Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
herausgegeben von
Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



Impressum
Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im August u.a.:

Neu in Kiel


Home
Ursula Meier. CH/F/Belgien 2008. 95 Min. dt. Fs. Mit Isabelle Huppert, Olivier Gourmet, Adelaide Leroux, Madeleine Budd, Kacey Mottet Klein
In Home (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen zivilisationskritischen Naturdoku von Arthus-Bertrand) erzählt die Regisseurin Ursula Meier mit sehr großer Ernsthaftigkeit eine außerordentlich seltsame Geschichte. Mutter, Vater und drei Kinder wohnen in einem allein stehenden Häuschen an einem unfertigen Autobahnabschnitt. Das Haus steht auf der einen Seite der unbenutzten Schnellstraße, Briefkasten und der Feldweg in die Außenwelt befinden sich auf der anderen. Es ist ein heißer Sommer, und die Familie hat sich mit Wäscheleine, Liegestuhl, Planschbecken und Spielzeug über die ganze Straße ausgebreitet. Ab und zu radelt Julien, der Kleinste, den Asphalt rauf und runter. Mutti wäscht, Judith sonnt sich, Vater geht zur Arbeit und kommt wieder. Man ist sich selbst genug in dieser abgelegenen Idylle der weiten Blicke und entsättigten Farben. Dann wird die Schnellstraße wieder in Betrieb genommen ... Meier beschreibt in präzisen skurrilen Details die erschütternde Veränderung, die sich zunächst in seismographischen Schwingungen ankündigt – das erste Baufahrzeug, der frische Teer, das erste Auto – und dann mit voller Wucht über die Familie herein brandet. Der Aufruhr tobt auch auf der Tonspur. Wo zunächst aufgekratzter Familienlärm und tiefe Stille einander abwechselten, ist nun durchgängig und unentrinnbar das Dröhnen vorbei zischender Autos zu hören. Mit dem Dauerterror der neuen Situation gehen die Familienmitglieder zunächst pragmatisch um. Die Katze wird eben angeleint, Judith setzt sich beim Sonnen Kopfhörer auf, und die beiden schulpflichtigen Kinder warten abends auf der anderen Straßenseite, bis der Vater von der Arbeit kommt und mit ihnen ein paar hundert Meter weiter durch eine ungenutzte Betonröhre auf die Zuhause-Seite kriecht. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dieses ganze absurde Szenario allegorisch zu lesen. Aber so einfach macht es uns Meier nicht. Home bleibt stets wunderbar konkret. Das kleine Haus und die große Straße wirken so wirklich und fassbar, dass man sich fragt, wo sie eigentlich liegen; und Isabelle Huppert als Wäsche waschende fröhliche Mutter und Hausfrau hat man selten so erdig gesehen. Ursula Meier filmt die Hitze des Sommers, den Geruch weichen Teers, das Jucken der Isolierwolle und die Schwere der Ziegel, mit denen die Autobahn, die ständig über allem und auch in den Köpfen der Zuschauer dröhnt, ausgesperrt werden soll. Die faszinierende Versuchsanordnung von Home ist zuallererst eine zutiefst sinnliche Erfahrung.
Sa, 1.8. - Mi, 5.8., 19.00

Jan Georg Schütte. D 2008. 92 Min. Mit Stephan Schad, Pheline Roggan, Oliver Sauer, Susanne Wolff, Ole Schloßhauer, Meret Becker.
Wenn Filmdrehbücher endlich fertig sind, sind sie durch viele Hände und über viele Schreibtische gegangen, sind voller Kompromisse, und jegliches Potential für Spontaneität ist ihnen weggespriptdoctored. So jedenfalls schien es Jan Georg Schütte. Seine Idee: Man lädt ein paar befreundete Schauspieler ein, drückt jedem eine Figurenskizze in die Hand und beobachtet dann mit der Kamera, was sich an Handlung und Dramatik ergibt. Das Ergebnis dieses ersten Experiments – der Film Swingerclub – wurde ein beachtlicher Kinoerfolg, die sieben live improvisierten „Fortsetzungen“ auf der Bühne des Thalia-Theaters in Hamburg erreichten Kultstatus. Jetzt hat Jan Georg Schütte ein neues Projekt auf den Weg gebracht – ähnlich im Konzept, jedoch mit etwas mehr Vorbereitung und höherem filmtechnischen Aufwand (so verfolgten allein sechs Kameraleute das quirlige Geschehen und produzierten über 80 Stunden Material). Das tragikomische Drama erzählt die Geschichte des Romanautoren Hans, der seine Freunde in sein neues Wochenendhaus einlädt, um mit ihnen ein unbeschwertes Wochenende zu verbringen. Denn Hans hat viel zu feiern – einen königlichen Verlagsvertrag, ein dickes Auto, dieses lauschige Haus am See. Es läuft gerade alles super. Auch bei den anderen. Warum also nicht einfach mal glücklich sein?
So, 2.8. + So, 9.8., 19.00

