Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im April und Mai u.a.:

Neu im KoKi

Herzen
Alain Resnais, F/It 2006, 120 Min. Nach dem Theaterstück „Private Fears in Public Places“ von Alan Ayckbourn. Mit Sabine Azéma, Lambert Wilson, André Dussollier, Pierre Arditi, Laura Morante, Isabelle Carré, Claude Rich
Melancholisch fällt der Schnee auf sechs einsame Menschen, die im winterlichen Paris versuchen, ihrer Angst vor dem Altern und der Einsamkeit durch die Suche nach der Liebe zu entgehen. Der nicht übermäßig erfolgreiche Makler Thierry lebt mit seiner jüngeren Schwester zusammen, die sich allabendlich für Blind Dates herausputzt. Er selbst verliebt sich in seine Kollegin Charlotte. Die verleiht religiös-erbauliche Videos, in denen sie sich nach dem Abspann in anzüglichen Szenen präsentiert. Thierrys Kundin Nicole verzweifelt an ihrem oft betrunkenen Freund. Und dann sind da noch der Kotzbrocken Artur und sein Sohn Lionel, in dessen Bar sich die Personen immer wieder über den Weg laufen ... Nach seinem Doppelfilm „Smoking / No Smoking“ (1993) hat der 85-jährige Altmeister des französischen Kinos wieder ein Theaterstück seines Lieblingsautors Ayckbourn verfilmt, wobei er diesmal die britische Szenerie konsequent ins Französische transponiert. Souverän nutzt er das Cinemascope-Bild, um einerseits die Gesichter zu erforschen, andererseits die Verlorenheit der Menschen in ihrer Umgebung zu vermitteln. Entstanden ist ein zärtlich-verspieltes Kammerspiel von traurigen und humorvollen Szenen, die von neuen, hilflosen Kontakaufnahmen mit der Liebe erzählen – mit einer Gelassenheit und Verschmitztheit, die wohltuender ist als manches Happyend.
Do, 3.5. – Mi, 9.5.: deutsche Fassung; Do, 10.5. – Mi 16.5., OmU
Am Limit
Pepe Danquart, D/Ö 2007, Kamera: Wolfgang Thaler, 100 Min. Mit Thomas und Alexander Huber
„Was wir da tun, widerspricht aller Vernunft.“ Das sagen diejenigen, die kurz zuvor noch eine gigantische, übermächtige 1.000 Meter hohe Granitwand des „El Capitan“ im Yosemite Nationalpark in einer neuen Rekordzeit zu bezwingen versuchten. Thomas und Alexander Huber sind so etwas wie die Superstars der Kletter-Szene. Die smarten und zielstrebigen Brüder sind ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Aktionen, die niemand vor ihnen bislang wagte. Diese Droge bestimmt ihr Leben, dem hat sich alles unterzuordnen, auch ihre Familien. Als Dokumentarfilmer Pepe Danquart auf der Suche nach einem Stoff für den Abschluss seiner Sport-Trilogie („Heimspiel“, 2000, und „Höllentour“, 2004) die Huber-Brüder kennen lernte, war ihm sofort klar, dass hier das fehlende Glied zu finden war. Zwei Jahre begleitete er die Brüder auf mehreren Touren, u.a. nach Kalifornien, wo das Abenteuer rund um den „El Capitan“ auf die Extrem-Kletterer wartete. Nachdem sie im Sommer 2005 die Vorbereitungen für ihren Rekordversuch abgeschlossen hatten, kehrten sie im Februar 2006 an die gleiche Stelle zurück. Der Zuschauer erlebt in Am Limit hautnah mit, was heißt, wenn zwei Menschen bewusst Grenzen überschreiten, Dinge tun, die sie mitunter dem Tod näher als dem Leben bringen, um einen Traum zu verwirklichen, den sie sich in den Kopf gesetzt haben und von dem sie nunmehr nicht mehr loskommen. Das ist spannender als ein Thriller, gewaltiger als ein Epos und ergreifender als die meisten Dramen. In atemberaubenden Einstellungen verfolgt die Kamera die „Huberbuam“ bei ihren adrenalintreibenden Kletter-Aktionen. Vier Kameraleute mussten dazu bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gehen. Eine Kraftanstrengung, die sich wahrlich gelohnt hat. Auf der Kinoleinwand lassen die Panorama-Aufnahmen die ganze Faszination dieses Sports wiederaufleben.
Do, 3.5. – Mi, 16.5.
Ein Lied für Argyris
Stefan Haupt, CH 2006, 105 Min., OmU
