
Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.
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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56 |
47. Nordische Filmtage LübeckAlles KulisseWenn lang die Bilder schon verblassen ... KZ Theresienstadt Propagandafilm und Wirklichkeit (Thilo Pohle und Filmgruppe der Oskar-von-Miller-Realschule in Rothenburg ob der Tauber, D 2005)Frühommer 1944 im KZ Theresienstadt: Eine dänische Rotkreuz-Delegation hat sich angesagt, um die Konzentrationslager der Nazis in Augenschein zu nehmen. Die Propagandamaschine läuft an, um ein zynisches potemkinsches Dorf zu erstellen, die Greuel schönzufärben. Gipfel des Zynismus: Der jüdische Schauspieler und Regisseur Kurt Gerron wird gezwungen, einen Film über Theresienstadt zu drehen, in dem das Lager quasi als Musterstadt dargestellt wird. Der Führer baut den Juden eine Stadt, so nennen die jüdischen Häftlinge den Film ironisch. Erst im März 1945, der Zusammenbruch des Nazi-Regimes zeichnet sich bereits deutlich ab, wird der Film fertiggestellt und überhaupt nur zwei Mal im KZ Theresienstadt einem ausgewählten Publikum vorgeführt. Seine Propagandawirkung verfehlte der Film dennoch nicht. Seit den 80er Jahren befindet sich eine nur rudimentär erhaltene Kopie im Giftschrank des Bundesfilmarchivs, denn man fürchtete Missbrauch des Materials durch revisionistische Kräfte.Zum ersten Mal überhaupt durchleuchtet jetzt ein Dokumentarfilm die Entstehung des Films. Gedreht haben dieses Making Of nicht etwa Filmwissenschaftler, sondern eine Schülergruppe der Oskar-von-Miller-Realschule in Rothenburg ob der Tauber unter der Leitung von Thilo Pohle. In rund 2.000 Stunden Arbeit haben die Schüler Clips aus dem Propagandafilm ausgewählt und stellen sie den Erinnerungen eines Zeitzeugen gegenüber. Der dänische Jude Salle Fischermann war Häftling im KZ Theresienstadt, verlor in den Vernichtungslagern der Nazis fast seine gesamte Familie, war in Kurt Gerrons Team als Beleuchter verpflichtet und erlebte so die Dreharbeiten hautnah mit. Alles Kulisse, so sein Resümee über den beispiellosen Versuch einer menschenverachtenden Schönfärberei, zu dem die Täter ihre Opfer zwangen.Die Doku des Schülerteams wechselt zwischen den Originalaufnahmen und Fischermann, der die Aufnahmen und ihre Entstehung kommentiert. Was dabei zutage tritt, ist wahrlich haarsträubend. So wurden etwa Krankenhausbetten, die es in Wirklichkeit nirgends im Lager gab, für die Kamera nach draußen gestellt, damit die Kranken Sonne bekommen. Fischermanns lakonischer Kommentar zu solcher hahnebüchener Selbstentlarvung der Propaganda: Bei welchem Krankenhaus stellt man die Betten raus in die Sonne? Und auch für alle angeblichen Errungenschaften für die Lagerinsassen gilt: Das war für den Film, nicht für die Menschen.![]() |