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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im Kieler KoKi

Das Kieler KoKi zeigt im Juni und Juli u.a.:
 
Il Palio – Das Rennen von Siena
John Appel. NL 2004. 88 Min. OmU
Alljährlich findet das berühmte Pferderennen Il Palio auf dem Marktplatz von Siena statt, ein eindrucksvolles, farbenprächtiges Schauspiel. Kaum länger als eine Minute dauert das brutale Rennen, bei dem jede Behinderung des Gegners erlaubt ist. Auch was vor dieser erlösenden Minute geschieht, erzählt der Film. Er begleitet die Vertreter Civittas, des kleinsten der Stadtviertel Sienas, die die Ehre haben, einen Fantino (Jockey) ins Rennen zu schicken, das ganze Jahr über bis zum Ausgang des Rennens und damit der dramatischen Klärung der Frage, ob der Palio nach 24 langen Jahren wieder die Würde und Ehre der Civittaner repräsentieren kann. In Interviews mit Mitgliedern des Civetta-„Clans“ (vom 92-jährigen Egidio bis zum 21-jährigen Paolo, der das Rennpferd pflegen darf) zeigt sich, dass sich die Bedeutung des außergewöhnlichen Geschehens keineswegs nur auf das sportliche Ereignis bezieht: Die von Geburt an außerordentliche Bindung der Senesen an ihre Contrada, die traditionellen, historisch nicht nachvollziehbaren Verfeindungen der Contraden untereinander, sind nur einige der vielen Aspekte senesischer Tradition und Kultur, die mit dem Palio verbunden sind. Desweiteren enthüllt sich die magische Dimension des Ereignisses im ständigen Deuten der Vorzeichen und Orakel, aus denen man ablesen kann, ob der Sieg nicht schon jemandem vorherbestimmt ist.
Mo, 26.6. - Di, 29.6., 19.00; Mi, 28.6., 21.00
 
Eine fatale Entscheidung / Le petit lieutenant
Xavier Beauvois. F 2005. 110 Min. Dt. Fassung. Mit Nathalie Baye, Jalil Lespert
Nach erfolgreichem Abschluss der Polizeiakademie gibt es für den jungen Kommissar Antoine Derouére nur ein Ziel: Paris. Die Provinz bietet viel zu wenig Action, ein Mord pro Jahr reicht ihm nicht aus. In der Hauptstadt angekommen, wird er dem Team der erfahrenen Polizistin Caroline Vaudieu, die zuletzt zwei Jahre wegen ihrer Alkoholsucht ausgesetzt hatte, zugeteilt. „Madame Superflic“, wie sie alle nennen, nimmt sich des „petit lieutenant“ an, der gerade mal so alt wäre wie ihr verstorbener Sohn. Doch so spannend wie erwartet scheint auch die Arbeit in der Hauptstadt nicht zu sein. Selbst die Ermittlungen in einer Mordserie werfen außer jeder Menge Routinearbeit nicht viel Aufregendes ab. Aber als Antoine und sein Kollege Louis auf der Suche nach einem russischen Verdächtigen die sechzehnte Obdachlosenunterkunft abklappern, treffen sie eine fatale Entscheidung ... Regisseur Xavier Beauvois hat sich ganz bewusst darauf beschränkt, die Polizeiarbeit als etwas nicht übermäßig Aufregendes oder gar Spektakuläres in Szene zu setzen. Dabei geht er aber mit solch einem Gespür für seine fast dokumentarisch anmutenden Bilder und seine komplexen Charaktere zu Werke, dass das Ergebnis um einiges spannender als ein typischer, mit Explosionen, Schießereien und Verfolgungsjagden voll gestopfter Cop-Thriller à la Hollywood geraten ist.
Do, 6.7. - Mi, 12.7.
 