Erzähl mir was vom Regen / Parlez-moi de la pluie
Agnès Jaoui. F 2008. 110 Min. dt. Fs. Mit Agnès Jaoui, Jean-Pierre Bacri
Encore une fois: Dem Filmemacher-Ehepaar Jaoui und Bacri ist wieder ein feinsinniger Film gelungen, in dem Vergangenes und Zukünftiges, Persönliches und Politisches gleichzeitig ironisch wie melancholisch miteinander verknüpft ist: Im Zentrum steht Agathe, erfolgreiche Autorin und engagierte Feministin, die sich nun auf eine politische Karriere vorbereitet. Im Rahmen ihres Wahlkampfes kommt sie auch nach Südfrankreich. Für einige Tage macht sie Station bei ihrer Schwester Florence, die mit ihrer Familie am Ort der gemeinsamen Kindheit wohnt. Aber statt mit Sommer und Ferienstimmung wird Agathe dort nicht nur mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert, sie muss sich mit einem komplizierten Beziehungsgeflecht auseinandersetzen. Es muss der Nachlass der verstorbenen Mutter geordnet werden, und ausgerechnet einer der Journalisten, die die Wahlkampftour begleiten und einen Dokumentarfilm über sie drehen wollen, hat seit langem ein Verhältnis mit Agathes Schwester. Sein Kollege Karim wiederum, dessen Mutter noch in hohem Alter als Haushälterin für Agathes Familie arbeitet, begegnet ihr und der ganzen gutbürgerlichen Familie mit grundsätzlichem Misstrauen. – Agnès Jaoui ist eine der erfolgreichsten und vielseitigsten Schauspielerinnen, Drehbuchautorinnen und Filmemacherinnen Frankreichs, und viele ihrer Arbeiten haben wir in den letzten Jahren im KoKi gezeigt: Mit ihrem Regiedebüt Lust auf anderes gelang der europäische Durchbruch. Der Film wurde mit vier Césars und einer Oscar-Nominierung bedacht. Für das Drehbuch von Schau mich an erhielt sie 2004 gemeinsam mit ihrem Partner Jean-Pierre Bacri die Goldene Palme. Zuvor waren schon ihre Bücher zu den Alain Resnais-Filmen Smoking/No Smoking sowie Das Leben ist ein Chanson mit einem César ausgezeichnet worden. Agnès Jaouies Filme handeln von Sehnsucht nach Anerkennung und Erfolg oder wenigstens ein bisschen Beachtung und Trost. Und sie leben von brillanten, witzigen Dialogen und einem immer herausragend agierenden Ensemble.
Sa, 1.8. - Mi, 19.8.

Tropa de elite / The Elite Squad
José Padilha. Bras./Arg 2007. 118 Min. dt. Fs. Mit Wagner Moura, Caio Junqueira
Captain Nascimento, Chef des BOPE, der Elitetruppe der brasilianischen Militärpolizei, ist am Ende. Immer häufiger überfallen den Polizisten während seiner Einsätze im Kampf gegen den Drogenhandel in den Elendsvierteln von Rio aus heiterem Himmel Panikattacken. Die brutalen Einsätze übersteht der Offizier nur noch mithilfe von Beruhigungstabletten. Seine junge Frau erwartet ein Kind von ihm und drängt ihren Mann, den gefährlichen Job endlich aufzugeben. Seine Entlassung, um die Nascimento daraufhin tatsächlich bittet, wird ihm allerdings nur gewährt, wenn er einen adäquaten Nachfolger präsentieren kann. Bei einem Sondereinsatz lernt er die beiden jungen Polizisten Neto und Matias kennen. Die seit Kindertagen befreundeten jungen Männer leiden unter der alles erstickenden Korruption in ihren Einheiten; spontan bewundern sie Nascimento und seine perfekt funktionierende Truppe und bewerben sich darum, in deren Reihen aufgenommen zu werden. Einer von ihnen soll Nascimentos Nachfolger werden. Aber wer, das muss erst ein extrem hartes Auswahlverfahren ergeben, in dem die Kandidaten auf Herz, Ehre und Durchhaltevermögen geprüft werden… Autor, Regisseur und Produzent José Padilha seziert in seinem rasanten Spielfilmdebüt das Treiben einer Eliteeinheit der Militärpolizei in Rio de Janeiro. Der brasilianische Regisseur, der bereits durch einige hochkarätige und sozial engagierte Dokumentationen auffiel, packt auch in diesem über weite Strecken dokumentarisch anmutendem Spielfilm ein heißes Eisen der brasilianischen Gesellschaft an: korrupte Polizisten und skrupellose Drogenbosse, die in den Favelas am Stadtrand mit erbarmungsloser Gewalt regieren. Dazu kommt eine stählerne, in sich selbst verliebte Elitetruppe mit einer kaum verborgenen Neigung zur Brutalität. Das spannende, mitreißende und ob seiner rohen Gewaltdarstellungen überaus schockierende Sozialdrama wurde auf der Berlinale 2008 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet.
Do, 6.8. - Mi, 12.8.

