Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im Oktober:

Christoph Schlingensief – 1960 - 2010


Anlässlich des Todes des am 21. August 2010 gestorbenen Film-, Theater- und Opernregisseurs Christoph Schlingensief zeigt das Kommunale Kino Kiel den Spielfilm Freakstars 3000 und frühe Kurzfilme:

Freakstars 3000
Christoph Schlingensief. D 2003. 80 Min. Mit Irm Hermann
Schlingensiefs Filme sind immer ein persönlicher Kommentar auf die Zeit ihrer Entstehung. Er konserviert diese Zeit, nimmt sie unmittelbar auf. Schlingensiefs Filme leben von ihrer Unmittelbarkeit, ihrem Hang zur Anarchie und Spontaneität und oft auch von einer verstörenden Aggressivität. Sie nehmen das Theaterhafte seiner späteren Theaterproduktion vorweg, bleiben dabei aber auch immer Zeitdokumente. So auch bei Freakstars 3000: Im April 2002 als TV-Projekt gestartet, in dem körperlich- und geistig- behinderte Menschen für eine Free-Jazz-Band gecastet werden, entwickelte Schlingensief ein Jahr darauf das gefilmte Material zu einem Spielfilm und gab damit einen bissigen Kommentar auf die damalige deutsche Medienlandschaft ab. Egal ob die damals (wie heute) erfolgreichen Castingshows, Shopping-Sendungen oder Polit-Talk-Shows – Schlingensief nimmt sie alle ins Visier. Shopping-Sendungen für Brot, ein alkoholkranker Elvis im Rollstuhl oder ein Contergan-geschädigter Friedman mit einem mehr als trotzigen NPD-Vorsitzendem als Gast entlarven die Idiotie der deutschen Fernsehlandschaft. Ein Film, der auch sieben Jahre nach seiner Entstehung nichts an Brisanz verloren hat. – Im Vorprogramm zeigen wir eine Auswahl früher Kurzfilme Schlingensiefs.
Fr 1.

Claude Chabrol – 1930 - 2010


Am 12. September verstarb mit Claude Chabrol einer der Gründungsväter der Nouvelle Vague und damit eine der Zentralfiguren des Europäischen Kinos. Wir erinnern an den charmanten Altmeister, der so gerne den Blick in die gesellschaftlichen Abgünde hinter den bürgerlichen Fassaden lenkte, mit einem seiner Klassiker und einer Kurzfilmüberraschung:

Die Fantome des Hutmachers
Claude Chabrol. Fr 1982. 120 Min. Mit Michel Serrault, Charles Aznavour
Der angesehene Hutmacher Labbé ist ein unauffälliger Mann, der scheinbar ein wohlbehütetes, gutbürgerliches Leben in einer französischen Kleinstadt führt. In Wahrheit jedoch geht er als grausamer Mörder um, der bereits sechs junge Frauen meuchelte. Als der Flickenschneider Kachoudas hinter Labbés Geheimnis kommt, muss Labbé handeln…
Do 7.

neu in Kiel



Enter the Void
Gaspar Noé. F/I/D 2009. 154 Min. Mit Paz de la Huerta, Cyril Roy, Masato Tanno
Vor sieben Jahren machte Gaspar Noé mit seinem Film Irreversible auf sich aufmerksam – einer rückwärts erzählten Tour de Force durch das nächtliche Paris, die vor allem wegen ihrer unerträglich grausamen Vergewaltigungs- und Tötungssequenzen die Besucher (so sie sich denn überhaupt einfanden) vor den Kopf stieß. Nun meldet sich Noé mit seinem neuesten Langfilm zurück; abermals ein Film über die verborgenen Seiten des Nachtlebens, abermals in langen Plansequenzen erzählt, abermals schon von Seiten des Verleihs mit dem Warnhinweis auf explizite Gewalt- und Sexdarstellungen versehen. – In der ersten halben Stunde nimmt der Film die Ich-Perspektive ein, vergleichbar der eines Ego-Shooters. Wir sehen die Welt durch die Augen des jungen Oscars, der durch das Tokioter Nachtleben streift, ab und an mit Pillen und Koks dealt und schließlich in der Szene-Bar „Void“ erschossen wird. Das ist der Moment, in dem die Kamera sinnbildlich für Oscars Seele dessen Körper verlässt. Es folgt ein episodischer Reigen, der davon erzählt, wie Oscars Freunde und Bekannte auf die Nachricht von seinem Tod reagieren. – Noé liebt die Provokation, und so dürfen recht eindeutige Sex- und Gewaltszenen auch hier nicht fehlen – was manchen Kritiker eher amüsiert denn verstört. Einig sind sich die meisten Urteile aber darin, dem Film Eigenständigkeit und ästhetische Kompromisslosigkeit zu bescheinigen. Noé wagt hier ein Love-it-or-Leave-it-Experiment, dem jederzeit ein Scheitern innewohnt.
Fr 8. - Mi 13.

Milarepa
Neten Chokling. Bhutan 2006. 90 Min. OmU. Mit Jamyang Lodro
Tibet, 11. Jahrhundert. Am Berg Tisi wird der kleine Thöpaga in eine wohlhabende Händlerfamilie hineingeboren. Doch als Thöpagas Vater sehr früh stirbt, geraten er und seine Mutter in die Hände eines bösen Onkels und dessen Frau. Die haben bald das Erbe aufgezehrt. Als Thöpaga endlich erwachsen ist, sinnt seine Mutter auf Rache und schickt ihn in die Fremde, damit er das Handwerk der schwarzen Magie erlerne. Thöpaga geht in die Lehre bei einem mächtigen Zaubermeister bis zu jenem Tag, an dem er furchtbar Rache nehmen wird… Neten Chokling, selbst übrigens als Reinkarnation eines tibetischen Meisters erkannter Lama, bedient in seiner Verfilmung einer tibetanischen Legende andere Tonarten als jene Filme, die üblicherweise hierzulande in die Arthouse-Kinos gelangen, wenn es um Buddhismus und Tibet geht. Ungewohnt mögen die Spannungsdramaturgie und die Rachegeschichte als solche sein. Aber natürlich kommen auch all die Zuschauer auf ihre Kosten, die sich von der gewaltigen Naturkulisse und der metaphysischen Präsenz der buddhistischen Charaktere gefangen nehmen lassen wollen.
Do 7. - Mi 13.