Alles ist erleuchtet!
Liev Schreiber. USA 2005. 104 Min. Mit Elijah Wood, Eugene Hutz, Boris Leskin
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Öffnung der Grenzen kommen viele reiche Juden in die Ukraine, um nach den Spuren ihrer Vorfahren, nach den Wurzeln ihrer Familien zu suchen. Großvater Boris und sein Enkel Alex betreiben mit „Heritage Odessa Tours“ ein windiges kleines Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, die landesunkundige zahlungskräftige Kundschaft durch das Land und mit erfundenen Geschichten hinters Licht zu führen – Hauptsache alle sind glücklich. Und zunächst scheint Jonathan Safran Foer, der junge Amerikaner mit dem schwarzen Anzug und dem unzerstörbaren Scheitel, auch einer dieser reichen, naiven Verrückten zu sein. Aber da täuschen sich Alex und Boris – denn Jonathan erweist sich als zäher Bursche, der unbedingt ein kleines Städel namens Trachimbrod finden will. Irgendwo dort wurde ein Foto seiner Großeltern aufgenommen, irgendwo dort muss die Ausradierung seines Familiengedächtnisses begonnen haben. Aber niemand scheint den gesuchten Ort zu kennen, auf keiner Karte findet sich ein entsprechender Eintrag. Bis sie schließlich zu einem Haus inmitten eines riesigen Sonnenblumenfeldes gelangen, deren Bewohnerin ihnen weiterhelfen kann ... Es gibt leichtere Vorlagen für ein Regiedebüt, als ausgerechnet Jonathan Safran Foers fulminanten Erstlingsroman „Alles ist erleuchtet“. Liev Schreiber war schlau genug, um aus der Fülle des Materials nur Kernaspekte für seine Adaption zu übernehmen. So gestaltet er die Kinofassung als klassisches Roadmovie. Wie Froer im Buch, so schwelgt auch Schreiber in seinem filmischen Reise in folkloristischen Bildern. Anfangs droht die Geschichte etwas aus der Spur zu geraten. Doch mit der Fahrt aufs Land findet der Film zu einem ruhigeren Tempo, gestattet den Figuren den Wandel vom Typ zum Charakter und hetzt nicht jeder Pointe dieser Ost-West-Begegnung hinterher. Und so gleitet die Geschichte ganz sanft zum ernsten Kern seiner Geschichte hinüber: der Auseinandersetzung mit dem Holocaust, der auch in der Ukraine jüdisches Leben und Kultur weitgehend vernichtet hat.
Do, 29.6. - Mi 5.7., 21.00
 
Mit VVN-BdA + Rundem Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel: Ich war neunzehn
Konrad Wolf. DDR 1968. 112 Min. Mit Jaecki Schwarz, Wassili Liwanow
Als Leutnant der Roten Armee kehrt der 19-jährige Gregor Hecker, der vor Kriegsbeginn mit seinen Eltern in die Sowjetunion emigrierte, im April 1945 in seine deutsche Heimat zurück. Wie seine Freunde Wadim und Sascha gehört er einer Aufklärungseinheit an, deren Aufgabe es ist, noch kämpfende Truppen zu Kapitulation und freiwilligem Eintritt in die Gefangenschaft aufzufordern, um weiteres sinnloses Blutvergießen zu vermeiden. Gregor geht mit Wadim zu Verhandlungen mit den Deutschen in die Zitadelle von Spandau. Obwohl der Krieg bereits verloren ist, gibt es noch immer Offiziere, die aus Überzeugung, Ehrgefühl oder Unsicherheit nicht bereit sind sich zu ergeben. Mehr Einsicht zeigen dagegen die einfachen Soldaten und vereinzelt führende Militärs, die lieber leben als im unnötigen Kampf sterben wollen. Gregor trifft auch auf befreite Antifaschisten, ehemalige Häftlinge aus dem Konzentrationslager, die Deutschland nun in eine friedliche und menschlichere Zukunft führen sollen. – Die Familie des Schriftstellers Friedrich Wolf emigrierte 1934 nach Moskau – Im Frühjahr 1945 kehrte der 19jährige Konrad Wolf als Rotarmist zurück nach Berlin. Sein Tagebuch aus dieser Zeit wurde 20 Jahre später zur Grundlage für seinen Film.
Fr, 30.6., 18.00 (anschließend Info-Veranstaltung in der Galerie, vgl. eigenen Artikel)
 
Rosa Linse – mit HAKI e.V.: Garçon stupide / Dummer Junge
Lionel Baier. F/CH 2004. 94 Min. OmU. Mit Pierre Chatagny, Rui Pedro Alves
Die Tage verbringt Loïc in einer Schokoladenfabrik, die Nächte in Betten anderer Männer. Wenn er erschöpft vom Sex in seiner Wohnung neben Marie, einer Freundin aus Kindertagen, einschläft, scheint die Welt ein stückweit in Ordnung. Doch das Leben des 20-jährigen beginnt sich zu ändern, als er auf einen merkwürdigen Typen trifft, der Fragen stellt, statt Sex zu wollen. Marie hingegen findet einen Freund, den sie liebt. Von all dem ist Loïc überfordert, die Situation eskaliert. Beide gehen auseinander, das Leben geht zunächst weiter, doch anders als zuvor: Allmählich beginnt Loïc mehr nachzudenken, über sich und der Beziehung zu Marie, vor allem aber will er kein Junge sein, schon gar kein dummer. Die Geschichte eines schwierigen, schwulen Erwachsenwerdens. „Ein Film wie ein Faustschlag. Mit drei jungen Schauspielern, die man so schnell nicht vergisst. Unerhört und kompromisslos.” (Verleihinfo)
Mo, 26.6. - Di, 29.6., 21.00; Mi, 28.6., 18.00
 
