigenen Regierung und großer Patriotismus nicht ausschließen. Genau diese Ambivalenz betont Neil Young (wohlgemerkt ein Kanadier) in seiner Rolle als Regisseur. Einen erheblichen Teil des Films nehmen Porträts verschiedener Soldaten bzw. deren Angehöriger ein, die von ihren Erfahrungen im Irak berichten. Meist zeigt sich dabei ein Sinneswandel, der aus Anhängern Bushs vehemente Kriegsgegner gemacht hat. Die Musik von Crosby Stills Nash & Young spielt im Film eine geringere Rolle, Aufnahmen der Konzerte machen nur einen kleinen Teil des Films aus. Im Endeffekt ist Crosby Stills Nash & Young – Déjà Vu also weniger Konzertfilm als die Zustandsbeschreibung einer zutiefst verunsicherten Nation, in der immer mehr an die Ära der späten 60er Jahre erinnert, die immer deutlicher die Parallelen zwischen den Vietnamkrieg und dem Irakkrieg erkennt.
Do, 24.7. - Mi, 30.7.

Brügge sehen … und sterben / In Bruges
Martin McDonagh. B/GB 2008. 105 Min. OmU. Mit Colin Farrell, Ralph Fiennes
Die Killer Ray und Ken haben in London ihre Arbeit verrichtet und erhalten nun von ihrem Auftraggeber den Befehl, im belgischen Brügge unterzutauchen und auf neue Anweisungen zu warten. Ken ist an den kulturellen Sehenswürdigkeiten der mittelalterlichen Stadt höchst interessiert, Ray langweilt sich und ist entsetzt darüber, dass sich die beiden ein Hotelzimmer teilen müssen. Man vertreibt sich die Wartezeit so gut es geht. Ken entdeckt die Heilig-Blut-Basilika und im Museum Hieronymus-Bosch-Gemälde, Ray freut sich, dass er die schöne Schauspielerin Chloe kennen gelernt hat. Sie dreht gerade einen Film, in dem ein Zwerg die Hauptrolle spielt. Wenn nur ihr eifersüchtiger Freund Eirik nicht wäre. Der kann einem den Abend ganz schön verderben. Noch eines belastet Ray schwer: Als er in London einen Priester töten musste, kam dabei unbeabsichtigt auch ein kleiner Junge ums Leben. Das lässt den Killer nicht mehr los. Und es kommt noch schlimmer. Harry ruft an, hat einen Auftrag – aber diesmal nur für Ken. Könnte Ray wegen seines Patzers in London das Opfer sein? – Erstaunlich, wie angenehm ausbalanciert das unvermutet und einfallsreich Heitere dieser Killer-im-Wartestand-Story mit dem Bewusstwerden der Schwere der Schuld Rays, vor allem in Bezug auf den getöteten Jungen, gestaltet ist. Natürlich gänzlich als Kino- und Thriller-Fiktion, denn andernfalls müsste das Urteil härter ausfallen. Verblüffende Ideen und eine spannende Montage kennzeichnen den gut inszenierten Film.
Do, 24.7. - Mi, 30.7.

Julia
Eric Zonca. F 2007. 138 Min. dt. Fass. Mit Tilda Swinton, Aidan Gould
Julia ist 40 und Alkoholikerin. Sie ist manipulativ, unzuverlässig, eine notorische Lügnerin – aber neben all dem ist Julia doch immer noch eine beeindruckende Erscheinung. Zwischen den vielen Wodkas und wahllosen One-Night-Stands schlägt sich Julia mit Billigjobs durchs Leben, sucht irgendwann in ihrer Not Rettung in einem Verbrechen – und schlittert unaufhaltsam in die Katastrophe… Zoncas kontrovers diskutierter Genrezwitter aus Charakterstudie, Road-Movie und Entführungsthriller lebt von seiner visuellen Brillanz und vor allem von der Leistung seiner Oscar-prämierten Hauptdarstellerin: „So körperlich, so entblößt, so wund war Swinton noch nie zu sehen. 138 Minuten lang wankt sie durch einen Film, der im grellen Partylicht beginnt und auf einer mehrspurig befahrenen Straße im Niemandsland endet. Dazwischen spannt sich eine Geschichte zwischen Suff und Räuberpistole, zwischen One-Night-Stands und dem Kater danach. Der Star des Films ist der Motor der Geschichte: Wie Tilda Swinton als Julia in ihren viel zu hohen Schuhen durch diesen Film stakst, fahl, verschwitzt, übernächtigt und verkatert, trägt den Plot von San Diego bis in die Wüste an der mexikanischen Grenze.“ (Die Zeit)
Do, 31.7. - Mi, 6.8.