Zwischen uns das Paradies
J. Zbanic. Bosn. und Herzeg./A/D/Kroat. 2010. 100 Min. OmU. Mit Zrinka Cvitesic
Der neue Spielfilm Jasmila Zbanics, vor drei Jahren Gewinnerin des Goldenen Bären für Grbavica – Esmas Geheimnis. – Als dem Fluglotsen Amar gekündigt wird und er in eine ausgewachsene Lebenskrise abstürzt, muss seine Frau Luna mit ansehen, wie sich Amar unter dem Einfluss einer fundamentalistischen Wahabitengruppe zu verändern beginnt…Das zuweilen etwas Lehrbuchhafte des Films wird durch die starken schauspielerischen Leistungen und die Brisanz und Aktualität seines Themas mehr als aufgefangen. Ein Liebesdrama mit politischem Subtext, das nicht zu verpassen ist.
Do 23.9. - Di 5.10.

Die Entbehrlichen
Andreas Arnstedt. D 2009. 95 Min. Mit Abdré Hennicke, Ingeborg Westphal
Ein Junge tagelang allein in der Wohnung, mit dem toten Vater – wie konnte es so weit kommen? Jakobs Familienverhältnisse sind, wie man heute so schön sagt, prekär. In Rückblenden sehen wir die Alkoholsucht der Mutter, die materielle Not, die dramatische Situation der Familie am Abgrund. Die kunstvolle Erzählweise befördert natürlich die Spannung, dient aber vor allem einem inhaltlichen Zweck: Wer nur auf das Ergebnis, den Endpunkt dieser Tragödie schaut, wird lediglich seine Vorurteile bestätigt sehen. Wer aber den Prozess ins Auge fasst, der sich davor abspielte, erhält ein anderes Bild. Nämlich das von Menschen, die sich mit bemerkenswerter Kraft dem Abgrund widersetzen, in den sie am Ende eher zufällig als zwangsläufig stürzen.
Do 30.9. - Mi 6.10.

Pianomania – Auf der Suche nach dem perfekten Klang
L. Franck, R. Cibis. D/A 2009. 94 Min. Mit Stefan Knüpfer, Lang Lang u.a.
Im Mittelpunkt dieses Dokumentarfilms steht das Streben des Pianisten Pierre-Laurent Aimard, eine Aufnahme „für die Ewigkeit“ vorzubereiten und einzuspielen – eine Herausforderung für den Cheftechniker und Klavierstimmer der Flügelmanufaktur Steinway & Sons in Wien Stefan Knüpfer. Nicht nur die Künstler und der Klavierstimmer streben nach Perfektion, auch die Regisseure Lilian Franck und Robert Cibis haben keine Mühen gescheut, ein außerordentliches Kinoerlebnis zu produzieren. Auf bis zu 90 Audiospuren haben sie die Klangeindrücke festgehalten und verweben ihre Aufnahmen mit Eindrücken aus dem alten Wien und Bildern aus Konzertsälen in aller Welt. Ein Genuß.
So 3. - Do 14.

mit Deutsch-Indischer Gesellschaft – mit Einführung und Gespräch


Todas – Am Rande des Paradieses
Clemens Kuby. D 1996. 95 Min.
Die Todas sind ein besonderer Stamm in Südindien von nur 1.000 Menschen, die noch nie einen Krieg erlebt haben. Sie arbeiten nicht, sie betreiben weder Ackerbau noch Handel oder Handwerk. Sie essen kein Fleisch; sie leben von dem, was sie im Wald finden, und von der Milch wilder Büffel, die sie wie ihresgleichen verehren – nicht jagen und nicht töten. Sie haben eine einzigartige Sprache, aber keine Schrift. Sie glauben nicht an Götter, aber leben in geistiger Verbindung zu ihren Ahnen und zu besonderen Steinen, Blumen, Bergen, Seen, die sie als lebendige Wesen erfahren. Die wunderschönen Frauen leben z.T. in Vielmännerei. Ihre Familie ist der Klan. Die Männer wollen dominieren, aber die Frauen sind stärker. Eine Hierarchie mit einem Oberhaupt kennen sie nicht. Der Film zeigt noch die heitere und glückliche Welt der Todas. Aber die Zivilisation bedroht ihr Paradies – von innen wie von außen. Ein ergreifender, ungewöhnlicher Film.
So 3.

Psychoanalyse und Film – mit dem John-Rittmeister-Institut


Stilles Chaos
Antonello Grimaldi. Italien 2008. 112 Min. Mit Nanni Moretti, Blu Yoshimi
Nachdem Pay-TV-Manager Pietro eine Frau am Strand vor dem Ertrinken rettet, findet er am Abend seine Frau tot im Garten des eigenen Ferienhauses, gestorbenen aus heiterem Himmel. Pietro ist geschockt. Jetzt hat er nur noch seine Tochter, um die er sich jetzt ganz alleine kümmern muss. Und dies tut er auch. Jeden Tag bringt er sie zur Schule und geht erst wenn der Schultag seiner Tochter zu Ende ist, aus Furcht seine Tochter könne nach dem Tod der Mutter nicht wieder am normalen Schulalltag teilnehmen. Doch er kommt nicht zur Ruhe. Jeder will etwas von ihm, jeder will sich bei ihm sein Herz ausschütten. Seine von Fusionsintrigen gebeutelten Kollegen, die von Liebeskummer geplagte Schwester der Verstorbenen und sein Bruder zerren mit ihren Sorgen und Problemen an seinen Nerven. Auf einer Parkbank in der Nähe der Schule seiner Tochter wartend erhofft er sich nun endlich, zu sich selbst zu finden. Ein Vorhaben, das nur langsam voranschreitet. Nur in kleinen Schritten lernt er langsam, mit dem Tod seiner Frau umzugehen. Nach und nach macht Pietro erste Bekanntschaften, spielt mit einem behinderten Jungen, isst im Parkcafé zu Mittag, lernt die Lehrerin seiner Tochter kennen, bekommt Besuch von Freunden und Verwandten und klärt mit seiner Sekretärin geschäftliche Angelegenheiten unter freiem Himmel. Er bekommt dabei moralische Aufbauhilfe von zwei Seiten, die der Arbeitskollegen und die der Familienmitglieder. Beide Seiten haben keine Berührungsängste mit dem Thema Tod und versuchen Pietro bestmöglich zurück ins normale Leben zu holen. Und am Ende sind es beide Seiten, die Pietro braucht, um die Trauer um den Tod seiner Frau zu überwinden und endlich zurück ins normale Leben zu finden. – Anschließend Gespräch mit Dipl.Psych. H.-P. Gilde.
Do 4.