Musik im Film – mit CAU: Lisztomania
Ken Russel. GB 1975. 103 Min. dt.Fs. Mit Roger Daltrey, Ringo Starr
Ken Russel erzählt die Lebensgeschichte des Komponisten und Klaviervirtuosen als respektloses, radikales und schrilles Spektakel, angefüllt mit seinerzeit als schmerzhafte Provokationen empfundenen Einfällen. Liszt wird als erster Popstar dargestellt, Richard Wagner gerät zum Vorläufer der Nationalsozialisten. Eine musikalisch irrwitzige Tour-de-force!
Di, 11.7., 19.00
Urlaub vom Leben
Neele Leana Vollmar. D 2005. 83 Min. Mit Gustav Peter Wöhler, Meret Becker
Das Leben von Rolf Köster und seiner Familie verläuft in festen Bahnen – in allzu festen, möchte man sagen: Die Tristesse des Alltags hat alle Lebendigkeit verjagt, Köster schlurft neurotisch durch die Wohnung, betrachtet seine Kinder wie seltsame, fremde Tiere, seinen Bewegungen fehlt jegliche Beweglichkeit; sogar wenn er joggt, sieht es aus, als trete er auf der Stelle. Unvermittelt wird dieses erstarrte Leben jedoch gestört, als Kösters Chef eine Woche Zwangsurlaub anordnet. Er lernt eine Taxifahrerin kennen, in deren quirliger Lebendigkeit er sich erst recht wie ein Geist spiegelt und erfährt, dass seine Frau ihn betrügt – Ein „Urlaub vom Leben“, der ihm klarmacht, dass er genau genommen schon tot war. – Neele Leana Vollmar, Absolventin der Filmakademie in Ludwigsburg, überschreitet mit ihrem Porträt einer Familienidylle eigentlich die Grenze des Erträglichen – wenn es nicht so komisch wäre. Diese Balance zwischen Tragik und Komik zu halten helfen ihr die wunderbaren Darsteller, allen voran Gustav Peter Wöhler (der mit seinem Soloprogramm am 22.6. zur Kieler Woche zu Gast ist).
Do, 6.7. - Mo, 10.7. + Mi, 12.7., 19.00
 
Lemming
Dominik Moll. F 2005. 129 Min. dt. Fs. Mit Laurent Lucas, Charlotte Gainsbourg
Alles scheint bestens geordnet im Leben von Alain und Bénédicte Getty. Der begabte Tüftler Alain entwickelt als Ingenieur eine revolutionäre fliegende Überwachungskamera, während seine schöne Frau Bénédicte sich im adretten Eigenheim am Stadtrand einlebt. Gelassen sieht das glückliche Paar der Zukunft entgegen. Aber eines Abends beginnt ihre heile Welt aus den Fugen zu geraten: Alains Chef Richard Pollock und seine Frau Alice sind zum Essen eingeladen. Das Dinner wird zum Desaster und wirkt sich verheerend auf die Harmonie des jungen Paares aus. Auch die Entdeckung eines halbtoten Nagers in ihrer verstopften Spüle trägt nicht dazu bei, die Lage zu entspannen. Was hat ein skandinavischer Lemming in der Küche eines südfranzösischen Hauses verloren? Er kündigt das schleichende Eindringen des Irrationalen in das bisher wohl geordnete Leben an. Die Verwirrung zwischen Alltag und Alptraum steigert sich und das Schicksal der Gettys erlebt unerwartete Wendungen ... Dominik Moll, hierzulande noch bestens bekannt durch seinen subtilen Thriller „Harry meint es gut mit dir“, beschert uns auch diesmal eine hintergründige Komödie, deren Stimmung stets zwischen Psychodrama und Spukgeschichte schwankt, ohne ins Geschmacklose zu kippen.
Do, 13.7. - Mi, 19.7., 18.30 + 21.00; Do, 20.7. - Mi, 26.7., 21.00; Do, 27.7. - So, 30.7., 18.30
 
