Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im Februar:

Film des Monats


The Green Wave
Ali Samadi Ahadi. D 2010. 80 Min. OmU. Teilweise Animation
Grün ist die Farbe der Hoffnung. Grün ist die Farbe des Islams. Und Grün war das Erkennungszeichen der Anhänger von Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mussawi, der im vergangenen Jahr zur Symbolfigur der „grünen Revolution“ im Iran aufstieg. Die Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 sollten einen Wechsel bringen, aber entgegen allen Erwartungen wurde der ultrakonservative Populist Mahmud Ahmadineschad im Amt bestätigt. So deutlich das Ergebnis ausfiel, so laut waren dann auch die Vorwürfe der Wahlmanipulation. Die anhaltenden „Wo-ist-meine-Stimme“-Protestdemonstrationen wurden von Milizen immer wieder brutal aufgerieben. Private Aufnahmen von Handys oder Fotokameras zeugen von dieser maßlosen Gewalt: Menschen werden verprügelt, erstochen, erschossen, verhaftet, verschleppt, manche verschwinden spurlos. Zahllose Tote, Verletzte und Folteropfer und eine weitere tiefe Wunde im Herzen der Iraner bleiben zurück. – The Green Wave bebildert das Geschehen als bewegende Dokumentarfilm-Collage und erzählt von den Gefühlen der Menschen hinter der Revolution. Facebook-Nachrichten, Twitter-Botschaften und eingestellte Internetvideos flossen in die Gestaltung des Filmes ein, und Hunderte echte Blogeinträge dienten als Vorlage für die Erlebnisse und Gedanken zweier junger Studenten, deren Geschichte sich als roter Faden durch den Film zieht.

neu in Kiel


Poll
Chris Kraus. D 2010. 129 Min. Mit Paula Beer, Edgar Selge, Tambert Tuisk
Vor fast genau fünf Jahren kam Chris Kraus’ erster Langfilm Vier Minuten in die Kinos, und selten konnte man einen deutschen Film sehen, der mit solcher „Wucht“ zu fesseln wusste. Nun schickt Kraus seinen mit Spannung erwarteten zweiten Großfilm auf die Leinwände, macht dabei alles anders – und findet doch wieder zu solcher „Wucht“ zurück, die sich hier nicht zuletzt über die gewaltigen Bilder der baltischen Landschaft entfaltet. Hier, in der entlegenen Provinz des Zarenreiches des Jahres 1914, in der Deutsche, Russen und Balten aufeinander treffen, trotzt ein bizarres, auf Stelzen ins Meer gebautes Gutshaus den Naturgewalten und dem großen Mahlwerk der Zeiten. Es ist „Poll“, der Gutshof des alten Adelsgeschlechtes derer von Siering. Eddo, das strenge Familienoberhaupt, widmet sich hauptsächlich absurden anatomischen Studien, die er in seinem abgeschirmten Laboratorium betreibt, um damit nicht zuletzt vor den sich abzeichnenden weltgeschichtlichen Umwälzungen die Augen zu verschließen. In diese fragile Lage, die auch von den gegenseitigen Ressentiments der Volksgruppen geprägt ist, gerät die 14jährige Oda, die gerade aus Berlin zurückkehrt. Auf dem Anwesen begegnet das Mädchen einem estnischen Widerstandskämpfer, der sich dort vor den Russen versteckt hält. Zwischen dem jungen Mann und Oda entwickelt sich alsbald ein besonderes Vertrauensverhältnis... – Es ist eine seltsame, zu gleichen Teilen faszinierende wie unheimliche Welt, in die uns Filmemacher Chris Kraus in seinem visuell außergewöhnlichen Drama Poll entführt. Schon der Anblick des auf Stelzen stehenden Haupthauses mit seiner allen klassischen Regeln widersprechenden Fassade kann den Betrachter förmlich erschlagen. Übertragen auf die Literatur wirkt die entlegene Gegend um Poll wie eine Ostsee-Variation des „Zauberbergs“. Der Tod ist allgegenwärtig, und während sich am Horizont bereits der Schrecken des Ersten Weltkrieges ankündigt, forscht Odas Vater an deformierten Körpern – ein Irrweg, der ihn glauben lässt, das Wesen eines Menschen an dessen Gehirnform festmachen zu können. Wohin solche und andere krude Thesen später noch führen werden, ist bekannt. Und mit dieser mentalitätsgeschichtlichen Bestandsaufnahme knüpft der Film nicht zuletzt an Hanekes Weißes Band an, der ebenso den provinziellen Wurzeln nationaler Verfasstheiten am Vorabend des 1. Weltkriegs nachspürte. – Nicht wenige Filme wollen große Geschichten erzählen. Allein den wenigsten gelingt dieses Kunststück. Poll gehört zweifelsfrei dazu. Bereits die Bildsprache stellt den dafür notwendigen Mut unter Beweis. Die Kamera von Daniela Knapp scheut nicht das Monumentale, wenn sie entfesselt über das Anwesen der von Sierings kreist und so den bröckelnden Glanz dieser Aristokratenfamilie im Lichte einer untergehenden Sonne einfängt. Das sind Kinobilder, wie man sie im deutschen Film leider viel zu selten findet – gemacht für eine große Leinwand. Großen Anteil an der visuellen Wirkung hat freilich auch das Production Design, das Szenenbildnerin Silke Buhr an Originalschauplätzen in Estland errichtete: Im Zentrum steht dabei das eigenwillige Gutshaus, das sie als vollständigen Bau auf einer Landzunge im Wasser errichten ließ und das den Charakter dieser Zeit zwischen Auflehnung und Verfall augenfällig verkörpert. Silke Buhr ist am 9. Februar im KoKi zu Gast.
Do 3. - Mi 23.