mit Frauennotruf, Lerche und Mädchenhaus


Die Fremde
Feo Aldag. D 2010. 119 Min. Mit Sibel Kekilli, Settar Tanriögen, Derya Alabora
Die junge Umay, Tochter einer türkischen Familie in Deutschland, hat immer versucht, alles richtig zu machen: Sie hat den Mann geheiratet, den ihr Vater für sie ausgesucht hat, sie lebt jetzt bei dessen Familie in einer staubigen Hochhaussiedlung vor Istanbul und kümmert sich rührend um ihren gemeinsamen Sohn Cem. Doch als ihr Mann Cem verprügelt und sie vergewaltigt, entflieht sie und sucht Rettung bei ihren Eltern in Berlin. Die Wiedersehensfreude ist groß, das Mitgefühl auch – doch das „Ehrgefühl“ ist stärker. Als Umay sich dem Willen erst des Vaters, später auch dem der Brüder widersetzt, zu dem angeheirateten Schläger zurückzukehren, um die Familienehre wieder herzustellen, und als sie sich dann auch noch in einen deutschen Mann verliebt, setzt sich auf Seiten ihrer männlichen Verwandten eine fatale Sanktionskette in Gang... Feo Aldags Film zum Thema Ehrenmord erregte zu seinem Bundesstart viel Aufsehen – nicht zuletzt wegen der klugen Besetzung der Hauptrolle mit Sibel Kekilli, die bereits in Fatih Akins Gegen die Wand eine gegen grausame Zwänge aufbegehrende Frau verkörperte. – Anschließend Gespräch.
Mi 6.

mit der Rosa-Luxemburg Stiftung


Football Under Cover
David Assmann, Ajat Najafi. D 2008. 86 Min. OmU
Auch im Iran gibt es Frauenfußball. Nicht ohne Schwierigkeiten und unter strengen Auflagen trainieren, spielen und schauen Frauen auch dort Fußball. Der Dokumentarfilm schildert die Reise einer Berliner Frauenfußballmannschaft nach Teheran, die dort gegen die lokale Nationalmannschaft antreten will. Football Under Cover zeigt die Repressionen, die Anfeindungen und die Willkür, denen die Sportlerinnen beider Teams ausgesetzt sind, ebenso wie das Selbstbewusstsein und die Lebensfreude der Spielerinnen. Als Marlene, die Linksverteidigerin eines Berliner Amateurvereins davon hört, dass es zwar eine iranische Fußballnationalmannschaft der Frauen gibt, es dieser jedoch an gegnerischen Teams fehlt, beschließt sie mit ihrer Mannschaft nach Teheran zu reisen, um dort ein Freundschaftsspiel auszutragen.
Do 7.

NS-Propagandafilme


Der große König
Veit Harlan. D 1942. 118 Min. Otto Gebühr, Kristina Söderbaum, Paul Wegener
Diese 1942er Manifestation des Fidericus-Rex-Genres um die historische Figur des Preußenkönigs Friedrich des Großen ist ein Durchhaltefilm der Kriegsjahre, in dem Führerkult, Opferbereitschaft und der Auftrag, „das Gesicht Europas zu verändern“, propagiert werden. Inszeniert wurde die historische Allegorie von Jud Süß-Regisseur Veit Harlan, der längst zum favorisierten Regisseur Goebbels’ avanciert war. – Nachdem die preußische Armee in der Schlacht bei Kunersdorf 1759 vernichtend geschlagen wurde, drängen die Berater des geretteten Friedrich (wie immer: Otto Gebühr) auf die Kapitulation. Der König jedoch ist vom Willen zum Sieg beseelt. Durch den Einsatz des Feldwebels Treskow gelingt schließlich das Unmögliche: In einer entscheidenden Schlacht besiegen die Preußen die österreichische Armee vor Torgau. Treskow stirbt in den Armen seines Führers. – Einführung: Christian Vittrup, Institut für Neuere deutsche Literatur und Medien.
So 10.

Heimkehr
Gustav Ucicky. D 1941. 96 Min. Mit Paula Wessely, Attila Hörbiger, Carl Raddatz
Im Jahr 1939 sieht sich die deutsche Minderheit in Wolhynien, einer Region im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet, unmenschlichen Drangsalierungen ausgesetzt: die Schule wird geschlossen und demoliert, das Krankenhaus unterversorgt, die Menschen werden schikaniert, wenn sie nicht bei einer der vielen Gewalteskalationen tot geprügelt werden. Die Ereignisse überschlagen sich, als eine Gruppe Deutscher sich heimlich versammelt, um eine Hitler-Rede im Radio zu hören und dabei verhaftet wird... Ucickys infames Machwerk entstand auf Goebbels persönliche Anweisung; es sollte der aggressiven Angriffs- und Umsiedlungspolitk den Boden bereiten und wurde entsprechend aufwändig gestaltet und vermarktet. Der Publikumszuspruch blieb jedoch hinter den erhofften Zahlen zurück. Gleichwohl urteilte Goebbels, die Kerkerszene mit Paula Wessely sei „das Beste, was je im Film gedreht worden ist.“ – Einführung: Prof. Dr. Marianne Wünsch, Institut für Neuere deutsche Literatur und Medien.
So 3.