39,90
Jan Kounen. F 2007. Buch: Jan Kounen, Nicolas Bruno, nach dem gleichnamigen Roman von Frédéric Beigbeder. 104 Min. dt. Fs. Mit Jean Dujardin, Jocelyn Quivrin, Patrick Mille, Vahina Giocante, Elisa Tovati, Nicolas Marié, Dominique Bettenfeld, Antoine Basler, Frosco Perinti
Die Romanvorlage von Fréderic Beigbeder war 2001 ein zynischer, aber selten polemischer Exkurs in die Welt der Werbung, der auf ganz hervorragend subjektive Weise vor Augen führte, wie manipulierbar doch das menschliche Gehirn ist. Erzählt wird die Geschichte des zur Räson kommenden Werbers Octave Parango (genau genommen erzählt er sie selbst, während er vom Dach eines Hochhauses stürzt), 32 Jahre alt und der Branchendroge Kokain zu keiner Tag- und Nachtzeit abgeneigt. Er arbeitet als erfolgreicher Texter in einer der besten Agenturen von Paris, trägt Designerklamotten, schwimmt in Geld, sieht gut aus und wird von allen Kollegen geliebt. Kurzum: Er führt ein glückliches Leben auf der Überholspur. Erst als er seine große Liebe Sophie kennenlernt und viel zu schnell wieder verliert, gerät er ins Wanken. Zum ersten Mal gewinnt Octave ein wenig Abstand zu seiner Arbeit, bis er erkennt, mit welch banalen und manipulierbaren Mitteln er die Jahre über gearbeitet hat, um immer wieder neue Sehnsüchte und Lüste bei den Kunden der Werbewelt zu wecken. Als er ein Konzept für einen Joghurt-TV-Spot entwickeln soll, entschließt er sich, die subtilen Brainwash-Methoden zu entlarven und offen zu legen. – Was das Buch bereits anzudeuten vermochte, wird jetzt durch die fulminante Verfilmung von Jan Kounen vollendet, der die Zuschauer mitnimmt auf einen cinematografischen Sinnesrausch, der nur so übersprudelt vor tricktechnischen Ideen. Sei es eine auf die Kamera hinab stürzende Schneelawine, die als Sinnbild für die Kokain-Fantasien stehen soll, oder der visualisierte Weg, den eine Ecstasy-Pille durch Mund, Rachen und Speiseröhre zurücklegt, bis sie schließlich von der Magensäure zersetzt wird – Jan Kounen versucht stets, den permanenten Rauschzustand seines Protagonisten in grelle Bilder zu packen, die einmal auch einen Drogentrip als kurze, quietschbunte Comic-Sequenz darstellen. Das Gleiche gilt für die Werbewelt: Hier überlappen neonfarbene Bildmontagen mit subtilen Kaufbotschaften, während Octave Parango während Alpträumen in den Kulissen eines Werbespots gefangen ist.
Do, 31.7. - Mi, 20.8.

