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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Drehbericht: „Die Innere Mission“ von Lene Markusen

Die 1973 im dänischen Thisted (westlich von Aalborg) geborene Lene Markusen hat für ihren experimentellen Dokumentarfilm „Die Innere Mission” im Herbst 2008 Produktionsförderung von der Filmwerkstatt Kiel erhalten. Die Dreharbeiten fanden in der zweiten Mai-Hälfte 2009 statt, ebenfalls mit technischer Unterstützung der Filmwerkstatt, der Rohschnitt soll im August fertig sein.

Lene Markusen, die unter anderem in St. Petersburg und Kopenhagen studierte und 2004 ihr Diplom an der HfBK in Hamburg machte, arbeitete nach ihren Filmprojekten „Grad” (2002) und „Afrika” von 2007 nun bereits zum dritten Mal zusammen mit der Hamburger Kamerafrau Bettina Herzner, die auch die von der Filmwerkstatt unterstützten Projekte „Sommerhitze“ (2003) und „Wackelkontakt“ (AT „Fotogedanken“) (2004) fotografierte.

Zusammen mit Tonmann Oliver Kracht und zahlreichen Technikkisten zwängten sich die beiden im Mai in ein Wohnmobil und begaben sich auf die architektonischen und gesellschaftlichen Spuren der „Inneren Mission”, einer fundamentalistisch-protestantischen Bewegung in Dänemark, die seit dem 19. Jh. rund 400 Missionshäuser in der westlichen Küstenregion gebaut hat. Hier einige Eindrücke der Regisseurin von den Dreharbeiten:

„Die Innere Mission”: Impressionen vom Dreh

Wir warten darauf, dass die Straßenlaterne angeht. Die Abenddämmerung ist klebrig kalt, der Wind hat einen öligen Filter aus Meeresdunst an meine Brillengläser getragen. Ich muss sie abnehmen um etwas zu sehen, jetzt wird alles zum Aquarell, auch schön. In einem Vorgarten hat Bettina Herzner die Kameraposition schon gefunden: So sieht es geil aus, teilt sie mit. Der Vorgarten ist weder mit Bäumen, Büschen oder Blumen bewachsen, er ist ein Fleck von weißen Kieselsteinen und blassem Gras, der nicht zu spüren bekommen hat, dass es jetzt Ende Mai ist. Der Vorgarten ist von einem niedrigen hellgrün imprägnierten Holzzaun umrahmt, Bettina steht mit Stativ und Kamera dahinter. Bevor es unangenehm wird, denke ich, wäre es sicherlich richtig, wenn wir einmal nett fragen. Es sitzt nämlich jemand hinter der Fensterscheibe, im gelben Licht. Hat sie uns gar nicht gesehen? Scheinbar nicht. Umso besser, dann wirkt es ja nicht anmaßend, was wir hier machen. Ich trete über den Zaun, klopfe an die Fensterscheibe und die runde Frau unterbricht das Stricken und öffnet. Nein, macht was Ihr wollt!


Außen, Strasse, Abend, Totale. Das Licht ist blau-violett. Die graue Straße wirkt rosa, weiße Streifen durchqueren das Bild. Zu sehen ist ein Haus aus braunem Backstein, in der Größe eines Einfamilienhauses aus den 70ern. An der Fassade zur Straße hin ist ein Kreuz aus Glasstein eingemauert. Von Innen wird das Kreuz beleuchtet, hier draußen in der Dämmerung ist seine Botschaft deutlich. Die Kamera läuft. Das Haus ruht in sich. Kalter Wind wie im November. Nichts rührt sich. Kein Auto fährt vorbei, kein Mensch geht hier spazieren. Während der 30-sekündigen Aufnahme zeichnet die Kamera zwei Bewegungen auf: Die Wolken ziehen am Himmel vorüber. Und die Straßenlaterne fährt hoch. Langsam, summend. Die Frau ruft uns im Anschluss zu – aus dem Fenster reicht sie uns drei Stücke „Kalter Hund”.

Wir übernachten im Missionshaus. Das gemeinschaftliche und geborgene Leben in diesen Häusern ist zu riechen und zu sehen. Es lauern aber auch stille und fast unausgesprochene Übereinkünfte. Alle kennen alle. Gegenseitige Beobachtung. Die Stimmung kann kippen und eine repressive Färbung einnehmen. Eine Ambivalenz zwischen persönlichen, intimen Momenten und der Kollektivität, als Gemeinde, als Gemeinschaft, als Gesellschaft. 16 Missionshäuser fixieren wir mit der Kamera in 6 Tagen auf 16mm. In Dörfern, in Kleinstädten und zwischen den Feldern. Jogger, Gartenarbeiter, Traktoren ziehen vorbei, wir fangen es ein und betrachten in Miniatur das Leben in der Provinz.

„Die Innere Mission“, 16mm, 4 Spur Ton. Experimenteller Dokumentarfilm. Kamera: Bettina Herzner, Ton: Oliver Kracht, Regie: Lene Markusen