
Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.
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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56 |
„Gisela war klar, dass ich „meinen“ Film machen musste ...“Quinka Stoehr über die Dreharbeiten für ihren Film „Zuneigung“, ein intimes Portrait der Kamerafrau und Filmemacherin Gisela Tuchtenhagen:Wie kam es zu der Idee für das Filmporträt?Schon länger trug ich mich mit dem Gedanken, etwas über Dokumentaristinnen zu machen. Es gab die Gesprächsprotokolle „Dokumentarisch Arbeiten“ von Christoph Hübner und Gabriele Voss mit Dokumentaristen über ihre Arbeit und ihr Selbstverständnis. Eine wunderbare, sehr inspirierende Arbeit als Buch und auch bei 3sat als Interviews gesendet. Für mich hatte diese tolle Arbeit nur einen großen Haken. Bei der ersten Staffel war keine Frau dabei. Das erschien mir irgendwie anachronistisch, weil es doch eine Reihe von Frauen gibt, die sehr eigenwillige und wichtige dokumentarische Arbeiten abgeliefert haben, und diese Stimmen fielen einfach unter den Tisch. Als ich dann ein Qualifizierungsstipendium an der Muthesius Hochschule für Kunst und Gestaltung in Kiel erhielt, wollte ich eine ähnliche Arbeit mit Dokumentaristinnen machen, wobei mein Ansatzpunkt noch etwas biografischer gefasst sein sollte. Mit Gisela Tuchtenhagen wollte ich anfangen. Ich kenne sie sehr gut, wir haben schon zusammen gearbeitet und ich habe sehr viel von ihr gelernt. Als ich ihr von meiner Idee erzählte, gab sie mir ein Tagebuch aus ihrer Jugendzeit. Nachdem ich es gelesen hatte, wusste ich, dass ich einen „richtigen“ Film über sie machen müsste. Ein filmisch erzähltes Portrait, denn diese Tagebuchaufzeichnungen rissen mich mit ihrer Intensität wirklich fast vom Hocker und für mich setzte sich vieles, was ich über Gisela wusste, zu einem Bild zusammen. In meinem Kopf entstand sofort ein Film. So nahm ich Abstand von meiner ersten Idee und entwickelte das Exposé für diesen Film. Zum Glück habe ich dann auch eine Redaktion gefunden (ZDF Filmredaktion 3Sat, Inge Classen und Katya Mader), die diese Idee tragfähig und spannend fanden und Filmförderungen, die zusätzliches Geld gaben.Gab es inhaltliche oder formale Absprachen mit Gisela Tuchtenhagen?Gisela war klar, dass ich „meinen“ Film machen müsste, sie hat sich also wirklich sehr zurückgenommen. Sie kennt meine Arbeit, und wusste, dass ich nichts inszenieren würde, das hätte sie sicherlich auch abgelehnt. Aber ihr war klar, dass ich anders als sie oder auch Klaus Wildenhahn es machen Situationen arrangiere. So war z.B. die für mich sehr berührende Begegnung mit dem Sohn ihrer ersten großen Liebe nicht nur dem Zufall gezollt, auch wenn uns der Zufall dann wunderschön in die Hände gearbeitet hat. Gisela hatte mir von ihrer ersten großen Liebe in Paris erzählt, die für sie nach wie vor sehr wichtig ist. Dieser Mann, er heißt Phillipe, ist schon vor über 20 Jahren verstorben. Ich wollte mit ihr nach Paris reisen, wohin sie 1959 mit 16 Jahren abgehauen war. Bei der Überlegung, wo ich da drehen möchte, spielte die Wohnung eine Rolle, wo sie mit Philippe gelebt hatte. Sie wusste, dass die Wohnung noch im Besitz der Familie war, und dass Philippe einen Sohn hat. Véronique Friedmann, meine Produktionsleitung, hat sich dann dahinter geklemmt, und es stellte sich heraus, dass der Sohn Léo genau in dieser Zeit, in der wir in Paris drehen wollten, auch in Paris sein würde (er lebt in Helsinki). Er wollte Gisela sehr gern treffen und hatte die Schlüssel für die Wohnung. Insofern war diese Situation für den Film arrangiert, wobei man sagen muss, dass wir einfach viel Glück hatten. Aber alles, was dann bei dieser Begegnung passierte, ist „direct cinema“, nichts ist gestellt, weder mit Gisela, noch mit Léo. Und für beide war das eine wunderbare Begegnung. Das spürt man und das gibt den besonderen Zauber.Mussten Sie Gisela Tuchtenhagen zu dem Projekt überreden?Nein, sie hat mich ja mit ihrer vertrauensvollen Geste, mir ihr Tagebuch zu geben, auf die Spur gebracht und war einverstanden. Als wir dann angefangen haben zu drehen, gab es bei ihr, so glaube ich, kurz den Moment, wo sie gern zurückgetreten wäre, sie hat es aber niemals gesagt. Und im Laufe der Dreharbeiten war es für sie dann auch schön: Sich mit dem eigenen Leben zu beschäftigen, hat ja auch etwas von Bestandsaufnahme.Die Protagonistin ist selbst ein Profi hinter der Kamera. War dieser Umstand hilfreich für die Dreharbeiten?Gisela ist ein leiser, zurückhaltender und auch scheuer Mensch, deswegen liebt sie ihre Position hinter der Kamera. Für sie war es anfangs schwer aushaltbar, dass sie im Mittelpunkt steht und der Blick auf sie gerichtet ist. Dabei hat mir sehr geholfen, dass sie sich mit Volker Tittel, dem Kameramann, sehr gut verstanden hat. Und dass ihr seine Art zu drehen, die Leichtigkeit und Freude, die er dabei entwickelt, sehr gut gefallen hat. Ich glaube, sie mochte es, wie er sie mit seiner Kamera angeschaut hat und dass er sich eingelassen hatte, das erste Mal auf diese „bescheidene Art“ zu drehen: im Zweierteam, mit kleinem Equipment improvisierend aus der Situation heraus. Ihm hat es sichtlich Spaß gemacht und das hat Gisela gefallen.![]() |