Hitlerjunge Quex
Hans Steinhoff. D 1933. 90 Min. Mit Heinrich George, Herrmann Speelmans
Der Berliner Beusselkiez, kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. In ihren bescheidenen Wohnungen dämmern die Menschen in Armut und Perspektivlosigkeit vor sich hin, auf den Straßen und Plätzen liefern sich Kommunisten und Nazis Schlachten um die Gunst der Bevölkerung. Vor allem die Jugend will man erreichen. So umwerben Linke wie Rechte auch den jungen, etwas naiven Heini Völker; wie sein Vater soll Heini Kommunist werden. Doch auf deren Wochenendfahrt an den Wannsee erlebt Heini bloß Chaos, rauschhafte Exzesse und Verantwortungslosigkeit. Wie anders geht es doch bei der HJ zu, die gleich nebenan ihr Zeltlager aufgeschlagen hat… Zweifelsohne zählt Hitlerjunge Quex zu den eindringlichsten und emotionalsten Propagandafilmen der Nazis. Pathos und Neue Sachlichkeit, Klischee und Differenzierung halten sich geschickt die Waage. Die eingängige Marschmusik tut auch heute noch gegen den Willen des Zuschauers ihre Wirkung. Billy Wilder urteilte: „Ein Mann ohne jedes Talent. Er war ein Nazi, ein hundertprozentiger sogar. Aber es gab auch viele Nazis, die Talent hatten. Ich würde nie sagen, daß die Leni Riefenstahl kein Talent hatte... Aber ich sage über Steinhoff, daß er ein Idiot war, aber nicht weil er Nazi war, er war auch ein sehr schlechter Regisseur.“ – Einführung: Dr. Eckhard Pabst, Kommunales Kino.
Di 12.

mit Deutsch-Kurdischen Gesellschaft e.V. und Kurdistansolidarität SH


Gefängnis Nr. 5: 1980-1984 / Zîndana Nr. 5 an: 1980-1984
Cayan Demirel. Türkei 2009. 100 Min. Türkisch mit deutschen Untertiteln.
Generalstabschef Kenan Evren, der den Militärputsch am 12. September 1980 in der Türkei anführte, und Sakine Cansiz vom Führungskader der PKK erzählen in diesem Dokumentarfilm über diese Zeit. Während Evren über die Eröffnung des berüchtigten Gefängnisses in Diyarbakir berichtet, bringt Cansiz die dort erlittene Folter zur Sprache. Ebenfalls zu Wort kommen die Zeitzeugen Ahmet Türk, der kürzlich als Vorsitzender der mittlerweile verbotenen DTP mit einem politischen Betätigungsverbot belegt wurde, sowie Tarik Ziya Ekinci, Feridun Yazar und andere.
Do 14.

weiterhin


Women Without Men
Shirin Neshat. D/Ö/F 2009. 95 Min. OmU. Mit Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad
Teheran 1953. Unter der Regierung des ersten demokratisch gewählten Premierministers Irans Mohammed Mossadegh sollen die iranischen Ölfelder verstaatlicht werden. Als Folge dessen kommt es mit amerikanischer und britischer Hilfe zum Militärputsch. Mossadegh wird gestürzt und die Diktatur des Schahs wieder eingesetzt. Vor diesem politischen Hintergrund spielt der erste Spielfilm der iranischen Video-Künstlerin Shirin Neshat. Ein politischer Film, der sich vor allem mit der gesellschaftlichen Situation der Frau im Iran beschäftigt, die auch unter dem demokratisch gewählten Mossadegh eine untergeordnete Rolle spielt. Es wird die Geschichte erzählt von vier Frauen unterschiedlichen Alters, aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten und mit unterschiedlichen politischen Ansichten: Die feinfühlige Fakhri, die junge Prostituierte Zarin, die politische Aktivistin Munis und deren Freundin Faezeh. Vier unterdrückte Frauen, deren Wege sich außerhalb Teherans in einem verwunschenen Garten treffen, wo sie in einem verborgenen Landhaus endlich das finden was sie solange gesucht haben: Glück und Freiheit. Eine Geschichte über Unterdrückung und dem Weg daraus. Der Film gewann in Cannes den Silbernen Löwen für die beste Regie.
Mo 25. - Mi 27.

KoKi Underground


Rammbock
Marvin Kren. D 2010. 60 Min. Mit Michael Fuith, Theo Trebs, Anka Graczyk
„Ähem… Rasend schnell breitet sich ein Virus aus, das die Menschen in blutrünstige Monster verwandelt. Während die Städte in Chaos versinken, verschanzen sich die Überlebenden in unterschiedlichsten Rückzugsorten. Unter ihnen sind auch der fünfzehnjährige Harper und Michael, der in Berlin seine Ex-Freundin Gabi besuchen wollte. Während der Mensch dem Menschen zum Wolf wird, überlegt Michael, wie und wo er inmitten der Anarchie auf den blutgetränkten Straßen der Hauptstadt nach seiner großen Liebe suchen soll…“ Soviel zu den Eckpunkten der Handlung. Zugegeben, eine derartige Inhaltsangabe kann man sich in diesem Fall sparen. Rammbock ist ein Zombiefilm, der sich klar innerhalb konventionalisierter Muster bewegt. Hier geht es weniger um Originalität als um die Befriedigung von Genreerwartungen und das Umschiffen der peinlichen Fallstricke, die Kreuz und Quer durch so manche moderne Genrevertreter gespannt sind. Genau hier punktet der Film: Er ist nicht über Gebühr lustig, er ist nicht ausgestellt selbstreflexiv, er ist zupass düster, spannend und angenehm unangenehm, (Splatter-) Effekte, Make-Up und Production Design sind vorbildlich. Es gibt eigentlich nur ein wirkliches Manko: Der Film ist zu kurz. Daher können sich KoKi Underground-Besucher zum Saisonstart auf kleine Überraschungen im Vorprogramm einstellen. Grrrrr… Ächz… Stöhn… Da sind wir wieder.
Do 28.


Die Erde von oben


Die Reihe „Die Erde von oben“ beinhaltet acht grandiose Naturfilme von Yann Arthus-Bertrand, dem weltweit beachteten Schöpfer faszinierender Fotoausstellungen, Bildbände und der aufrüttelnden Öko-Dokumentation Home (die auch schon im KoKi zu sehen war). Seine Arbeiten feiern bildgewaltig die Schönheit der Erde und warnen vor achtlosem Umgang mit ihren Ressourcen. Die neuen Filme (ca. 90 Min.) beleuchten jeweils ein Schwerpunktthema:
So 3.10. / 13:00 / Artenvielfalt
So 10.10. / 13:00 / Erde und Ressourcen
So 17.10. / 13.00 / Wasser
So 24.10. / 13:00 / Seen und Ozeane
Die Reihe wird in den kommenden Monaten fortgesetzt. Mehr: www.diepumpe.de.