Küss mich bitte!
Emmanuel Mouret. F 2007. 100 Min. dt. Fass. Mit Virginie Ledoyen, E. Mouret
Während einer Dienstreise in Nantes begegnet Emilie abends zufällig Gabriel. Beide leben in glücklichen Beziehungen, fühlen sich aber trotzdem sofort zuenander hingezogen. Er möchte sie küssen, sie ihn auch, aber in ihrem Kopf spukt die Geschichte ihrer beiden Freunde Julie und Nicolas (Regisseur Emmanuel Mouret) herum. Es ist die Geschichte eines ersten Kusses und seiner Folgen, die sie im Laufe des Abends erzählt… „Mourets Figuren sind zum Glück gänzlich unerfahren und in allen Belangen unsouverän im Umgang mit ihrem emotionalen Missgeschick. Ihr Scheitern ist die wunderbare Umkehrung des klassisch romantischen Dialogs und führt in seiner bewussten Unbeholfenheit zu der komödiantischen Qualität, die man in dieser Form eigentlich nur aus Woody Allens früheren Filmen kennt. Ein in allen Belangen leiser und erhabener Slapstick, der ohne die lauten Momente auskommt, sondern stattdessen all die Unsicherheit und das Unbehagen zur Sprache bringt, wenn sich zwei Menschen gegenüber stehen und nicht wissen, ob sie sich wirklich küssen wollen. Mouret ähnelt mit der gespielten Unsicherheit und der verbalen Direktheit seinem großen Vorbild Pierre Richard, allerdings ohne die großen tollpatschigen Momente, die dieser Film auch nicht nötig gehabt hätte. So bleibt Küss mich bitte! eine gehobene Komödie, die sich vor allem intellektuell mit der Liebe beschäftigt und zu dem Schluss kommt, dass man fast alles in der Welt logisch ergründen und wissenschaftlich ableiten kann – die Folgen eines Kusses aber in den Bereich des scheinbar Metaphysischen fallen.“ (programmkino.de)
Do, 7.8. - Mi, 27.8.

Open Air in der Kunsthalle
Die Liebenden von Pont Neuf
Léos Carax. F 1991. 125 Min. dt. Fs. Mit Denis Lavant, Juliette Binoche
Zwei Schicksale am Rande der Gesellschaft: Alex verdingt sich als Feuerschlucker und lebt unter den Brücken von Paris, Michele schlägt sich als Malerin durch, zumindest so lange noch, wie ihr eine fortschreitende Krankheit das Augenlicht lässt. Nach einem Unfall lernen sie sich kennen und verlieben sich – Betrug, Verrat und Lüge, Eifersucht, Hingabe und Sehnsucht, Verzweiflung und Mord sind der Preis einer Leidenschaft, die durch jede Verzweiflungstat nur noch stärker wird. ... Einer der großen, wuchtig-romantischen Liebesfilme der 90er Jahre aus der Stadt der Liebe; die übrigens versagte die Drehgenehmigung am originalen Pont Neuf, und so baute man Brücke und die Boulevards entlang der Seine an einem Stausee nach.
Mi, 13.8., 22.30

mit Leitstelle „Älter werden in Kiel“
Die Geschwister Savage
Tamara Jenkins. USA 2007. 114 Min. dt. Fs. Mit Laura Linney, Philip S. Hoffman
Wendy und Jon sind Geschwister. Er ist Literaturprofessor, beschäftigt mit einer Arbeit über Brecht. Sie arbeitet free lance, versucht Theaterstücke zu schreiben, hat beruflich keine allzu großen Chancen und ist mit dem verheirateten Nachbarn Larry liiert. Wichtig in ihr beider Leben ist, dass sie sich vom Vater mental entfernen konnten, der in ihrer Kindheit und Jugend ein überaus strenges Regiment führte. Doch jetzt klingelt das Telefon. Der Vater, Lenny, ist alt, hat seine Lebensgefährtin verloren, leidet zunehmend an Demenz und bedarf der Hilfe. Jon und Wendy sind gefordert. Wohin mit dem Alten? Ist er nicht mehr bei Verstand, oder geht es mit der Krankheit rapide voran? Wie lange kann er noch leben? – Man ist geneigt zu sagen, es sei kein Zufall, dass der Streifen von einer Frau gedreht wurde. Hier wird kein sensationelles „Kino“ vorgeführt, keine Schau, kein Pseudo-Leben, sondern alltägliches, realistisches, bitteres, nur selten ein wenig aufgehelltes Dasein. So läuft es, denkt man unwillkürlich. Aber es muss weitergehen. Dann kommt das Ende – Lennys und des Films.
Di, 26.8. - Sa, 30.8.

