48. Nordische Filmtage Lübeck

Kommentar

Geliehener Glanz von fremden Federn

Ein bisschen wie die berühmten neuen Kleider des Kaisers wirkt der Glamour, in den landesfarbige Strahler das Theater Lübeck tauchen. Drinnen herrscht Dresscode – im von einigen Kinositzungen (dafür ist man schließlich hier, zum Glotzen, nicht zum Glitzern) schon recht faltigen Journalisten-Outfit kommt man sich irgendwie fehl am Platze vor. Wie vielleicht auch mancher schleswig-holsteinischer Filmemacher bei der Glanz-Gala zur Verleihung des ersten Schleswig-Holstein Filmpreises, ausgelobt und mit stolzen 55.000 Euro fürstlich dotiert von der MSH.

Wo so viel Geld fließt für den schleswig-holsteinischen Film, da darf man mit Recht auch mal etwas größer feiern. Obwohl die 110.000 Euro, die, so hört man, das Lametta gekostet haben soll (20.000 Euro davon kamen von den Nordischen Filmtagen), etwas – na, sagen wir mal vorsichtig – überproportional erscheinen, zumal wenn der ein oder andere sich selbst ausbeutende Filmemacher mal eben im Kopf überschlägt, wie viele Filme er daraus hätte machen können. Aber mit dem Selbstverständnis des kleinen (gleichwohl feinen) Filmlandes Schleswig-Holstein war es ja noch nie weit her, was Proportionen betrifft. Gern macht man mal den Dicken, um an anderer Stelle sein Licht zu Unrecht unter den Scheffel vermeintlicher Provinzialität zu stellen. Allein, dieser Versuch, ein bisschen Hollywood und große weite Filmwelt nach Lübeck zu bringen, wirkt genau so: nämlich engstirnig und provinziell.

Aber geschenkt, das sind Äußerlichkeiten, verzeihlich wie die Ungenauigkeiten – um es wiederum vorsichtig auszudrücken –, die sich in so manche Sonnabendsrede einschlichen. So war die Laudatio, die MSH-Geschäftführerin Christine Berg auf den mit dem Sonderpreis dekorierten Armin Mueller-Stahl hielt, so Oscar-Nacht-filmreif, dass sich NDR-TV-Programmdirektor Volker Herres gleich für das gesamte „großartige Festival“ nicht etwa bei dessen Machern, sondern bei Frau Berg bedankte. Bei so viel fremdem Federschmuck in all dem hausbackenen Glamour braucht dann auch nicht erwähnt zu werden, dass die eigentlichen Festival-Veranstalter (bzw. deren nach dem finanziellen NDR-Ausstieg neuen Sponsoren) zum NDR-Filmpreis mittlerweile 5.000 Euro zuschießen. Ebenso passt es ins Bild solcher kleinen Ungenauigkeiten, dass die MSH in ihrer Pressemitteilung den mit dem Dokumentarfilmpreis versehenen Film „Full Metal Village“ kurzerhand als „NDR Produktion“ bezeichnet. „Ko-Produktion“ wäre der genauere Ausdruck gewesen.

Doch wer mag sich über solche „Peanuts“ wirklich aufregen, wenn es viel wichtigeres gibt, sich darüber zu ärgern. So hatten schon bei der Auslobung des Schleswig-Holstein Filmpreises einige Filmemacher und Autoren aus dem Land kritisiert, dass die Preise für bereits realisierte/verfilmte Drehbücher vergeben werden sollten. Hätte es dem fördernden, unterstützenden Charakter einer Filmförderung nicht besser angestanden, mit einem Preis auch eine Förderung zu vergeben, sprich preiswürdigen, aber noch nicht verfilmten Büchern unter die Arme zu greifen? Freilich hätte das nicht so gut zum Glamour-Faktor gepasst.

Auch darf man fragen, inwiefern sich Armin Mueller-Stahl – ohne Zweifel ein großer Künstler, der sich nicht nur auf oscar-nominierte Schauspielkunst beschränkt, sondern z.B. auch als Maler hervortrat – für das Filmland Schleswig-Holstein verdient gemacht hat. Wegen seiner hervorragenden Darstellung Thomas Manns im hiesig produzierten Epos „Die Manns“? Nein, was liest man?: Er wohnt in Schleswig-Holstein. Ein „Verdienst“ insofern als er die fremden Federn liefert, mit denen eine offenbar nicht sonderlich selbstbewusste MSH sich trefflich schmücken kann. (jm)

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