10. Juni 1944. Distomo. Ein kleines Bauerndorf in Griechenland. Hier überlebt der kleine Argyris, noch keine vier Jahre alt, ein brutales Massaker der deutschen Besatzungsmacht. Innerhalb von weniger als zwei Stunden werden 218 Dorfbewohner umgebracht – Frauen, Männer, Greise, Kleinkinder und Säuglinge. Argyris verliert seine Eltern und 30 weitere Familienangehörige. Mehrere Jahre verbringt der Knabe in Waisenhäusern rund um Athen und kommt dann durch das Rote Kreuz in die Schweiz, ins Kinderdorf Pestalozzi nach Trogen. Jahre später promoviert er an der ETH Zürich in Mathematik und Astrophysik. Bald schon unterrichtet er an Zürcher Gymnasien, beginnt griechische Dichter ins Deutsche zu übersetzen, und arbeitet später mehrere Jahre, auch mit dem Schweizerischen Katastrophenhilfekorps, als Entwicklungshelfer in Somalia, Nepal und Indonesien. Heute engagiert er sich für Entschädigung und Aussöhnung. „Der Film ist eine Verneigung vor den Menschen, die solche Erlebnisse in frühester Kindheit gemacht haben.“ (Stefan Haupt)
Do, 17.5. – Fr, 18.5.
Shooting Dogs
Michael Caton-Jones, GB/D 2005, 114 Min. Mit John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz
Voller Eifer möchte der junge Englischlehrer Joe helfen, das afrikanische Land Ruanda in einen besseren Ort zu verwandeln. Dem Leiter der Schule und Missionsstation, dem katholische Priester Christopher, fällt es nach vielen Jahren in Afrika angesichts der andauernden Gewalt immer schwerer, seinen Glauben aufrecht zu erhalten. 1994 beginnen Hutu-Extremisten, die Angehörige der Tutsi-Minderheit mit Macheten abzuschlachten. Die Schule etabliert sich schnell als einer der wenigen Zufluchtsorte für die örtlichen Tutsis und gestrandete Europäer. Auch eine kleine belgische Überwachungseinheit befindet sich auf dem bald belagerten Schulgelände, die aber durch das schwache und unentschlossene Mandat der Vereinten Nationen zur Ohnmacht verurteilt ist. Spannend und mit erschütternder Intensität macht der Film die verworrene Lage eines im mörderischen Chaos versinkenden Landes erlebbar, das letztlich für die gutwilligen Europäer doch fremd geblieben ist, und liefert einen sehenswerten Beitrag zur Problematik von militärischen Interventionen. „Shooting Dogs will gar nicht alles über den Massenmord in Ruanda sagen. Kann er auch gar nicht. Diese Geschichte ist ein Bruchstück, ein Ereignis, welches für das Ganze steht. Es ist ein Film, auf den auch jemand, der nichts von der Situation in Ruanda weiß, emotional reagieren kann ... Der Film ist ein Zeitzeugnis, gedreht am Ground Zero und gleichzeitig stellvertretend eine Warnung für die unzähligen anderen, heute aktuellen Kriegsschauplätze, wie zum Beispiel Darfur.“ (M. Caton-Jones)
Do, 17.5. – Mi, 23.5.
Mana – Die Macht der Dinge
Peter Friedman, Roger Manley, F/D/NL/USA 2004, 92 Min. Deutsche Textfassung von Rüdiger Dahlke.
Überall auf dieser Welt, innerhalb jeder Gesellschaft gibt es Objekte, denen Menschen eine besondere Macht zuschreiben. Sie besteigen Berge oder unternehmen Pilgerreisen, um diese Objekte einmal zu sehen oder zu berühren. Sie werfen sich vor ihnen nieder, vollziehen besondere Rituale in deren Gegenwart und berühren diese Gegenstände in der Hoffnung, etwas von deren magischer Kraft zu erlangen. Sie bewahren diese Objekte in einem Schrein in Kirchen und Tempeln auf oder geben sie als Grabbeigabe ihren Verstorbenen mit; sie tragen sie am Körper, bewahren sie wie einen Schatz auf oder verbrennen sie. Solchen Objekten wohnt „Mana“ inne, sagen die Polynesier. Der Film begibt sich auf eine Reise um die ganze Welt und besucht Menschen und ihre Glaubensdinge: das reicht vom Oldtimer-Fahrzeug über Elvis-Presley-Devotionalien, von Navajo-Gräbern in Amerika bis zu burmesischen Pagoden, vom Turiner Grabtuch bis zu einer Zeitmaschine, vom Lächerlichen zum Ehrwürdigen. Dabei findet der esoterisch angehauchte Film für seine Botschaft wunderbare Bilder, die auch den Skeptiker in ihren Bann zu ziehen vermögen. Einen Eindruck vermittelt www.manafilm.de.
Do, 24.5. – Mi, 30.5.