Rosa Linse – mit HAKI e.V.: Das 5. LesbischSchwule Filmwochenende


Die langjährige Zusammenarbeit von HAKI e.V. und KoKi Kiel gipfelt alljährlich in diesem fröhlichen, kommunikativen und machmal auch belebend kontroversen Wochenende mit aktuellen Filmen zu queeren Themen. Zur Eröffnung (Fr 29. / 21.00) begrüßen wir wieder Gäste aus dem Team der Lesbisch Schwulen Filmtage HH (19. - 24. 10.), die ihre Kurzfilmfavoriten aus dem diesjährigen Programm vorführen. Anschließend geselliges Beisammensein mit Häppchen, Sekt oder Selters und vielen lieben Filmfans. Im sehenswerten Familienfilm Die wilden Hühner und die Liebe (Sa 30. 10. / 16.00) stellt die Mädchenbande fest, dass nicht jede nur Jungs gut findet. Hannah Free (Sa 30. 10. / 18.30) beschreibt in einem großen Panorama die Lebens- und Liebesgeschichte zweier Frauen im stockkonservativen Mittleren Westen der USA. Im Debutfilm femme*femme*femme von Anton Binnig (Sa 30. 10. / 20.30) lässt Filmemacher Anton Binnig drei ausdrucksstarke Frauen über ihre Erfahrungen und sehr individuellen Konzepte von Femme-Sein berichten. Gleich zwei Filme kreisen um das Thema Kinderwunsch: In der Komödie Spinnin‘ (Sa 30. / 22.30) stürzt ein schwules Pärchen halb Madrid in einen Strudel aus Liebeserklärungen, Trennungen und Versöhnungen, in Das Babyprojekt (So 31. / 18.30) sieht Jenla ihre hilfsbereite Kollegin in neuem Licht. Ein Film zum Frühstück? Nach Stärkung gehts turbulent zu bei And Then Came Lola (So 31. / 10.00). Ein hochaktuelles Gesellschaftsporträt liefert Le Fil (So 31. / 20.30), der erste tunesische Film, der Homosexualität offen darstellt: Der attraktive Jungarchitekt Marlik kehrt in seine islamische Heimat zurück. Mehr unter www.diepumpe.de.

HIGHLIGHTS von den 21. Lesbisch Schwulen Filmtagen Hamburg

Kurzfilmprogramm. Vom 19. bis 24. Oktober finden die „21. Lesbisch Schwulen Filmtage HH – International Queer Film Festival” statt. In bewährter Tradition machen sich Mitglieder des Festivalsteams auf die Reise und präsentieren charmant wie immer eine Auswahl ihrer Lieblingsfilme. Im Anschluss bitten wir zu geselligem Beisammensein mit Häppchen, Sekt oder Selters und vielen lieben Filmfans.

DIE WILDEN HÃœHNER UND DIE LIEBE
Vivian Naefe. D 2006/2007. 108 Min. Mit Michelle von Treuberg, Lucie Hollmann, Paula Reimann u.v.a. Altersfreigabe: ab 0 Jahre
An dieser Stelle erstmals ein Familienfilm beim LSF in Kiel! Gezeigt wird ein Film über eine Mädchenbande, über Freundschaft und die erste Liebe, bei der nicht für jedes der Mädchen unbedingt ein Junge in Betracht kommt...

DAS BABYPROJEKT
Aleksi Salmenperä. Finnl. 2004. 96 Min. Finnisch mit dt. Untertiteln. Mit Minna Haapkylä, Kari-Pekka Toivonen, Minttu Mustakallio, Tommi Eronen, Pekka Strang
Venla wünscht sich aus tiefstem Herzen ein Kind. Als sie entdeckt, dass ihr Freund Antero sie diesbezüglich jahrelang mit Tricks und Ausreden hingehalten hat, scheint Venlas Leben im ersten Moment ein Trümmerhaufen.
Aber warum sollte eine erwachsene Frau die Dinge nicht einfach selbst in die Hand nehmen. Ihre Kollegin Satu entpuppt sich dabei schnell als unverzichtbare Hilfe, und in den folgenden, romantischen Turbulenzen schlittern die Beiden in einem atemberaubenden Tempo von der Freundschaft in eine heiße Liebesaffäre, entgehen knapp einer Anzeige für Samenraub, meistern bravourös lästige Begegnungen mit der Männerwelt, einschließlich einer hochnotpeinlichen sexuellen Attacke vom Chef…und landen schließlich bei der ganz ernsthaften Frage nach der wahren Liebe. Mit Biss, Charme und Witz eroberte der Film u. a. den Publikumspreis beim verzaubert Filmfestival.

Frühstückskino
AND THEN CAME LOLA
Ellen Seidler, Megan Siler. USA 2009. 68 Min. Mit Ashleigh Sumner, Jill Bennett, Cathy DeBuono
„Sex ist Kommunikation – und ich liebe es, zu kommunizieren!“ Das ist Lola, wie sie leibt und lebt. Mit Verabredungen um eine bestimmte Uhrzeit kann man sie jagen. Kein Wunder, dass ihre Affären anfangs immer brandheiß, in der Mitte weniger angenehm und am Ende überhaupt nicht mehr sind. Seit neuestem hat nun Lola die bildschöne und kluge Casey an der Angel. Dieses eine Mal soll es mit der Liebe bitte klappen! Als die Grafikdesignerin sie anfleht, ihr für eine wichtige Präsentation Fotos vorbeizubringen (und zwar rechtzeitig!), legt sich Lola ins Zeug ... und rennt! Wenn die Straßen von San Francisco bloß nicht so voller sexy Dykes, missmutiger Politessen und nachtragender Ex-Geliebter wären! Wird es Lola gelingen, Casey ihrer verwegenen italienischen Auftraggeberin zu entreißen? Kann man rasanter in den Sonntag starten als mit diesem urban-dynamischen Kult-Hit mit hippem Sound, hinreißenden Comic-Strips, peinlichen Paartherapie-Enthüllungen und viel Sex-Appeal, zu dem die HAKI auch noch ein leckeres Früchstücksbuffet kredenzt?