Die singende Stadt
Vadim Jendreyko. D 2010. 92 Min.
Gesang in endlosen Fluren. Hinter dem Regal mit den Perücken der gut gefüllte Blutkühlschrank. Ein Schwarm Elfen zwitschert durch die Kantine. Pauken, Trompeten und die allgegenwärtige Lautsprecherstimme bestimmen das Klangbild. Einflüsterungen, große Worte, klackernde Perlenschnüre, und jede Geste zählt. Unten dicht bei der Kanalisation gewaltige Hebeapparate, ein jubelnder Chor schwebt herauf: Der Film nimmt die Stuttgarter Parzifal-Inszenierung des katalanischen Regisseurs Calixto Bieito zum Anlass und zum roten Faden, um in das komplexe Universum eines großen Opernhauses einzutauchen. Wir verfolgen das Ineinandergreifen kreativer Prozesse und werden Zeuge der Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen inhaltlichen und ästhetischen Positionen. Wir lernen Menschen mit teilweise exotisch anmutenden Berufen kennen, Menschen, die eine gigantische Maschinerie in Bewegung setzen und selbst Teil dieser Maschinerie sind. Planung und Inszenierung einer Oper dauern ein ganzes Jahr. Wir nehmen uns diese Zeit, auch um zu verstehen, was diese Maschinerie wirklich antreibt.
Do 17. - So 20.

Draußen am See
Felix Fuchssteiner. D 2009. 105 Min. Mit Elisa Schlott, Michael Lott, Petra Kleinert
Draußen am See hat die Familie ihr kleines Wochenendhaus, hier nehmen Papa Ernst, seine Frau Tine und die beiden Töchter gerne ihre Auszeiten. Solche Anlässe sind nicht ungefährlich – gerät das eingespielte Leben in der beengten Laborsituation doch leicht aus dem Gleichgewicht. Diesmal aber ist es besonders schlimm: Denn erst jetzt rückt Ernst mit der Sprache raus, dass er vor 14 Tagen seinen Job verloren hat. Dabei ist er selbst derjenige, der damit am wenigsten umgehen kann und prompt beginnt, Töchter und Mutter zu triezen, indem er der 14-jährigen Jessica den Umgang mit ihrem Freund verbietet oder über Mutterns Bauch lästert – in Verkennung der Tatsache, dass sie erneut schwanger ist. Die Zeit des Streitens führt aber noch zu einer ganz anderen furchtbaren Wendung, die noch lange als Leiche im Keller des Familienidylls ruhen wird... Felix Fuchssteiner blättert einen üppigen Problemkatalog auf, um daraus die Karikatur einer dysfunktionalen Familie zu destillieren. Die durchweg guten Darsteller helfen ihm dabei, die atmosphärischen Werte seiner Inszenierung auf eindringlichem Niveau zu halten. So überwiegen in dieser Coming-of-age-Geschichte trotz der gefährlichen Nähe zur Überfrachtung die starken Seiten. Die Chronik, wie ein elterliches Heim zum Un-Heim wird, nutzt ihren poetisch-nachdenklichen Ansatz im gelungenen Look, um in einer vorsichtig positiven Wende die Kraft zweier junger Frauen zu feiern und gerade darin zu großer Glaubwürdigkeit zu finden.
Mo 21. - Mi 23.