Klimt
Raoúl Ruiz. A/D/GB/F 2006. 97 Min. dt. Fs. Mit John Malkovich, Veronica Ferres, Stephen Dillane, Saffron Burrows, Sandra Ceccarrelli, Nikolai Kinski u.v.a.
Wien 1918. Gustav Klimt (1862 - 1918), Zentralfigur des Wiener Jugendstils und Mitbegründer der Wiener Sezession, liegt auf dem Sterbebett und erhält Besuch von dem jungen, noch schüchternen Egon Schiele. In Rückblenden, wie todesnahe Träume und Delirien miteinander verwoben, erkundet der Film die letzten Erinnerungen, die der Künstler an sein Leben gehabt haben könnte. Die Erzählung springt munter umher, Wahrheit und Lüge, Verwirrung und Verführung vermischen sich zu einem betörenden Wechselspiel um Liebe, Kunst und die Wiener Gesellschaft um 1900. – Nach seiner gleichermaßen opulenten wie feinnervigen filmischen Annäherung an Proust „Wiedergefundene Zeit“ (1999) arbeitet der chilenische Regisseur Ruiz erneut mit John Malkovich zusammen. Dieser zeigt den modernen Ornamentalisten als herrischen, bisweilen sturen Menschen.
Do, 20.7. - Sa, 22.7. + Mi, 26.7., 19.00
 
Aaltra
Benoît Delépine, Gustave Kevern. F/B 2005. 92 Min. OmU
Irgendwo im Norden Frankreichs liegen zwei knurrige Landbewohner in Dauerfehde. Während der Bauer apathisch selbst die simpelsten Feldarbeiten vermasselt, röhrt der Yuppie-Nachbar mit seinem Cross-Motorrad durch die Landschaft. Die Auseinandersetzungen eskalieren in einer wilden Prügelei, die von einem Traktor-Anhänger der finnischen Marke „Aaltra“ beendet wird, der auf die beiden kippt. Sie erwachen im gleichen Krankenhaus, beide vom Bauch abwärts gelähmt und künftig auf Rollstühle angewiesen, mit denen sie sich – in unfreiwilliger Gemeinschaft – auf den Weg machen, um in Finnland Schmerzensgeld einzufordern. Die lange Reise entwickelt sich zur Abfolge abstruser Situationen: Sie werden ausgeraubt, brennen mit einem Motorrad durch, schnorren sich bei einer deutschen Familie durch, und einmal steht ihnen das Wasser bis zum Hals, ganz real, weil sie bei Ebbe am Strand in ihren Gefährten eingenickt sind. Absurde Begenungen, skurrile Zeitgenossen und ein schwarzer, politisch garantiert unkorrekter  Humor zeichnen den Film einer Produktionsfirma aus, die vor Jahren für die bitterböse Satire „Mann beißt Hund“ verantwortlich zeichnete und seitdem offensichtlich nichts von ihrem Biss verloren hat. Den beiden Filmemachern, in Personalunion auch Drehbuchschreiber und Hauptdarsteller, ist ein frecher, schräger und entlarvender Film gelungen über zwei Behinderte, die sich dem unbehaglichen Mitleid ihrer Umgebung nicht ausliefern, sondern es gnadenlos ausnutzen. Viele Worte sind hier nicht nötig, dafür bieten die schwarz-weißen Cinemascope-Bilder reichlich Raum für zahllose visuelle Gags. Dabei lässt das Duo infernale sich vom Stummfilm-Slapstick ebenso inspirieren wie vom lakonischen, wortkargen Humor der Filme Aki Kaurismäkis, der in einer Gastrolle auftaucht.
So, 23.7. - Di, 25.7., 19.00
 
Breakfast on Pluto
Neil Jordan. GB/Irland 2005. 129 Min. OmU. Nach einem Buch von Pat McCabe. Mit Cillian Murphy, Liam Neeson, Stephen Rea
Zu den Publikumslieblingen der Berlinale gehörte in diesem Jahr „Breakfast on Pluto“, das neueste Werk des irischen Erfolgsregisseurs Neil Jordan. Erzählt wird das fiktive Leben des jungen irischen Transvestiten Patrick „Kitten“ Braden. Als Findelkind ausgesetzt und bei Pflegeeltern aufgewachsen, begibt sich der rebellische Kitten in den frühen 70er Jahren auf die Suche nach seiner verschwundenen Mutter. In 36 emotionalen Kapiteln folgt Jordan dem Leben Kittens und spart dabei weder mit zahlreichen musikalischen Reminiszensen an die 70er noch mit Anspielungen auf die politischen und gesellschaftlichen Konflikte dieser Zeit. Ein perfekter Mix zwischen Anspruch und Unterhaltung mit brillanten Darstellern, allen voran Cillian Murphy als Kitten.
Do, 27.7. - Mo, 31.7., 21.00
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