HANNAH FREE
Wendy Jo Carlton. USA 2009. 86 Min. Englisch mit deutschen Untertiteln. Mit Sharon Gless, Maureen Gallagher, Kelli Strickland, Ann Hagemann
Hannah und Rachel wachsen in einer kleinen Stadt im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten auf, wo die traditionellen Erwartungen an die Geschlechterrollen ein kaum überwindbares Hindernis für ihre große Liebe bilden. Hannah wächst zu einer abenteuerlustigen und kompromisslosen Lesbe heran, Rachel wird eine starke, ruhige Hausfrau. Mit Zeitsprüngen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt der Film, wie die beiden Frauen ihre Liebe zueinander trotz Heirat, Weltkrieg, Untreue und Verleugnung durch die Familie finden. - Die ältere Hannah wird von Emmy und Golden Globe Gewinnerin Sharon Gless gespielt, die aus den TV-Serien Burn Notice, Cagney & Lacey und Queer as Folk bekannt ist. Wendy Jo Carlton ist Filmemacherin, Autorin und Fotografin mit Erfahrung in Rundfunk, Lehre und Aktivismus. Mit Kurz- und Experimentalfilmen gewann sie eine Reihe von Auszeichnungen. 2006 war Carlton Co-Produzentin der offiziellen Chicago Gay Games Dokumentation. (Drehbuchautorin Claudia Allen über Hannah Free: Es gibt nur wenige Stücke über ältere Lesben und wenige Stücke handeln von ihrer außerordentlichen Verletzbarkeit in einem System, das unsere Rechte nicht anerkennt. Ich wollte mich mit diesen Fragen auseinandersetzen aber auch eine Liebesgeschichte über zwei Frauen schreiben, die einander Jahrzehnte lang lieben und das trotz einiger Fehler und mehr als nur einiger Unterschiede.)

LE FIL – DIE SPUR UNSERER SEHNSUCHT
Mehdi Ben Attia. F/B/Tun 2010. 93 Min. Französisch mit deutschen Untertiteln. Mit Claudia Cardinale, Salim Kechiouche, Antonin Stahly
Kurz nach dem Tod seines Vaters kehrt der attraktive Jungarchitekt Malik in seine Heimat Tunesien zurück - zu seiner Mutter, die sich nichts sehnlicher wünscht, als ihren Sohn endlich verheiratet und mit Kindern gesegnet zu sehen. Für Malik wäre es längst an der Zeit, sich abzunabeln und der Welt, insbesondere seiner Familie, zu zeigen, dass er auf Männer steht. Sein Netz aus Lügen und Ausflüchten zerfällt endgültig, als er sich nicht länger der Versuchungen des bildhübschen Gärtners Bilal erwehren kann. Gemeinsam kämpfen sich die Liebenden durch ein Minenfeld familiären Wahnsinns und kultureller Intoleranz in einem muslimisch geprägten Land. - Der erste tunesische Film, der Homosexualität offen darstellt, liefert ein hochaktuelles Gesellschaftsporträt. Keine soziale Schicht wird von der Kamera geschont: männliche Prostituierte, die Polizei, die Aristokratie, Menschen aus traditionellen oder westlich orientierten Milieus – alle scheinen sich mit dem Tabuisieren bestens eingerichtet zu haben. Dass am Ende die Liebe siegt, ist vielleicht, wie DU & ICH wohlwollend kritisert, „unglaublich optimistisch, mal wieder eine schöne Utopie, pourquoi pas? Gelitten und gestorben wird im Kino bei gleichgeschlechtlicher Thematik ja anderweitig immer noch genug.“

SPINNIN’
Eusebio Pastrana. E 2007. 110 Min. Spanisch mit deutschen Untertiteln. Mit Alejandro Tous, Olav Férnandez, Augustín Ruiz
Omar und Gárate sind jung und verliebt. Für Omar fehlt zum vollkommenen Beziehungsglück nur noch eins: ein Kind! Doch während er feststellen muss, dass die praktische Umsetzung - auch mit einem großen und hilfsbereiten weiblichen Freundeskreis - alles andere als einfach ist, fragt sich Gárate, ob er überhaupt ein guter Vater sein kann, wo er doch selbst noch ein Kind ist. Bald schon werden auch ihre Familien, Freunde und Nachbarn einbezogen und mit ihren Fragen über die Liebe und den Sinn des Lebens reißen Omar und Gárate schließlich halb Barcelona in einen Strudel aus Liebeserklärungen, Glücksmomenten, Trennungen und umso schöneren Versöhnungen hinein. Eusebio Pastranas hinreißende Komödie begeisterte Festivalbesucher der letzten Jahre mit ihrer Mischung aus leichtem Madrid-Flair und verspielter Poesie – und mit unglaublichen 100 Küssen in 110 Minuten!

zu Gast: Filmemacher Anton Binnig
femme*femme*femme
Anton Binnig. Hamburg 2010. 90 Min. Doku
Über Butches, Femmes und Andros ist bereits ausführlich debattiert worden. Anstatt den akademischen Diskurs erneut aufzuwärmen, gibt dieser Dokumentarfilm nun drei ausdrucksstarken Femmes viel Raum, ihre ganz individuellen Konzepte von Femme-Sein vorzustellen. Vor der Kamera reflektieren die drei nicht nur ihre persönlichen Erfahrungen, sondern auch ihr vielschichtiges Verhältnis zu dieser durchaus bewusst gewählten Identität. Entstanden ist ein Film über drei recht unterschiedliche Femmes, mit manchmal ernsten, manchmal witzigen Geschichten, die mehr über Femmeness hergeben, als es das Wälzen von Fachliteratur vermag – mit einer unüberhörbaren, aber solidarischen Kritik an der queeren Szene. Wir freuen uns, unmittelbar nach der Welturaufführung auf den Lesbisch Schwulen Filmtagen Hamburg Film und Filmemacher in Kiel begrüßen zu können.

femotion: 15. - 24. Oktober 2010


Vom 15. bis 24. Oktober finden femotion – 3. FrauenFilmwochen Kiel statt. Unter der Schirmherrschaft der Stadtpräsidentin Cathy Kietzer und mit Unterstützung unserer Sponsoren und Kooperationspartner präsentieren wir elf Kieler Premieren und einen Stummfilmklassiker. Das ausführliche Programm finden Sie auf einem eigenen Programmfaltblatt und auf unserer Homepage im Internet. Wir danken der Landeshauptstadt Kiel, dem Bauch von Kiel, der TragBar, der Frauenhelpline, der Frauenberatungsstelle Eß-o-Eß und der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.

