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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Intimes Ballett zwischen Schallplatten

Bernd Fiedler dreht „Diese Frau von vorhin“ mit Uschi Glas, Thomas Reisinger und Ina Paule Klink


Keine Kamerastative, kein Scheinwerferwald, keine Entourage von drei Dutzend, die am Set wirbeln: Nach einem Filmdreh für eine 90-Minuten-Produktion sieht es an der Hotelbar am Schönberger Strand, direkt hinter dem Deich, nicht aus. Soll es auch nicht, denn ein Team von nur sieben Leuten und drei Schauspielern, eine leicht bewegliche Handkamera, nur wenig künstliche Beleuchtung, kurzum: eine intime Kammerspielatmosphäre, gehören zu seinem Konzept „Drehbank“, nach dem der Filmemacher Bernd Fiedler nun schon seine dritte Produktion „Diese Frau von vorhin“ in nur zehn Drehtagen auf das digitale HDV-Zelluloid bannt. Mit einem Budget, das nur etwa ein Sechstel so groß ist wie das üblicher TV- und Kino-Produktionen diesen Formats, die Fiedler aus jahrzehntelanger Erfahrung als Kameramann kennt.

Fiedler, wie bei „Kein Kinderspiel“ und „Still-Leben“ auch hier Drehbuchautor, Regisseur, Kameramann und Produzent in Personalunion, kommt es weniger auf filmische Effekthascherei und „großes Kino“ an als auf das intime Erzählen von Geschichten. Dafür braucht er Schauspieler, „die das können“, und hat sie mit Uschi Glas, Thomas Reisinger und Ina Paule Klink gefunden. In Szene 27 kommen sich an der Bar Harald (40), Händler antiquarischer Schallplatten, und Sandra (60), Ex-Frau eines jüngst verstorbenen Grammophon-Junkies, dessen Sammlung sie jetzt an den Mann bringen will, der vielleicht ihr zukünftiger sein könnte, näher. Dafür bedarf es feinster Zwischentöne, die ein großer Apparat nur stören würde. „In dem Film geht es um Nähe versus Distanz, konservierte Zeit in den Schallplatten versus gelebten Moment“, weiß Reisinger. „Atmosphären spielen die Hauptrolle.“ „Glück ist, dass es vergeht“, nennt Fiedler die Quintessenz des Films und bereitet Glas und Reisinger mit wenigen Regieanweisungen auf die Szene vor: „Das ist das letzte retardierende Moment. Denkt daran, was danach passiert!“

Kameramann (und Autor, Regisseur und Produzent) Bernd Fiedler (r.) und Tonmann Torsten Pinne beim Dreh (Foto: hsch)
Dass der „noch rumeiernde“ Mann und die Frau „mit Erfahrung“ in Szene 29 im Bett landen, soll sich hier allenfalls andeuten. Auch, dass das die Kratzer auf den Schallplatten ihrer Leben nur vertiefen wird. „Das ist das Geheimnis der Anziehung zwischen Mann und Frau, das mir ein wunderbares Rätsel ist“, erläutert Fiedler als Autor, bevor er wieder in die Rolle des Kameramanns schlüpft. „Das Fiedler-Ballett mit der bewegten Kamera“ nennt es Produktionsleiter Helmut Schulzeck. Fiedler dreht lange Einstellungen aus der Hand, unterstützt von seiner Erfindung „Steady Grip“, einer Art Hand-Stativ, das ebenso freie wie stabile Bewegungen der Kamera ermöglicht.

Er will den Figuren und sich Raum und Zeit lassen, den Moment zwischen noch Distanz und schon gewagter Nähe zu entfalten. „Hier ist ein viel intimeres Spiel als auf dem Theater möglich“, sagt Wiener Schauspieler Reisinger und lobt den Tonmann Torsten Pinne, der „die untergründigsten Timbres der Stimmen herausholt“. Zu hören, als der Plattenhändler am Handy einen Kunden akquiriert und auf Sandras Nachfrage, ob denn ein guter Deal anstehe, antwortet: „So weit sind wir noch nicht.“ Sandra: „Klingt ziemlich intim – ’soweit sind wir noch nicht’.“

Zwischen Nähe und Distanz: Uschi Glas und Thomas Reisinger in „Die Frau von vorhin“ (Still-Foto: hsch)
Da hört und sieht man es knistern im Ballett zwischen den beiden. Fiedler, übrigens selbst leidenschaftlicher Schallplattensammler, dreht das jetzt nochmal im Gegenschuss. „Ich belichte stimmungsvoll – so wie ihr sprecht.“ In nur drei Takes aus unterschiedlichen Perspektiven ist die Szene im Kasten. Ein Pas de deux a trois auf engstem emotionalen Raum – wie in einer tief schürfenden Schallplattenrille. (jm)

„Diese Frau von vorhin“ (AT), D, der Film ist in der Postproduktion; ca. 90 Min., HDV. Buch, Regie, Kamera, Produktion (Drehbank): Bernd Fiedler, Ton: Torsten Pinne, Maske: Juliane Bauer, Birgit Adler, Regie-Assistenz: Marianne Böhme, Produktionsleitung: Helmut Schulzeck. Darsteller: Uschi Glas, Thomas Reisinger, Ina Paule Klink, Carla Becker.