Zur Ausstellung „Tschetschenies Kinder – Tschetscheniens Zukunft“

Coca – Die Taube aus Tschetschenien
Eric Bergkraut, CH 2005, 86 Min., OmU
„Coca“ nannten ihre Eltern Sainap Gaschaiewa – die Taube. Seit 1994 dokumentiert sie, was in ihrer Heimat täglich geschieht: Verschleppung, Folter, Mord. Die Weltöffentlichkeit schweigt, sei es aus Unwissen, Hilflosigkeit oder Opportunismus. Sainap Gaschaiewa hat hunderte Video-Kassetten, die sie nach Westeuropa schaffen will, damit es zu einem Tribunal kommt und die Schuldigen bestraft werden. – Der Filmemacher porträtiert ihre Arbeit in der vormals sowjetischen Teilrepublik Tschetschenien. Auf die einseitig 1991 erklärte Unabhängigkeit reagierte Moskau 1994 mit der Besetzung des Landes, worauf ein beiderseits mit allerhand unsauberen Methoden geführter Bürgerkrieg anhob. Dieser Film zeigt seine Gesichter. Der Film ist begleitend zur Ausstellung: Tschetscheniens Kinder – Tschetscheniens Zukunft. Anschließend Diskussion mit Barbara Gladysch, Isa Atabaicv, Ruslan Misarbicv und Flüchtlingsrat S.-H.
Mi, 25.4., 18.30
Weiße Raben – Alptraum Tschetschenien
Johann Feindt, Tamara Trampe, D 2005, 92 Min.
Petja und Kiril melden sich – gerade 18 Jahre alt – freiwillig zum Einsatz an der tschetschenischen Front. Die Krankenschwester Katja arbeitet in einem Lazarett im Kriegsgebiet. Keiner von ihnen kehrt zurück, wie er ging. An Leib und Seele verkrüppelt, allein gelassen mit ihren Erfahrungen von Verstümmelungen, Folter und Tod. – Über einen Zeitraum von drei Jahren beobachten Johann Feindt und Tamara Trampe wie die Heimgekehrten versuchen, sich in einer Gesellschaft wieder zurechtzufinden, die den Krieg verdrängt. Einzig im Komitee der Soldatenmütter Russlands finden sie und die hilflosen Eltern noch Ansprechpartner und Gleichgesinnte. Seit zehn Jahren herrscht Krieg in Tschetschenien. Der Krieg hat zuletzt ein neues Etikett bekommen: Kampf gegen den Terrorismus. Das klingt gerecht und kommt international besser an. Wir zeigen den Film in Kooperation mit der „Zentrale Beratungs- u. Betreuungsstelle für Ausländerinnen + Ausländer“.
Mo, 30.4., 18.30

Ver-Fälschungen

Dass Filme die reale Welt nicht abbilden, sondern Welten mit eigenen Gesetzmäßigkeiten konstruieren, ist zwar eigentlich ein Gemeinplatz; gleichwohl gelingt es den laufenden Bildern immer wieder, Gewissheiten zumindest zu erschüttern – man denke etwa an die filmisch lancierten Thesen über nie erfolgte Mondlandungen oder über die gezielte Sprengung des World Trade Center am 11. September 2001. Für jede These findet sich schließlich ein Bild, das sie stützt. Umgekehrt werden Filme ihrerseits verfälscht und manipuliert – sei es, weil sie irgendwem unbequem erscheinen, sei es aus einer besonderen künstlerischen Absicht heraus. In den folgenden Wochen zeigt das Kommunale Kino in einer kleinen Reihe Filme, die selbst verfälscht wurden oder die ein Gerücht so wirksam etabliert haben, dass die Zuschauer an die Wahrhaftigkeit des Gesehenen glaubten.
Die Delegation
Rainer Erler, BRD 1970, 100 Min. Mit Walter Kohut, Hans Häckermann
Der Fernsehjournalist Will Roszinski, ein unbestechlicher, kritischer Geist, ein Rationalist durch und durch, stirbt bei einem Autounfall bei Los Angeles zu einem Zeitpunkt, als er bereits von seinem TV-Sender suspendiert war und auf eigene Faust recherchierte. Eigentlich wollte er eine bissige, entlarvende Reportage über Ufos produzieren – besser gesagt über die Pseudo-Wissenschaftler, selbsternannten Fachleute und die ungezählten „Zeugen“ von Ufo-Landungen. Nach kurzer Zeit jedoch verdichten sich die Hinweise auf die Wahrhaftigkeit der Phänomene. Und am Ende scheint Roszinski tatsächlich vor der größten Sensation der Menschheit zu stehen. So entschließt sich die TV-Anstalt, das Material so zu senden, wie Roszinski es hinterlassen hat ... Heute sind „Doku-Fake“ oder „Mockumentary“ gängige Begriffe, 1970 jedoch betrat Rainer Erler mit seiner im Stil eines moderierten Magazins inszenierter Spielfilm ästhetisches Neuland (in der Rolle des Moderators ist der 1995 verstorbene schleswig-holsteinische Schauspieler und Theatermacher Hans Häckermann zu sehen). Und das Rezept ging auf: „Die Delegation“ löste bei ihrer Erstausstrahlung Verwirrung und sogar Verstörung aus – ein Großteil der Zuschauer glaubte, sie sähen eine authentische Reportage. – Wir zeigen den Film mit freundlicher Genehmigung von Rainer Erler als DVD-Projektion.
Mo, 23.4., 18.30; Di, 24.4., 20.30

Daniel Johnston

The Devil and Daniel Johnston
Jeff Feuerzeig, USA 2005, 110 Min., OmeU
Der Musiker und Grafiker Daniel Johnston (Jahrgang 1961) begann seine Karriere in der Wohnstube am Cassettengerät. Seine ersten Aufnahmen verschenkte er an Freunde und Bekannte, 1982 begann ein örtlicher Plattenladen, seine Tapes zu verkaufen. MTV horchte auf und sendete ein Porträt, womit er einige Bekanntheit in der Independent-Szene erhielt. In das Bewusstsein einer größeren Öffentlichkeit trat er, als Curt Cobain 1992 bei der Verleihung der MTV-Awards mit einem Daniel Johnston-T-Shirt auf die Bühne kam. Daniel Johnston ist manisch-depressiv. Seine Songs und seine Bilder sprechen von der Zerrissenheit, seine Aussetzer machen jede kontinuierliche Entwicklung einer „normalen“ Erfolgskarriere zunichte (so zog er beispielsweise einmal den Zündschlüssel des Privatflugzeuges seines Vaters – in der Luft – und leitete so den Absturz ein; beide überlebten). Jeff Feuerzeig nähert sich dem eigenwilligen, schwierigen und faszinierenden Künstler mit diesem ergreifenden Dokumentarfilm. Dazu verwendete er Archivaufnahmen aus Johnstons Bild- und Tonarchiv und befragte Kollegen, Freunde und Familienangehörige. – Im Vorprogramm zeigen wir den Kurzfilm „Wolkenjäger“ des Kieler Filmemachers Daniel Krönke (D 2005, 20 Min.), die Geschichte vom Fahrradkurier Marc und seiner großen Liebe Julia, der er nicht anders als durch den Sucher seiner Kamera wirklich nahe sein kann. Krönke unterlegt Sequenzen seines traurigen Liebesfilms Daniel Johnstons Song „Dream Scream“.
Do, 26.4., 20.30