endlich in der Originalfassung
Be Kind Rewind / Abgedreht
Michel Gondry. USA 2007. 101 Min. Mit Jack Black, Mos Def, Danny Glover
Im kleinen Ort Passaic, unweit von New York gelegen, scheint die Zeit still zu stehen. Dass in der lokalen Videothek Be Kind Rewind keine DVDs, sondern nur vorsintflutliche Videokassetten verliehen werden, scheint die Kundschaft nicht weiter zu irritieren. Dennoch läuft das Geschäft schlecht, und zu allem Überfluss steht dem alternde Besitzer Mr. Fletcher (Danny Glover) die Räumung kurz bevor. Das abbruchreife Haus soll einem modernen Wohnblock Platz machen. Als wäre all das nicht genug, sorgt der tollpatschige Jerry (Jack Black) für die nächste Katastrophe. Nach einem nächtlichen Einsatz gegen die Fronten des Kapitalismus ist Jerry magnetisiert und löscht binnen Sekunden sämtliche Videokassetten. Sein Freund Mike (Mos Def) – Ziehsohn von Fletcher und Mitarbeiter des Geschäfts – will schon verzweifeln, da kommt der rettende Einfall. Kurzerhand beginnen die Freunde, die Filme nachzudrehen. Mit Pappkostümen und dem Einsatz von viel Improvisation und Phantasie entstehen so neue, kurze Versionen von Hollywood-Filmen wie Ghostbusters, Rush Hour oder Robocop. Alle Rollen werden dabei von Mike und Jerry und einigen Helfern gespielt, das Ergebnis ist ein voller Erfolg. Plötzlich können sie sich vor Kundschaft nicht mehr retten, werden zu Lokalhelden und kleinen Berühmtheiten. Alles könnte gut werden, wenn da nicht Hollywood mit seinen Anwälten wären. Denn dass ihre Filme eine einzige, große Urheberrechtsverletzung sind, haben Mike und Jerry nicht bedacht. – Nach Science of Sleep – Anleitung zum Träumen schrieb Michel Gondry zum zweiten Mal sein eigenes Drehbuch. Die Grundidee von Be Kind Rewind ist hinreißend, auch die Ausführung der einzelnen selbst gedrehten Filme zeugt von jenem verspielten, visuellen Ideenreichtum, für den Gondry bekannt geworden ist. Damit gelingt es ihm endgültig, aus dem Schatten des legendären Drehbuchautors Charlie Kaufman (Vergiss mein nicht, Adaption) zu treten. Be Kind Rewind ist zugleich Liebeserklärung an das Medium Film und Kritik an dessen Kommerzialisierung und Gleichmacherei und dabei rundum witzig gelungen.
Do, 28.8. - So, 31.8.

mit DFG-VK – anschließend Gespräch
Komm und sieh
Elem Klimow. UdSSR 1985. 146 Min. OmU.
1943, Krieg in Belorussland. Kinder organisieren sich Waffen und ziehen mit den Partisanen. Auch der junge Flöra schließt sich stolz einer Untergrundgruppe an. Im Partisanenlager erlebt Flöra mit dem Mädchen Rosa ein Bombardement der Deutschen und verliert so sein Gehör. Beide Jugendlichen fliehen in das Heimatdorf Flöras. Alle Häuser scheinen verlassen. Von einer schlimmen Ahnung getrieben, wird Flöra Zeuge unerträglicher Kriegsgräuel. Innerhalb weniger Stunden werden seine Haare grau. Schonungslos erzählt der erschütternde Filmklassiker vom Inferno des Krieges, der auf keiner Seite Helden, sondern nur Verlierer kennt.
So, 31.8., 18.30

