
Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.
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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56 |
56. Internationale Filmfestspiele Berlin - Berlinale 2006Nabelschau im Nebel„Lenz“ (Thomas Imbach, Schweiz/D 2006)1839 veröffentlichte Georg Büchner seine Erzählung „Lenz“, ein Psychogramm mit durchaus auch wissenschaftlichem Interesse über den Sturm und Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792), dessen zunehmendes Abrutschen in den Wahn sein „Pfleger“, der Pfarrer Oberlin, in einem Tagebuch niedergelegt hatte, das Büchner als Quelle diente. Dr. Johannes F. Lehmann schreibt unter www.uni-essen.de/literaturwissenschaft-aktiv/Vorlesungen/hermeneutik/buech_lenz.htm über Büchners „Lenz“: „Die Erzählung „Lenz“ ist ein Text mit auf der Handlungsebene gleichsam abgeschnittenen Rändern, der ein intensives Konzentrat von Innenansichten liefert, die gleichwohl von Außen, mittels Bildern und Vergleichen, erzählt werden. Die immer wieder auftauchende Formel dafür lautet: Es war ihm als ob ...: „Es war ihm alles so kein, so nahe, so naß, er hätte die Erde hinter den Ofen setzen mögen“; „Es war als ginge ihm was nach“; „Es war ihm als sei er blind“; „Es war ihm als müsse er sich auflösen“ usw. Dadurch wird der Wahnsinn nicht als das Andere der Normalität, sondern als Grenzwert jeden menschlichen Erlebens gefasst.“ Und das trifft ziemlich genau den Gestus des Films, den Thomas Imbach aus dem Lenz-Stoff destilliert hat.In einem gebirgigen nächtlichen Nebel wankt schemengleich sein Lenz (Milan Peschel) durch die Alpeneinöden bei Zermatt, im ganzen Film begleitet von Shots des Matterhorns unter verschiedensten Wetter- und also Seelenbedingungen. Lenz ist bei Imbach kein Dichter, sondern Filmemacher, der nach den Höhen und vor allem Tiefen seiner gescheiterten Beziehung zu Natalie (Barbara Maurer) und ihrem gemeinsamen Sohn Noah (Noah Gsell) in den Bergen (bei Büchner sind es die Vogesen, hier die Alpen) zu seinen inneren Bildern zurückfinden will. Lenz ist Filmemacher und hat so Imbachs Inszenierung die semidokumentarische DV-Kamera sozusagen immer im Gepäck. Imbach beobachtet Lenz, aber eigentlich beobachtet sich Lenz selbst mit der Kamera, seziert seinen Wahn und macht dabei auch intrinsische Aufnahmen von der zerbrochenen Familie, denn Natalie und Noah besuchen ihn in der gebirgigen Einsiedelei mitten im Touristengetümmel von Zermatt. Es scheint, als könne es nochmal klappen mit dem Familienprojekt, denn Lenz liebt Natalie immer noch, mehr noch aber seinen Sohn, den er zurückgewinnen möchte. Vergeblich, immer wieder übermannt ihn sein Wahn, Fantasien von Selbstmord, wenn er bei zahllosen Minusgraden fast nackt durch den Schnee rennt oder den Kopf bis zur körperlichen Erschöpfung ins Eiswasser taucht.![]() |