Das Mädchen aus Monaco
Anne Fontaine. F 2008. 95 Min. dt. Fs. Mit Fabrice Luchini, Gilles Cohen
Bertrand Beauvois ist ein Staatsanwalt aus Paris, der in Monaco die Verteidigung in einem Mordprozess übernommen hat. Edith Lasalle soll ihren Geliebten umgebracht haben. Doch vielleicht war es auch ihr Sohn, der zu dem Opfer eine sehr persönliche Beziehung entwickelt hatte. Beauvois hat, von wem auch immer, den Bodyguard Christophe zugeteilt bekommen, denn Ediths Geliebter war Russe, und „mit den Russen ist nicht zu spaßen“, wie man weiß. An sich läuft es mit dem Prozess ganz gut. Doch dann kommt es zu einem Zwischenfall, nein – zu mehr als bloß einem Zwischenfall: Der strenge, intellektuelle Beauvois trifft auf Audrey Varella, Monacos Wetterfee, eine hübsche, leichtfüßige, sexuell nicht sehr wählerische Person mit unleugbarem Charme. Es dauert nicht lange, bis Beauvois sich nicht nur verliebt, sondern dem Mädchen buchstäblich verfällt. Christophe, der männliche, zurückhaltende, meist unbestechlich dreinblickende Leibwächter will Bertrand vor diesem Abenteuer bewahren. Einfach ist das nicht – denn früher hatte Christophe mit Audrey eine Affäre. Er tut so, als wäre dies ohne Bedeutung, aber ganz so scheint es nicht zu sein ... Dienstbeflissenheit hier und Eifersucht da ergeben eine hübsche Mischung für komödiantische Situationen, ebenso die Gegensätzlichkeit des stoischen, manchmal steifen und zumeist ernsten Bewachers und seines zappeligen Beschützersubjektes. Aus der streng befolgten Dienstanweisung, das Umfeld seines Klienten stets in einem Radius von sechs Metern zu sichern, resultieren wiederholt situationskomische Szenen und Dialoge. Amüsierpotenzial eröffnet sich aber auch aus der Gegensätzlichkeit der Figuren und der Art und Weise, wie sie miteinander kommunizieren und aufeinander reagieren. Besonders kontrastreich dargestellt ist dies in der wortgewandten Darstellung des Maître und der ihm mit ihren äußeren wie auch sexuellen Reizen, ihrer jugendlichen Naivität und Offenheit und ihrem Faible für Lady Di gegenübertretenden Audrey. Regisseurin und Drehbuchautorin Anne Fontaine (deren Coco before Chanel demnächst in die deutschen Kinos gelangen wird) hat in ihrer Sommerkomödie alles richtig gemacht: in den Kinos links des Rheins war Das Mädchen von Monaco ein Hit. „Die verführerischste Komödie dieses Sommers“ (Toronto IFF )
Do, 13.8. - Mi, 19.8.