Hinter Mauern Hinter Gittern – Strafvollzug im Gegenwartskino


Der filmische Blick auf das Gefängnis hat sich in den letzten Jahren gewandelt – romantisierende Abenteuergeschichten sind erschütterndem Realismus gewichen. Das KoKi zeigt in den kommenden Wochen fünf neuere europäische Spiel- und Dokumentarfilme zum Thema Knast. Unserer Kooperationspartner ist der Verband für soziale Strafrechtspflege SH, der in diesem Jahr sein 60jähriges Bestehen feiert. – Alle Filme werden von Fachdiskussionen begleitet.

Picco
Phillip Koch. D 2010. 105 Min. Mit Constantin von Jascheroff, Aram Arami
„In this house you have one friend – yourself“ – mit diesem Graffiti in einer Gefängniszelle beginnt das beklemmende Kammerspiel vom Leben und Leiden in einem Jugendgefängnis, das auf wahren Begebenheiten, dem Foltermord in der JVA Siegburg 2006, basiert. Demütigung, Gewalt und Unterdrückung gehören hier zum Alltag. Die Aufseher sind Wegseher. Kevin (eindrucksvoll: Constantin von Jascheroff) landet als Knast-Novize, als Picco, ganz unten in der Hackordnung einer Viererzelle. Anfangs leistet der sensible junge Mann noch leisen Widerstand gegen die Rempeleien, will Schwächeren helfen, doch mehr und mehr mutiert er selbst zum Mitläufer, wird vom Opfer zum Täter. Den Misshandlungen entkommt hier nur, wer sich die Schwächeren als Zielscheibe eigener Aggression aussucht. Was harmlos beginnt, wächst sich zur Psychofolter aus. Die körperliche Gewalt beginnt mit Schlägen, mit brutalen Vergewaltigungen und endet schließlich, nach zwanzigminütiger Folter, mit dem erzwungenen Selbstmord des Schwächsten der Zelle. Mit langen Kameraeinstellungen und in kalten Farben lässt der Film den Zuschauer die klaustrophobische Atmosphäre spüren, der die Figuren in ihrer sechzehn Quadratmeter kleinen Zelle ausgesetzt sind. Am Ende stellt sich schließlich die Frage, zu welchen Untaten der Mensch fähig ist. „Die einzigen Täter in Picco sind wir. Das ist es, was uns so schmerzt“, kommentiert Koch die heftigen Reaktionen auf sein Drama.
Di 15.

Die Eroberung der inneren Freiheit
Silvia Kaiser und Aleksandra Kumorek. D 2009. 80 Min.
Seit dem Jahr 2000 führt die Haftanstalt Berlin-Tegel ein weltweit einmaliges Experiment durch: Häftlinge, größtenteils Schwerverbrecher, die wegen Delikten wie Raubmord, Auftragsmord oder Drogenhandel oft lebenslange Haftstrafen absitzen, sprechen mit Philosophen. Sie folgen dabei der so genannten „Sokratischen Methode“, die nicht auf einem Dialog zwischen einem Lehrer und einem Schüler oder einem Arzt und einem Patienten basiert, sondern mittels eines Gruppengesprächs zu einer tieferen Form der Selbsterkenntnis führen soll. Interviews mit den Gefangenen und Aufnahmen des Gefängnisalltags ergänzen die dokumentarische Annäherung an das Projekt. – Landespastorin Petra Thobaben, Diakonisches Werk Schleswig-Holstein; Pastor Dr. Martin Hagenmeyer, Ev. Gefängnisseelsorge in der Justizvollzugsanstalt Kiel.
Do 24.

KoKi Underground im Roten Salon – Weltpremiere!


Unrated 2 – Scary as Hell
Andreas Schnaas, Timo Rose. D 2011.
Der brandneue Film von Andreas Schnaas und Timo Rose (Violent Shit, Unrated – The Movie) feiert bei uns seine Weltpremiere! Erzählt wird vom grotesk-blutigen Schicksal dreier Erforscher des Paranormalen, die ein allerletztes Mal die Schwelle eines Spukhauses überschreiten. Geister, Splatter, Elektroschocks! Andreas Schnaas wird natürlich zu Gast sein… und auch mit seiner Band auftreten. Highlight!
Sa 26.