Au Voleur
Sarah Leonor. F 2009. 96 Min. OmeU. Mit Florence Loiret Caille, Guillaume Depardieu
Isabelle unterrichtet Deutsch in der Pariser Banlieue. Bruno, ein Kleinganove, schlägt sich mit Einbrüchen durch. Als er eines Tages Isabelle bestehlen will, verlieben sich die beiden ineinander, doch sie werden von Brunos Vergangenheit eingeholt: Durch ein Missgeschick wird die Polizei auf Bruno aufmerksam, und die beiden fliehen mit dem Auto in den Wald. Sie verlassen den Wagen, stoßen immer tiefer in die Natur vor und leihen sich schließlich ein Boot, um sich auf dem Fluss treiben zu lassen…
Fr 15., 20:00 Uhr – Anschließend Empfang

The Happiest Girl in the World
Radu Jude. Rum/NL 2009. 100 Min. OmU. Mit Andreea Bosneag, Violeta Popa
Die junge Delia hat im Preisausschreiben ein Auto gewonnen und fährt nun in Begleitung ihrer Eltern in die Großstadt, um dafür in einem Werbespot aufzutreten. Aber die Dreharbeiten sind anstrengend, es kommt zu zermürbenden Auseinandersetzungen mit ihren Eltern, die sehr eigennützige Vorstellungen davon haben, wozu der Hauptgewinn dienen soll. – Mit großer Leichtigkeit erzählt Radu Jude komisch und manchmal traurig von den Illusionen, die Geld auslösen kann. Das Glücksversprechen, dass Konsumieren auch das einfachste Kleinstadtmädchen im heutigen Rumänien zum glücklichsten Mädchen der Welt machen kann, bleibt ein Werbespottraum. Delia hat ganz andere Vorstellungen von ihrem persönlichen Glück…
Sa 16., 18:30 Uhr und So 17., 20:30 Uhr

Torpedo
Helene Hegemann, D 2008, 42 min
Wild, riskant, gefährlich: Das deutsche Kino braucht mehr Torpedos! Der Festivalhit aus Hof und Preisträger des Filmfestivals Max Ophüls Preis! Mia ist fünfzehn und schwer traumatisiert. Nach dem Tod ihrer Mutter zieht sie zu ihrer Tante Cleo und wird in die linke Kulturszene Berlins katapultiert. Jenseits von geregelten Familienverhältnissen versucht sie sich in einer Erwachsenenwelt zu etablieren, die skurriler ist, als es die Jugend je für möglich gehalten hätte. – Mit Torpedo ist bei den Hofer Filmtagen 2009 ein Film aufgetaucht, der uns wirklich überrascht hat. Der Film ist nämlich in jeder Beziehung anders, und das scheinbar aus dem Bauch heraus, ohne Filmschule und Dramaturgen. Was diesen Film ausmacht, ist seine ungewöhnliche Perspektive, endlich gibt es wirklich einen Film aus der Sicht einer Jugendlichen. Damit meine ich keine Kameraperspektive, sondern eine Haltung und ein entlarvender Blick auf die Erwachsenen. Hier ist nichts glatt gebügelt, auf schön getrimmt oder erklärt. Film pur, laut und unsauber, ein Glücksfall. Dass die Regisseurin und Autorin Helene Hegemann erst 16 Jahre alt ist und mit 14 Jahren das Buch geschrieben hat, ist zwar erstaunlich, der Film wäre aber genauso gut, wenn sie doppelt so alt wäre. Nach kurzen 42 Minuten, eine unüblichere Länge kann man sich kaum ausdenken, hat man das Gefühl eines kompletten Filmerlebnisses. Das zeigt wie reich und klug der Film auch inhaltlich ist, und wenn man ihn zum zweiten Mal sieht, ist er noch besser.
Vorfilm: Die Geschichte vom roten Keramikpferd
Tonia Budelmann. D 2003. 11 Min.
Ein sonniger Samstag in Berlin. Marie ist bekifft und das Leben ziemlich kompliziert.

Die Frau mit den 5 Elefanten
Vadim Jendreyko. CH/D 2009. 97 Min.Mit Swetlana Geier
Porträt von Swetlana Geier, der größten Übersetzerin von russischer Literatur ins Deutsche. Nicht die Literatur selbst steht im Zentrum der Dokumentation, sondern die Erinnerungen der heute 85-jährig in Freiburg lebenden Protagonistin an ein von der wechselvollen Geschichte Europas begleitetes Leben. Zugleich schaut die Kamera der mehrfachen Groß- und Urgroßmutter auch dabei zu, wie sie mit einer ebenfalls betagten Sekretärin und einem penibel die von ihr übersetzten Worte und Sätze abwägenden Lektor russische Originale ins Deutsche transformiert. Gerade die Zusammenarbeit mit ihrem Lektor sorgt in diesem sich insgesamt doch eher mit einem trockenen Thema befassenden Film mit seiner unfreiwilligen Komik für willkommene Auflockerung. Und wenn Swetlana Geier Sätze sagt wie „jede geistige Erfahrung trägt dazu bei, dass man sich besser versteht und nicht totschlägt“, so spricht daraus die Erfahrung eines Lebens, das 1923 in der Ukraine begann und von gleich zwei Diktaturen – zunächst Stalin, später Hitler – berührt wurde. Viele ihrer Erinnerungen kommen während einer Reise in die Ukraine wieder hoch – der ersten, die sie seit 1943, nun mit einer Enkelin, unternimmt.

Pink Taxi
Uli Gaulke. D 2009. 80 Min.
Ein Taxiunternehmen mit Frauen als Fahrerin, die ausschließlich Frauen kutschieren, das ist das Thema von Uli Gaulkes Film. Viel mehr als ein Film über eine pfiffige Geschäftsidee ist die melancholische Dokumentation das Porträt dreier Frauen mittleren Alters, ihrer Wünsche, Träume und Enttäuschungen, vor allem aber ein etwas anderer Blick auf die so oft von Machos geprägte russische Gegenwart. Ganz unmerklich verwandelt sich Pink Taxi im Lauf seiner Spieldauer in einen Film über die Menschen Russlands, in erster Linie die Frauen. Wie schon in seinen früheren Filmen Havanna mi Amor und Heirate mich richtet Uli Gaulke auch hier seinen filmischen Blick auf die Frauen einer Gesellschaft. Bei aller Lebensfreude, die seinen drei Protagonisten eigen ist, schleicht sich immer wieder ein Hauch von Melancholie in ihre Blicke und Gesten. Die anstrengende Arbeit, der harte russische Winter, die Verantwortung für Kinder und Familie haben ihre Spuren in den Gesichtern und Seelen von Marina, Alla und Viktoria hinterlassen.