Klassik im Kino
Der Ring des Nibelungen
Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend von Richard Wagner. Die Aufführung des „Bayreuther Jahrhundert-Rings“ (1976-1980), Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele unter der Leitung von Pierre Boulez, Inszenierung: Patrice Chéreau, Bildregie: Brian Large
Im Sommer 2005 startete das Projekt Klassik im Kino mit der berühmten Ring-Inszenierung aus Bayreuth 1976. Der Zuspruch der Wagner- und Opernfreude war damals gewaltig, und so sarten wir in diesem Sommer einen neuen Durchlauf – im Vertrauen darauf, dass das Wetter mitspielt und uns schön verregnete Sonntage beschert. – Richard Wagner (1813-1883) begann 1848 mit dem Entwurf seines gewaltigen Opernzyklus, um fast 30 Jahre daran zu arbeiten. Da das vierteilige Werk kaum in den Spielbetrieb regulärer Opernhäuser aufgenommen werden konnte, entstand der Gedanke des Festspiels in einem eigens auf die bühnen- und klangtechnischen Erfordernisse ausgerichteten Theater, das dann mit Unterstützung König Ludwig II. von Bayern errichtet wurde. 1876 erlebt der Ring ebenda seine erste Gesamtaufführung. Zur 100-Jahr-Feier dieses Anlasses lud Wolfgang Wagner, Urenkel des Komponisten und Leiter des Festspielhauses, Patrice Chéreau und Pierre Boulez 1976 nach Bayreuth ein, eine neue Inszenierung des Ring zu erarbeiten – nach der Uraufführung und einer Gesamtinszenierung von 1951 erst der dritte Bayreuther Ring. Nach anfänglicher Ablehnung wurde der Ring schließlich als Jahrhundertereignis gefeiert; nach der letzten Aufführung 1980 verabschiedete das Publikum die Inszenierung mit einem 90-minütigem Applaus bei 101 Vorhängen!
So, 10., 17., 24., 31.8., 13.00

Lange Nacht der Museen – Open-Air-Kino im Hof der Medizinhistorischen Sammlung
Komm süßer Tod
Wolfgang Murnberger. A 2000. 108 Min. OmU. Mit Josef Hader, Bernd Michael Lade, Reinhard Nowak, Karl Markovics, Barbara Rudnik, Nina Proll
Auf den Straßen Wiens tobt ein erbitterter Kleinkrieg der Rettungsdienste um die Opfer. So kämpft auf diesem heißen Pflaster Krankenwagenfahrer und Ex-Detektiv Brenner um volle Pritschen und mit seiner Vergangenheit. Nebenbei gilt es mehrere Morde im Krankenhaus aufzuklären und die Begegnung mit seiner Jugendliebe Klara zu überstehen. Ein gordischer Knoten ist nichts dagegen.
Freaks
Tod Browning. USA 1932. OmU. ca. 70 Min. Mit Wallace Ford, Olga Baclanova, Leila Hyams, Roscoe Ates, Henry Victor, Harry Earles, Daisy Earles
Der kleinwüchsige Hans ist Teil einer Kuriositätenshow bei einem Zirkus. Er ist mit der ebenfalls kleinwüchsigen Frieda verlobt, hat sich jedoch in die Trapezkünstlerin Cleopatra verliebt. Als diese ihn demütigt, nehmen die Freaks grausame Rache… Mit Freaks schuf Tod Browning einen einzigartigen Meta-Horrorfilm über das Wesen des Monströsen und die Würde der Gedemütigten.
Fr, 29.8., 21.00

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