Wir sind alle erwachsen
Anna Novion. F 2008. 84 Min. dt. Fs. Mit Jean-Pierre Darroussin, A. Demoustier
Wie jedes Jahr hat der allein erziehende Albert den Urlaub mit seiner 17-jährigen Tochter Jeanne penibel vorbereitet, denn Überraschungen schätzt der ein wenig zwanghaft wirkende Bibliothekar aus Paris überhaupt nicht. Aber im gebuchten Ferienhaus auf der schwedischen Schäreninsel logieren aufgrund eines Missverständnisses bereits zwei Frauen, die sich hier von Berufs- und Beziehungsstress erholen wollen. Da in der Hochsaison keine weitere Unterkunft aufzutreiben ist, rauft man sich notgedrungen zusammen. Die verschüchterte Tochter allerdings findet das gar nicht so übel. Sie nutzt die Wohngemeinschaft, um sich vorsichtig von ihrem dominanten Vater abzunabeln, und sie findet das Treiben ihrer Altergenossen auf der Insel viel interessanter als seine verschrobenen Urlaubspläne. Der Bibliothekar ist nämlich in Paris auf eine ominöse Karte gestoßen und will allen Ernstes nach einem Wikingerschatz suchen. Nun muss er schmollend mit seinem Metalldetektor allein die felsigen Stränden entlang stapfen. Das unverhoffte Zusammentreffen der vier ungleichen Charaktere zwingt alle Beteiligten, sich und ihre Standpunkte in Frage zu stellen, Gefühle zu erforschen und sich am Ende dieses Sommers als neue Menschen wieder zu finden. Nordisches Licht, idyllische Landschaft, sorglose Ferientage mit kleinen Widrigkeiten, sympathische Charaktere mit kleinen Macken – in ihrem Regiedebüt versetzt die 27-jährige Anna Novion, Tochter einer Schwedin und von Kameramann Pierre Novion, der bereits mit Godard drehte, uns in die Atmosphäre von Bullerbü, und das macht Spaß, auch wenn (oder gerade weil) wir alle so erwachsen sind.
Do, 20.8. - Mi, 26.8.

It Might Get Loud
Davis Guggenheim. USA 2008. 97 Min. OmU. Mit Jimmy Page, Jack White, The Edge
Der neue Film von Davis Guggenheim (Eine unbequeme Wahrheit) illustriert und kommentiert die Geschichte der elektrischen Gitarre und lässt dabei drei zentrale Rockgitarristen ausführlich zu Wort kommen: Jimmy Page, unter anderem Gitarrist bei The Yardbirds und Led Zeppelin, The Edge von U2 und Jack White von den White Stripes. Gedreht wurde dementsprechend in Dublin, Nashville London und Los Angeles. Die zwei Legenden und die moderne Stilikone drehen gemeinsam die Verstärker auf und sprechen über ihre musikalische Vergangenheit, über musikalische Vorbilder und natürlich über Geschichte und Bedeutung der E-Gitarre. Und wenn sie dabei auch nicht jedes Geheimnis ihres Sounddesigns enthüllen, so wird doch zumindest in Ansätzen deutlich, mit welchem – riesigen oder spartanischen – Aufwand die Tüftler den Klang ihres Instrumentes aufrüsten. So demonstriert Jack White auf dem heimischen Farm mit ein paar Nägeln, Draht und einer Spule, wie er sich einen puristischen Gitarrensound vorstellt. The Edge jagt sein Gitarrensignal durch zwei riesige Schränke mit Effektgeräten, bevor er es in die Box entlässt – und so wird aus einem gar nicht so komplizierten Riff schließlich eine knifflige Rockfigur. Jimmy Page, wie ein alternder Graf auf seinem britischen Landsitz, spielt Gitarre mit einer gigantischen Konstruktion zu seinen Füßen, auf der sich – man verzeihe dem Laien die ungenau Schätzung – bestimmt 2.000 Knöpfe und Schalter befinden, mit denen sich was auch immer optimieren lässt. Zwischen die Sequenzen, in denen die Musiker an Stätten ihres Werdeganges begleitet werden, montiert Guggenheim ein Treffen der drei, das in einer großen Studiohalle arrangiert wurde: Auf mehreren Podien sind Sitzgruppen und ihre Instrumente installiert, und während die Kameras sich unauffällig im Hintergrund halten, plaudern die Gitarreros, tauschen sich aus und spielen ein wenig zusammen. Drei Musikergenerationen, eine Leidenschaft. Vorsicht: Es könnte laut werden!
Do, 27.8. - Mi, 2.9.