Wunschfilm – OmU


The Kids Are All Right
Lisa Cholodenko. USA 2010. 106 Min. OmU. Mit Julianne Moore, Annette Bening
Die melancholische Komödie packt mit leichter Hand ein nicht überall kaltes Thema an: homosexuelle Paare mit Kindern. Am Anfang steht der typische Familienalltag, der nicht selten einem Drama vorangeht. Nic (die hervorragende Annette Bening) und Jules (die gleichfalls hervorragende Julianne Moore) leben zusammen mit ihren Kindern Joni und Laser in einem schönen Vororthaus in Los Angeles. Die Ärztin Nic ist etwas überarbeitet und trinkt vielleicht etwas viel. Jules ist leicht frustriert aber o.k. Zusammen mit Laser und Joni bilden beide jedoch alles in allem ein eingespieltes Team. Sobald es ihnen möglich ist, holen die Kinder trotzdem Erkundigungen über den Mann ein, der Nic und Jules einst als Samenspender diente. Dieser stellt sich als lebensfroher, sehr männlicher Bio-Restaurantbesitzer heraus. Und er ist – für ihn selbst überraschend – nicht uninteressiert an der neuen Bekanntschaft. Die Kinder umgibt eine Aura von Zusammenhalt und gegenseitiger Verantwortung, die den bislang unverbindlichen Paul durchaus anzieht. Die Komplikationen fordern bald ihren Tribut. Zwischen bitterem Ernst, Slapstick und melancholischer Heiterkeit changierend begeistert der Film, der seinen wunderbaren Darstellern viel Platz zum vergnüglichen brillieren lässt. Wir zeigen den Film noch einmal in der Originalversion mit Untertiteln.
Fr 25. - Mi 2.

Filmwunsch


La danse – Le ballet de l’Opéra de Paris
Frederick Wiseman. F/USA 2009. 158 Min.
Frederick Wiseman, Großmeister des Dokumentarfilms, hat seine Kamera für neun Wochen im Herzen des Balletts der Opéra National de Paris installiert – einer der großartigsten Ballettkompanien der Welt. Von den Schneiderateliers bis zu den öffentlichen Aufführungen, in denen die Startänzer brillieren, führt uns La danse hinter die Kulissen der berühmten Institution und zeigt uns das Schaffen derer, die täglich um außergewöhnliche Darbietungen ringen. La danse zeigt hinreißende Augenblicke – einer großartiger als der andere und umso kostbarer, als sie ihrem Wesen nach flüchtig sind. „Man versucht, etwas dazu zu lernen, die Augen immer offen zu halten, um das Geschehen vor uns zu verfolgen. Um zu verstehen, was Tanz ist: ein besonderes Verhältnis zwischen dem Körper und dem Gehirn. Alle Gesten der Tänzer sind harte Arbeit, Training ab sechs oder sieben Jahren, um dem Körper beizubringen, so schöne Dinge zu schaffen. Später, wenn sie älter werden, haben sie oft mit Leiden zu kämpfen, die auf ihre Karriere zurückgehen. In einem gewissen Sinn ist es ein Kampf gegen den Tod, weil es etwas so Künstliches ist. Für mich war das, was auf den Proben geschah, oft interessanter als die förmlichen Aspekte der Aufführung. Doch andererseits entsteht, wenn alles gelingt, etwas so Schönes, dass man von der geschaffenen Illusion fortgerissen wird. Eine Illusion, die nur sechzig Sekunden währt, aber etwas, das vollkommen ist. Wenn ich das erleben darf, erfüllt mich Bewunderung – und Wehmut, weil es nicht dauern kann, weil diese Vollkommenheit vergänglich ist.“
Sa 12. - So 27.

zur Ausstellung „25 Jahre Tschernobyl“ – mit Heinrich-Böll-Stiftung


Pripyat
Nikolaus Geyrhalter. Ö 1999. 100 Min. Anschließend Gespräch mit Gästen
In der Stadt Pripyat – 7 Kilometer vom Kernkraftwerk Tschernobyl entfernt – lebten die Arbeiterinnen und Arbeiter des Kraftwerks. Unmittelbar nach dem Unfall vom 26. April 1986 wurden die 50.000 Einwohner evakuiert und in Gebiete in der gesamten ehemaligen Sowjetunion umgesiedelt. Seither verfallen die Häuser, das Betreten ist nur mit Sondergenehmigung erlaubt. Pripyat ist heute eine streng bewachte Geisterstadt. Der Film porträtiert jene Menschen, die 12 Jahre nach dem Unfall nach wie vor oder wieder dort leben und arbeiten. Wie gehen die Menschen, die sich dort aufhalten, mit der unsichtbaren und ungreifbaren Gefahr Radioaktivität um? Wie werden sie mit den Folgen eines statistisch angeblich unwahrscheinlichen Unfalls fertig? Vier Protagonisten kommen in ausführlichen Interviews zu Wort und geben Einblick in den Alltag der Zone.
Mi 16.