Globalisierung – Wohlstand für die Welt?

Enron – The Smartest Guys in the Room
Alex Gibney, USA 2005, 109 Min., OmU
Während die verantwortlichen Manager sich persönlich bereichern, verlieren 20.000 Menschen ihren Job: Innenansichten des Großkonzern ENRON, der für den größten Finanzskandal der US-Wirtschaftsgeschichte steht. Groß geworden ist Enron mit der Strategie, Energie zum Spekulationsobjekt zu machen. Durch waghalsige Risiken bei Termingeschäften wurde die Aktie zu Beginn mit Glück und Geschick zum Börsenstar. Den tragischen Fall des Energieriesen leitete Zeit der Wechsel zum (legalen) Buchhaltungssystem „mark-to-market“ ein. Das erlaubte der Firma, zukünftige, erwartete Gewinne in der aktuellen Bilanz als real einzustufen. Der Regisseur nähert sich dem Thema mit Porträts der Hauptverantwortlichen, Soundtrack-Stücken, Collagen und Original-Fernsehausschnitten, um die Materie zu erklären. Selbst in einer Folge der „Simpsons“ wird das Schicksal des Unternehmens satirisch aufs Korn genommen. Dazu kommen ehemalige Mitarbeiter zu Wort. ENRON portraitiert ein Paradebeispiel für eine gescheiterte Deregulierung und eine käufliche Wirtschaftspolitik, die blindlings dem Markt und seinen Goldgräbern vertraut. Im Anschluss an den Film findet am 2.5. ein Gespräch mit ATTAC Kiel statt.
Do, 26.4. – Di, 2.5., 18.30

Psychoanalyse und Film

Der Wald vor lauter Bäumen
Maren Ade, D 2003, 81 Min. Mit Eva Löbau, Daniela Holtz, Jan Neumann
Melanie Pröschle kommt aus der Ausbildung an ihre erste Schule; frischen Wind will die neue Kollegin in den Unterricht bringen. Zugegebener Weise stellt sie sich nicht besonders geschickt an; ihr fehlt einfach das Gespür für Situationen, Subtilität scheint ein Fremdwort für sie zu sein ... Es dauert eine Weile, bis Melanie Pröschle – und auch der Zuschauer – merkt, dass sie an ihrer Umwelt scheitert. – Anschl. Gespräch mit Gisela Bergman-Mausfeld und Mechthild Klingenburg-Vogel.
Mo, 23.4., 20.30

Filme von Maria Reinhardt und Christoph Dobbitsch

Das Kommunale Kino hat mit Maria Reinhardt und Christoph Dobbitsch zwei junge Filmemacher aus Kiel eingeladen, die sich mit ihren ersten Filmen bereits eine große Fangemeinde aufgebaut haben.
„Die Tür“ (Maria Reinhardt, D 2002. Mit Matthes Schachtner): Eine Autotür attackiert einen jungen Mann.
„Frau Kubinsky“ (Maria Reinhardt, D 2005. Mit Traute Steffen, Nora Koenig, Nickel Bösenberg): In einer Kleinstadt häufen sich mysteriöse Unglücksfälle. Eine alte Frau, vorgeblich im Rollstuhl, meint ihre Ursache zu kennen und nimmt den Kampf dagegen auf.
„BedHead“ (Christoph Dobbitsch, D 2006, 30 Min., Kamera: Torben Sachert. Mit Florian Sellke, Martin Friedrichs, Carolin Greiner): Wenn die besten Jahre vorbei sind, kann man eigentlich genauso gut im Bett bleiben – für immer. Genau das denkt sich auch ein junger Mann ... und eckt damit gewaltig an. „Fliegenfänger“ (Christoph Dobbitsch, D 2006, 14 Min., Kamera: Torben Sachert. Mit Jan-Philip Frank, Jana-Vanessa Nielsen, Anna Koßmann) Allein in seinem Zimmer liest ein junger Mann den abschlägigen Brief seiner großen Liebe. Als er kurz darauf verzweifelt aus dem Fenster springt, landet im selben Moment eine Fliege in einer Fliegenfalle – und ihre letzten Sekunden verschränken sich ...
Mi, 25.4., 20.30

Rosa Linse – Mit HAKI e.V. – 2. Lesbisch-Schwules Filmwochenende (Fr, 27.4. - So, 29.4.)

Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr startet die Rosa Linse wieder mit einem Lesbisch-Schwulen Filmwochenende in den Frühling.
Zur Eröffnung zeigen wir als Kieler Premiere mit „Sonja“ einen einfühlsamen Film über zwei beste Freundinnen und ihre tastenden, auch schmerzhaften Annäherungen an die erste Liebe – in Anwesenheit von Regisseurin Kirsi Liimatainen und den Hauptdarstellerinnen Sabrina Kruschwitz und Julia Kaufmann. Anschließend bitten wir zum geselligen Beisammensein und regen Austausch bein einem Empfang.
Ebenfalls neu: „Looking for Cheyenne“ von Valérie Minetto: Eine frisch von der Liebsten getrennte und arbeitslose Journalistin aus Paris versucht sich aus Geldnot im einfachsten Landleben und aus Liebeskummer in allerlei Beziehungen. Zärtlich, erotisch, politisch und mit einem Hauch absurder Komik überzeugte der Film im letzten Jahr beim „Queer Filmfestival verzaubert“.
Dass auch Kiel nicht ohne ist, beweisen die Best-Ofs aus dem 2005 eingestellten QUEERFUNK des Offenen Kanals Kiel, zu sehen am Sa, 28.4., 18.30 Uhr.
Am Samstag stimmen wir ein zur Walpurnisnacht-Party im Roten Salon mit François Ozons Music-Mystery-Thriller „Acht Frauen“.
Außerdem zeigen wir noch einmal zwei Wunschfilme: „Paris was a Woman“ illustriert die Bedeutung der vielen lesbischen Frauen für die Weltkulturmetropole zu Beginn des 20. Jhdts. Und der bezaubernde „Goldfish Memory“ mit seinen Einblicken in lesbische und schwule Liebesverwicklungen in Dublin entlässt uns – hoffentlich wohlgemut – wieder in den Kieler Alltag und den Frühling ...
Zu Gast: Kirsi Liimatainen, Sabrina Kruschwitz, Julia Kaufmann
Sonja
Kirsi Marie Liimatainen, D 2006, 73 Min. Mit Sabrina Kruschwitz, Julia Kaufmann, Nadja Engel
Sonja und Julia sind beste Freundinnen. Sie reden miteinander über alles, was sie bewegt, über ihre Vorstellungen und Träume, ihre Erfahrungen mit Jungs und darüber, wie das wohl sein wird, wenn man erwachsen ist. Hätten die beiden einander nicht, wäre ihr Alltag noch trister. Sonja wohnt mit ihrer überforderten Mutter in einer Plattenbausiedlung, der Vater interessiert sich nicht für die Familie, die Jungs machen platte Annäherungsversuche – und ihr Freund möchte endlich mit ihr schlafen. Aber Sonja hat andere Vorstellungen von ihrem Leben, von Glück und erster Liebe, doch sie beginnt erst im Verlaufe des Sommers, ihre Gefühle für Julia zu verstehen ... Kirsi Liimatainen (Buch und Regie) über ihren Film: „Der Ursprung für diese Geschichte liegt in meiner eignen Jugend. Wir waren 16 und unsere Seelen und unsere Herzen waren voll von glücklichen Farben, Hoffnung, Neugier und unruhigen Träumen ... wie die dünnen, sich bewegenden Schwingen des Schmetterlings ... Egal in welchem Land oder Jahr man geboren ist, die Jugend ist immer das Gleiche für uns alle: zerbrechlich und einmalig – jeder Tag kann wie ein Jahr sein.” „Sonja“ wurde ausgezeichnet mit dem FINDLING-Preis 2006 des Filmkunstfestes Schwerin – aus der Jury-Begründung: „Sonja ist ein stiller Film, der durch seine Poesie und Sensibilität besticht. Es ist die feinfühlige Charakterstudie einer junge Frau, die sich abzugrenzen versteht und ihre Ansprüche an die Welt angemessen formuliert.” Kirsi Liimatainen erzählt die Geschichte zweier junger Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Realistisch zeigt sie ihren Alltag, poetisch und sensibel beschreibt sie ihre Sehnsüchte und Wünsche.
Fr, 27.4., 20.00
Oublier Cheyenne – Looking for Cheyenne
Valérie Minetto, F 2005, 90 Min., OmU
Die draufgängerische Journalistin Cheyenne hat vor siebzehn Tagen ihre Freundin, die Lehrerin Sonia, verlassen. Weil sie keine Arbeit findet und das Geld zuende geht, ist sie von Paris weg gezogen, um unter einfachsten Verhältnissen auf dem Land zu leben. Das bedeutet: Kein Strom, kein fließend Wasser, Kerzen zur Nacht und ein Fahrrad als Transportmittel. Sonia dagegen liebt ihren Beruf und hält gar nichts von solch radikalem Aussteigerleben. Aus Kummer lässt sich Sonia mit dem jungen Freigeist Pierre ein. Hingerissen von der blonden Schönheit, ist der umstürzlerische Beau weder eifersüchtig noch stört es ihn, dass Sonia lesbisch ist. Im emotionalen Wirrwar mischen ferner mit: eine auf Raubzug befindliche Schönheit, eine ebenso niedliche wie rebellische Studentin, eine zynische ländliche Totalverweigerin und ein freundlicher Russe. Das Regiedebüt von Valérie Minetto erzählt mit komischen, dramatischen und manchmal fantastischen Elementen eine wunderbar altmodische Liebesgeschichte aus dem Heute einer sich im Umbruch befindenden Gesellschaft. „Mit seinen zärtlichen wie erotischen Tönen, politischem Statement und einem Hauch absurder Komik gelang Valérie Minetto ein besonderer Liebesfilm, der auf clevere und charmante Art die Herausforderungen aufzeigt, denen eine Beziehung vor dem Hintergrund unterschiedlicher Lebensansprüche ausgesetzt ist.” (Internationales Queer Filmfestival verzaubert)
Sa, 28.4., 20.30
Acht Frauen
François Ozon, F 2002, 106 Min. Mit Fanny Ardant, Emmanuelle Béart, Danielle Darrieux, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Virginie Ledoyen, Firmine Richard und Ludivine Sagnier
Eine eingeschneite Villa, acht Frauen ... und ein toter Mann. Man könnte aber auch sagen: ein Regisseur und die nahezu unlösbare Aufgabe, acht Diven des cinéma français von einem gemeinsamen Filmprojekt zu überzeugen. François Ozon hat diese Herausforderung glänzend gemeistert, denn „Acht Frauen“ ist ein Ensemble-Film par excellence, dessen Hauptdarstellerinnen mit geradezu ansteckender Freude an der Schau-Spielerei bei der Sache sind. Sie küssen und schlagen sich, verführen und verdächtigen einander, mal bitterböse, mal melancholisch, doch stets mit Leidenschaft. Und nicht zuletzt ist "Acht Frauen" auch eine Liebeserklärung an das französische Chanson. Wie aus Dornröschenschlaf erwachen Titel, die einst im Original bspw. von Dalida, Françoise Hardy oder Sylvie Vartan gesungen wurden, in den Interpretationen der acht Aktricen zu neuem Leben. Ausgezeichnet u.a. mit einem Silbernen Bären für die acht Hauptdarstellerinnen. Nach einem Theaterstück von Robert Thomas. Anschließend Walpurgisnacht-Party im Roten Salon! (Dort ermäßigter Eintritt bei Vorlage der Kinokarte.)
Sa, 28.4., 22.30
Paris was a Woman
Greta Schiller, GB/USA/D 1996
Djuna Barnes, Gertrude Stein, Janet Flanner, Sylvia Beach, Natalie Barney – wer kennt sie nicht! Mit spannendem und selten zu sehendem Archivmaterial zeigt Greta Schiller das Paris der 20er und 30er Jahre und eine legendäre Gruppe von Frauen, die sich gerne aus der ganzen Welt in das freigeistige Ambiente des Kulturmilieus locken ließen, wo sie als Schriftstellerinnen, Malerinnen, Fotografinnen und Journalistinnen dazu beitrugen, Paris zur kulturellen Welthauptstadt zu machen. Hier konnten sie leben und lieben, wie sie wollten, und die Meisten liebten Frauen.
So, 29.4., 18.30
Goldfish Memory
Liz Gill, Irl. 2003, 85 Min. Mit Sean Campion, Fiona O’Shaugnessy
In der schicken Lounge am Hafen von Dublin suchen die Stammgäste die große Liebe. Unter den Glubschaugen der Goldfische, die in ihrem Glas auf dem Tresen kreisen und die, so heißt es, ein Erinnerungsvermögen von nur 3 Sekunden haben. Der flatterhafte Uni-Prof, die lesbische Fernsehmoderatorin, der schwule Fahrradkurier, wären sie nicht vielleicht glücklicher mit einem Goldfisch-Gedächtnis, wenn sie sich immer neu verlieben könnten, ohne Herz- und Trennungsschmerz?
So, 29.4., 20.30

11. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide

Der Mai ist traditionsgemäß der Monat des Filmfests Schleswig-Holstein Augenweide, das dieses Jahr zum elften Male stattfindet. Und nach dem erfolgreichen Start im letzten Jahr ist das begleitende Symposium ebenfalls gut eingeführt. Thema des diesjährigen Symposiums (9. + 10. Mai) ist „Heimat“ – ein Konzept, das in einer Welt der Globalisierung und zunehmender Auflösung von Grenzen dennoch nicht an Bedeutung verliert. Unter Beteiligung des Partnerlandes des Kultursommers Ungarn bietet das Symposium zwei Tage Raum zum Dialog über aktuelle „Heimat-Filme“ aus Schleswig-Holstein: „Full Metal Village“, „Der Wirt, die Kneipe und das Fest“ und „Mit 1000 Schafen auf Wanderschaft“. Aus Ungarn stammen die Beiträge „Pannonian Hill“ und „The Jáno Brothers“. Am 11. Mai öffnet dann das Filmfest Augenweide seine Pforten, bzw. seine Leinwand und zeigt in bewährter Weise eine attraktive Mischung dokumentarischer und fiktionaler Filme. Bis auf die Beiträge aus dem Gastland Ungarn ist allen gemeinsam, dass sie hier im Lande entstanden oder gefördert wurden. Neben dem traditionellen Eröffnungsabend am Freitag (11.) mit einem repräsentativen Festivalquerschnitt und Büffet und dem Kurzfilmabend am Samstag (12.) steht u.a. der neue Film des Kieler Filmemachers Bartosz Werner „Preußisch Gangstar“ (13.) auf dem Programm.