The Exploding Girl
Bradley Rust Gray. USA 2009. 80 Min. OmU. Mit Zoe Kazan, Mark Rendall
Was wäre Ivy wohl ohne ihr Handy? Mit ihrem Freund Greg kommuniziert die 20-jährige Studentin ausschließlich über ihr Telefon. Es ist Sommer, sie hat Ferien, die sie zuhause in New York verbringt, und Greg ist nicht bei ihr. Viel haben sie sich in ihren Telefonaten nicht zu sagen. Und so überrascht es auch nicht, dass Greg die Beziehung bald darauf beendet – am Telefon. Ivy verbringt die meiste Zeit allein oder mit ihrem besten Kumpel Al, der sich während der Ferien bei ihr einquartiert hat. Al, in dem sie immer nur ihren besten Freund sieht, ist eigentlich der, der ihr am liebsten ist. Sich das einzugestehen, fällt ihr nicht leicht… The Exploding Girl ist ein wunderschöner, kleiner Festivalfilm. Sehenswert schon allein wegen seiner Hauptfigur Ivy. Wenn wir alle ein bisschen Ivy in uns hätten, wäre das Leben um einiges gelassener.

Breath Made Visible
Ruedi Gerber. CH/USA 2009. 82 Min. Mit Anna Halprin, Lawrence Halprin, Merce Cunningham
Ihr Leben heißt Tanz: Die bald 90-jährige Tanzikone Anna Halprin verkörpert wie keine zweite Leben, Lust und Leidenschaft in ihrer Körperperformance. Der Berner Ruedi Gerber hat über diese Künstlerin, Pädagogin und Darstellerin ein faszinierendes Filmdokument über die bald 90-jährige Performancekünstlerin und Tänzerin Anna Halprin, 1920 in Illinois geboren, geschaffen. Bereits als Fünfjährige wurde Halprin vom Tanz infiziert, vom Tanzfieber gepackt. Anna Halprin hat das Tanztheater revolutioniert und neu definiert und einen langen Weg zurückgelegt über sieben, acht Jahrzehnte. Für sie bedeutet Tanz nicht künstlerischer Ausdruck, sondern Lebenselixier. Sie selbst war in den 1970ern erkrankt, nahm Abschied von der Bühne und kehrte 2004 zurück. Sie behauptet, das Tanzen hätte sie geheilt und jeder Mensch trage Tanzanlagen in sich. Insofern geht Gerbers vielschichtiges Porträt weit über Tanz und schöne, manchmal nostalgische Aufzeichnungen hinaus. Tanz wird hier in Wort und Bild zum individuellen Bekenntnis, zur existentiellen Spiegelung, zur nackten Menschwerdung und Hoffnung.

Hamlet
Svend Gade, Heinz Schall. D 1921. 110 Min. Mit Asta Nielsen, Paul Conrad
Asta Nielsen im großen Drama um Mord, Rache, Liebe, Freundschaft – und Geschlechteridentität. Für den ersten Film ihrer eigenen Produktionsfirma wählte die Schauspielerin eine Interpretation der Hamlet-Geschichte, die besagt, dass der dänische Prinz eine Frau war – und übernahm selbst die Titelrolle: Um den Thron zu sichern, gibt die dänische Königin ihre Tochter als männlichen Thronfolger aus, und so wächst das Mädchen als Knabe heran. Da ermordet der böse Oheim den König und besteigt selbst den Thron. Prinz Hamlet sinnt auf Rache, gibt vor, dem Wahnsinn verfallen zu sein und nutzt die Ankunft einer Schauspielertruppe, dem Onkel sein Verbrechen vor Augen zu führen. Der gibt daraufhin den Befehl, Hamlet den Kopf abschlagen zu lassen… Mehr als achtzig Jahre nach der Uraufführung feierte der Film im Februar 2007 in einer aufwändig restaurierten viragierten Fassung erneut Premiere.

Victoire Terminus, Kinshasa
Renaud Barret, Florent de La Tullaye. F/Kongo 2008. 80 Min. OmU
Kinshasa im Sommer 2006: In dem mittlerweile baufälligen Stadion, in dem 1974 der legendäre Kampf zwischen Muhammad Ali und George Foreman stattfand, trainiert eine Gruppe junger Boxerinnen für die Afrikanischen Meisterschaften. Boxen ist ihr Weg in eine bessere Zukunft; es ist aber auch Ausdruck ihrer kämpferischen: Sie verweigern die traditionelle Rolle, die ihnen die Gesellschaft zuweist, bestehen auf respektvoller Behandlung und dem Recht, sich selbst zu verteidigen. Entschlossen, selbstbewusst und ohne Illusionen.
Do 21., 18:30 Uhr

Wie weit noch – Qué tan lejos
Tania Hermida. Ecador 2006. 92 Min. OmU. Mit Cecilia Vallejo, Tania Martinez
Die Spanierin Esperanza kommt als Rucksackreisende in die ecuadorianische Hauptstadt Quito, um für die kommenden Wochen Land und Leute kennen zu lernen: Die 30-Jährige ist die klassische Backpackerin, stets auf der Suche nach der nächsten Sehenswürdigkeit. In einem Bus trifft sie auf die Einheimische Tristeza, die nach Cuenca reisen will, um zu verhindern, dass der Mann ihres Herzens eine Andere heiratet. Die beiden ungleichen Frauen schließen Freundschaft, treffen unterwegs auf Jesus Christus sowie einen Bilderbuchmacho und erleben sonderbare, aber unvergessliche Tage.
Do 21., 20:30 Uhr, Fr 22., 18:30 Uhr

Wendy And Lucy
Kelly Reichardt. USA 2008. 80 Min. OmU. Mit Michelle Williams, Wally Dalton
Wendy, eine Frau Mitte 20, schlägt sich mit ihrem klapprigen Auto so durch. Immer an ihrer Seite ist ihre Hündin Lucy. Als Wendy in einem Kaff in Oregon beim Ladendiebstahl erwischt wird, kann sie für die Dauer der Vernehmung nicht auf ihren Hund aufpassen, der kurz darauf verschwunden ist. Ohne ihren einzigen Begleiter in einer von sozialer Kälte geprägten Welt muss sie schließlich eine schwere Entscheidung treffen… Regisseurin Kelly Reichardt erweist sich als große Minimalistin und starke Vertreterin des neuen amerikanischen Independent Kinos.
Fr 22. + Sa 23., 20:30 Uhr