Chéri
Stephen Frears. GB/D/F 2009. 100 Min. dt. Fs. Mit Michelle Pfeiffer, Rupert Friend
Paris, Anfang 1900. Die Belle Epoque neigt sich dem Ende zu. Eine Welt des schönen Scheins auf ihrem Höhepunkt, kurz bevor sie der Erste Weltkrieg endgültig begraben wird. Madame Peloux, einst eine berühmte Kurtisane, möchte, dass aus ihrem Sohn Chéri ein richtiger Mann wird. Deshalb schickt sie den attraktiven, aber verwöhnten Jungen zu ihrer ehemaligen Rivalin Léa de Lonval. Die aparte, geistreiche Frau hat eigentlich bereits ausgesorgt. Doch der junge Mann interessiert sie. Auch Chéri fasziniert die reife Frau. Zwischen beiden entbrennt eine leidenschaftliche Affäre. Und so entwickelt sich aus einer Liaison, die eigentlich nur wenige Wochen dauern sollte, eine sechs Jahre lange Beziehung. Irgendwann aber verlangt es Madame Peloux, diesem Provisorium ein Ende zu bereiten – sie arrangiert eine perfekte Ehe für ihren Sohn ... Mit seiner kongenialen Literaturverfilmung entwirft das 67jährige Aushängeschild des New British Cinema ein opulentes Sittengemälde und erweckt den Geist der Belle Epoque samt ihrer Verschwendung, ihrer üppigen Kostümpracht und ihrem Art-Déco-Zauber zum Leben. Chéri schwelgt im Jugendstil (und wer darauf achtet, erkennt den Londoner Crystal Palace wieder oder das Hôtel Mezzara von Hector Guimard, dem Erbauer der berühmten Pariser Metrostationen). Wie schon in Gefährliche Liebschaften (1988) entsendet Frears Michelle Pfeiffer in ein subtiles Geflecht von Intrigen und Ränkespielen, das sich unter der glänzenden Oberfläche eleganter Dialoge entspinnt. Und die 51jährige Michelle Pfeiffer nutzt den ihr gebotenen Part in diesem sinnlichen Feuerwerk um Liebe und Eifersucht für ein wahrhaft gelungenes Comeback. Souverän stellt sich die zierliche Kalifornierin mit dem ätherischen Blick, den gemeißelten Wangenknochen und dem geheimnisvollen Mona-Lisa-Lächeln in ihrer Rolle den Problemen des Älterwerdens. Vor allem die treffsicheren Wortgefechte zwischen ihr und Kathy Bates als Madame Peloux sind ein Genuss. Gleichzeitig versteht es die versierte Charakterdarstellerin, die verletzten Gefühle und die Unsicherheit, die sich hinter dem selbstbewussten und schlagfertigen Auftreten Leas verbergen, überzeugend spürbar zu machen. Der Nimbus der Leinwandikone ist ungebrochen.
Do, 27.8. - Di, 15.9.

Wunschfilm


Das Festmahl im August / Pranzo di ferragosto
Gianni Di Gregorio. I 2008. 75 Min. OmU. Mit Gianni Di Gregorio, Valeria De Franciscis, Marina Cacciotti, Maria Cali
Der 15. August, Maria Himmelfahrt, ist als „Ferragosto“ einer der wichtigsten italienischen Feiertage. Während halb Rom vor der Augusthitze ans Meer und aufs Land flüchtet, muss Gianni allerdings daheim bleiben. Der ältliche Junggeselle und Weinfreund ist nicht nur chronisch pleite, er wohnt zudem immer noch mit seiner Mutter zusammen, um die er sich hingebungsvoll kümmert. Da kommt das Angebot des Vermieters, ihm Mietschulden zu erlassen, wenn er über die Feiertage auch dessen Mutter aufnimmt, nur recht. Die allerdings hat gleich noch eine alte Dame im Schlepptau, und irgendwie nistet sich auch noch die Mutter seines Arztes bei ihm ein. „Der grundsympathische Gianni verkörpert den aufmerksamen Sohn einer italienischen Mamma perfekt. Hingebungsvoll bekocht und umsorgt er die „Golden Girls“. Ihre kleinen Macken erträgt er mit scheinbar stoischer Gelassenheit. Mehr und mehr blühen die alten Damen freilich in der improvisierten Alten-WG auf. Mit ihren Eigenheiten setzen sie dem armen Junggesellen langsam zu. Dabei entspinnen sich zwischen Fernsehzimmer und Küche rührend groteske Situationen. Schon allein den vier Laiendarstellerinnen bei ihren Auftritten zuzuschauen bereitet unsägliches Vergnügen. Mit seinem Debütfilm gelingt dem 59jährigen Gianni Gregorio ein charmantes, witziges kleines Kammerspiel, das sich mit einzigartiger melancholischer Leichtigkeit dem unspektakulären Alltag und realen Menschen widmet. „Unserer modernen Welt ist das Bewusstsein dafür abhanden gekommen“, so der gebürtige Römer und Co-Autor von Gomorrha, „dass abgesehen von Gefühlen nichts von wirklichem Wert ist.“ Seine bittersüße preisgekrönte Alterskomödie avancierte beim italienischen Publikum bereits zum Lieblingsfilm der Saison.“ (programmkino.de)
Do, 20.8. - Mi, 26.8.