Das Kriegsende in Kiel

Buchpräsentation und Filmpremiere mit Zeitzeugen. Mit dem Stadtarchiv Kiel und der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte stellt Renate Dopheide ihr Buch „Kiel, Mai 1945. Britische Truppen besetzen die Kriegsmarinestadt“ vor. Danach präsentiert Kay Gerdes seinen Film „5 Tage im Mai – Wie der 2. Weltkrieg in Kiel zu Ende ging“ (Kiel 2007, 44 Min.). Britische Kriegsveteranen, die am Einmarsch nach Kiel beteiligt waren, und deutsche Zeitzeugen berichten über die Ereignisse am Ende des Krieges. So entsteht eine filmische Momentaufnahme dieser 5 Tage im Mai. Zum Teil bislang nicht veröffentlichtes historisches Film- und Fotomaterial auch aus britischen Archiven ergänzt anschaulich die persönlichen Rückblicke. Anschließend gibt es bei einem Empfang die Gelegenheit zu Gesprächen mit den mitwirkenden britischen und deutschen Zeitzeugen und den Autoren. Der Eintritt am Samstag, 5.5. um 19 Uhr ist frei. Den Film von Kay Gerdes zeigt das Kommunale Kino noch einmal am Sonntag, 6. 5. um 18.30 Uhr, dann zusammen mit seiner früheren Dokumentation „Kiel im Bombenkrieg“ (Kiel 2005, 49 Min.)

Mit Zentrale Beratungs- u. Betreuungsstelle für Ausländerinnen + Ausländer in SH e.V.

Lieber Muslim ...
Kerstin Nickig, D 2005, 35 Min., russisch-tschetsch. mit dt. Untertiteln
„Lieber Muslim“ – so beginnt das Tagebuch von Sacita, das sie ihrem kleinen Sohn Muslim schreibt, damit er einmal versteht, was seine Eltern in Tschetschenien im Krieg erlebt haben, warum sie nach Polen geflohen sind. Damit er sich einmal in einer unbekannten Zukunft zurechtfinden wird, wenn sie selbst vielleicht schon nicht mehr leben, wie sie glaubt. Sacita, ihr Mann Said-Selim und Muslim leben in einer Provinzstadt in Ostpolen und haben wie über 6.000 andere tschetschenische Flüchtlinge in Polen Asyl erhalten. Doch sie leben vollkommen in den Kriegsschrecken der Vergangenheit. Die Berliner Filmemacherin Kerstin Nickig hat sie über ein halbes Jahr lang mit der Kamera begleitet: Herausgekommen ist ein nahes Porträt der Familie und ihrer persönlichen Kriegsgeschichte. Im Anschluss Gespräch mit der Filmemacherin Kerstin Nickig und mit Sacita Chumaidowa (Tschetschenien / Polen).
Di, 8.5., 18.30

Stummfilm – Livemusik: Das Devil Music Ensemble aus Boston

Dr. Jekyll and Mr. Hyde
John S. Robertson, USA 1920, Mit John Barrymore, Brandon Hurst, Martha Mansfield, Charles Lane, Cecil Clovelly, Nita Naldi, J. Malcolm Dunn, George Stevens, Louis Wolheim, Alma Aiken. Musik: Devil Music Ensemble – Brendon Wood: Gitarre, Synthesizer; Jonah Rapino: Violine, Vibraphon, Synthesizer; Dan D’Errico: Schlagzeug, Percussion, Synthesizer
Robert Louis Stevensons Roman „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ (1886), ein Klassiker der Weltliteratur, zählt zugleich zu den berühmtesten literarischen Ausformungen des Doppelgängermotivs. Und mit über 100 filmischen Adaptionen kann die Geschichte von dem Arzt Dr. Jekyll, der durch ein wissenschaftliches Experiment seine ins Unterbewusstsein verdrängten Triebe freisetzt und sich unkontrolliert in eine mordende Bestie verwandelt, den Weltrekord für sich verbuchen. Zu den berühmtesten Varianten zählen sicherlich die Fassung von 1931 mit Frederick March, diejenige von 1941 mit Spencer Tracy und die Adaption von 1996 mit John Malkovich und Julia Roberts. Weitestgehend unbekannt hingegen dürfte – zumindest hierzulande – die Stummfilmfassung von 1920 sein, in der John Barrymore die schwierige Doppelrolle des grenzgängerischen Arztes meisterlich bewältigte. Seine Verwandlungsszenen, die noch ganz ohne Überblendungen und sonstige Tricks erzeugt werden mussten, werden in der Fachliteratur als beängstigend realistisch gewürdigt. Das KoKi bietet Gelegenheit, diese filmhistorische Rarität zu erleben – und dies mit der besonderen Begleitung durch das renommierte Devil Music Ensemble aus Boston. Auf seiner Europa-Tournee gastieren die drei Musiker zwischen zwei Auftritten in Kopenhagen und Lübeck bei uns, um den Film mit ihrem eigenen Soundtrack live zu begleiten. „The Devil Music Ensemble has established itself as one of the primary American groups composing and performing scores for silent films, and can be spoken of in the same breath as groups like the Alloy Orchestra and the Tin Hat Trio.“ Dylan Skolnick, Cinema Arts Centre. – Wir zeigen den Film in Begleitung zur Ausstellung „Hirnsturm. Ein Kabinett verwegener Forscher“ der Medizin- und Pharmaziehistorischen Sammlung der CAU.
So, 20.5., 20.30

Mit CAU – Einführung: Prof. Dr. Jan-Oliver Decker

Hitlerjunge Quex
Hans Steinhoff, D 1933, 95 Min. Mit Heinrich George, Berta Drews, Claus Clausen, Hermann Speelmanns und einem Hitlerjungen
Berlin, kurz vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Die Straßen sind beherrscht von den Straßenkämpfen zwischen Kommunisten und SA. Heini Völker, Sohn eines überzeugten Kommunisten, wird von den Jugendorganisation beider Lager gleichermaßen umworben – ist er doch das Musterbild an Anständigkeit, Ehrlichkeit und Einsatzbereitschaft. Nachdem er sich dafür entschieden hat, Mitglied der HJ zu werden, gerät er in einen Hinterhalt. Kurz nachdem er seine Kameraden vor einem „heimtückischen Anschlag“ der Kommunisten hat warnen können, wird er ermordet ... Nur wenige Monate, nachdem die Nationalsozialisten die Macht erlangt hatten, kam dieser Propagandafilm in die deutschen Kinos – ein technisch perfektes, ideologisch durchtränktes Rührstück über den „Opfergeist der deutschen Jugend“, wie der Untertitel des Films lautet. Regisseur Hans Steinhoff, später von Billy Wilder als „Scheißregisseur“ betitelt, verstand es nur zu gut, eine bedeutungsschwangere Mischung aus Heimatliebe, Marschmusik, Verherrlichung von Opferwillen und Gruppendisziplin und klischeehafter Zeichnung des Feindbildes zu erzeugen. Bis heute hat dieser gleichermaßen mitreißende wie erschreckende Film nichts von seiner Wirkung eingebüßt, weswegen er nur in Zusammenhang mit entsprechenden erläuternden Informationsveranstaltungen gezeigt werden darf. Die Einführung in die kulturellen und historischen Zusammenhänge erläutert vor dem Film Prof. Dr. Jan-Oliver Decker von der CAU.
Mo, 7.5., 20.30

Mit der Goethe-Gesellschaft Kiel

Die Braut
Egon Günther, D 1999, 112 Min., Veronica Ferres, Herbert Knaup, Christoph Waltz
Pünktlich zum 250. Dichtergeburtstag schuf Egon Günther, einer der Vorzeige-Regisseure der DEFA für klassische Stoffe und Literaturverfilmungen, dieses Spiel um Dichtung und Wahrheit, in deren Mittelpunkt Goethe und Christiane Vulpius stehen. Seine Arbeit basiert zum Teil auf der Doppel-Biografie „Christiane und Goethe“ von Sigrid Damm, mengt aber auch allerlei freie Zutaten hinzu. Leider entschied man sich dafür, den Film zu kürzen, so dass manche Szenenübergänge und dramatische Entwicklungen etwas sprunghaft wirken.
Di, 15.5., 20.30

Klassik im Kino

Cardillac
Oper in vier Bildern. Musik von Paul Hindemith, Libretto von Ferdinand Lion nach E.T.A. Hoffmann. D 1986, 89 Min. Bayerische Staatsoper, Musikal. Ltg: Wolfgang Sawallisch. R: Jean-Pierre Ponnelle. Mit Donald McIntyre, Maria de Francesca-Cavazza (Live-Aufnahme)
Jazz & Tempo, Künstlerdrama & Nummernoper: „Cardillac“ von Hindemith ist eine hochromantische Kriminalgeschichte, die von einem Goldschmied handelt, der durch Mord wieder in den Besitz seiner verkauften Schmuckstücke kommen will. Hindemiths 1926 international gefeierter Versuch, eine Oper der neuen Sachlichkeit zu schreiben, die sich vom Musiktheater wagnerscher Prägung absetzt, wird in dieser Aufführung von Ponnelle in die Nähe des expressionistischen Films gerückt.
So, 27.5., 17.00

delicatessen – Kino Kultur digital

Spuren im Eis
Staffan Julén, S/DK 2006, 79 Min. kalaallisut./engl. OmU
Der US-amerikanische Polarforscher Robert E. Peary gilt als Entdecker des Nordpols. 1897 brachte er sechs Inuit nach New York, die dort den Schaulustigen vorgeführt wurden, während er selbst in Grönland ein Doppelleben mit einer anderen Frau führte. Die Verschleppung der Inuit überlebte am Ende nur der Junge Minik – was ist aus ihm geworden? Regisseur Staffan Julén hat einen interessanten Protagonisten gefunden, den er bei der Suche nach den Spuren jenes der Heimat entrissenen Inuit-Jungen begleitet: Es ist niemand anderes als der Nachfahre eines unehelichen Kindes, das aus der Verbindung Robert E. Pearys mit einer Inuit-Frau hervorging. Jener Urenkel des Polarforschers nennt sich nicht ohne Stolz und Anklage Robert Peary II. So bietet der Film eine vielfach verschränkte Perspektive auf ein äußert sensibles Geflecht aus Geschichten um Erfolgsucht, Doppelleben und Kolonialismus. Sowohl in Robert Peary II.s als auch in Miniks Geschichte werden Fragen nach kultureller Identität, nach Heimat, dem Selbstverständnis der Naturwissenschaften und dem Verständnis von anderen Kulturen laut – Peary II., der Inuit mit dem fremden Vorfahren, spiegelt sich dabei in Minik, dem Inuit in der Fremde. Und diese Spiegelung zeigt, wie weit die Folgen des wissenschaftlich verbrämten Kolonialismus reichen.
Do, 3.5. – Mi, 9.5.
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