Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im März:

15. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide


Zum fünfzehnten Mal darf das Filmschaffen rund um das nördlichste Bundesland gefeiert werden: mit Filmen, die Themen aus der Region aufgreifen, mit Filmen, die in Schleswig-Holstein gefördert wurden und natürlich auch mit den Filmschaffenden. Mit dem Porträt eines Vaterlandsverräters lässt uns die Regisseurin Annekatrin Hendel am Eröffnungsabend einem Mann begegnen, der widersprüchlicher kaum sein kann. Der Schriftsteller Paul Gratzik, überzeugter Kommunist, arbeitete 20 Jahre für die Stasi, bevor er sich enttarnte und selbst zum Beobachtungsobjekt wurde. – Der letzte Auftritt einer Legende steht am Samstag im Mittelpunkt des Filmes Jimi – Das Fehmarn-Festival. Rasmus Gerlach begibt sich auf die Spuren des Festivals, bei dem Hendrix kurz vor seinem Tod zu Gast war. Anschließend präsentiert sich das diesjährige Partnerland Türkei mit dem Film Tatil kitabi (Sommerbuch), einem „lichten Sommerfilm über ein schweres Thema“. Kurz und knackig wird es wie gewohnt beim Kurzfilmprogramm ab 20.30 Uhr. – Seine Premiere feiert am Sonntag um 16.00 Uhr der Film Eine Synagoge für Bad Segeberg – ein Langzeitporträt über die Weißrussin Ludmilla Budnikov und den Kripobeamten Walter Blender bei ihrem Engagement für den Bau einer Synagoge in Norddeutschland. Bevor die Preise am Sonntagabend um 19.30 Uhr im Rahmen des Kurzfilmabends Kiel Spezial verliehen werden, verbringen wir am frühen Sonntagabend um 18.00 Uhr etwas Zeit im Salon vom fantasievollen Friseur Gleb Lenz, füttern mit Charles Bronson Schweine in Spanien und suchen mit Marie Catherine Theiler und Jan Peters nach der verlorenen Zeit.
Do 24. - So 27.

neu in Kiel


Mein Kampf
Urs Odermatt. D/Ö/Ch 2010. 100 Min. Mit Tom Schilling, Götz George
George Taboris Bühnenfarce Mein Kampf, 1987 am Wiener Burgtheater uraufgeführt, fiel in die erfolgreichste Zeit des großen österreich-ungarischen Theaterdichters und ist sein vielleicht bekanntestes Werk. In Österreich gilt es ohnehin als Pflichtlektüre, und so ist es eigentlich ein seltsamer Umstand, dass erst jetzt, nach einem knappen Vierteljahrhundert, eine Filmadaption ins Kino gelangt. Urs Odermatt verpflichtete mit Götz George und Tom Schilling ein phantastisches Schauspielerduo und entschied sich dafür, das groteske Drama an Originalmotiven (und nicht auf der Theaterbühne) in Szene zu setzen.
Do 3. – So 13.

UNLIKE U – trainwriting in berlin
Henrik Regel, Björn Birg . D 2004-2010. 90 Min. Mit ABIS, ACID, AZUR u.v.a.
UNLIKE U taucht ein, in eine Szene, die für Außenstehende schlichtweg nicht nachvoll-ziehbar ist. Es ist die Welt der Trainwriter, derjenigen Graffitikünstler also, die sich auf das Bemalen von S-und U-Bahnen spezialisiert haben. Extrem verdeckt. Extrem kriminell. Extrem verboten. Sieben Jahre waren die Filmemacher Henrik Regel und Björn Birg in der Szene unterwegs, gewannen so das Vertrauen ihrer Protagonisten. Neben erstklassigen Interviews wurde ihnen auch Material zugespielt, das so noch nie zu sehen war. In diesem Sinne ist UNLIKE U kein normales Graffitivideo, in dem Action auf Action und Zug nach Zug gezeigt wird, sondern das einfühlsame Porträt einer sehr kleinen, geschlossenen Subkultur.
Sa 3.


Die gekaufte Wahrheit
Bertram Verhaag. D 2010. 89 Min.
Dokumentarfilm über Gentechnik in der Agrarwirtschaft und über Einsflussnahmen auf Wissenschaft und Meinungsbildung durch Konzerne und Patentinhaber. Im Mittelpunkt stehen die Forscher Dr. Ignacio Chapela und Dr. Árpád Pusztai. Ersterer veröffentlichte einen Artikel in dem anerkannten Wissenschaftsmagazin Nature, in dem er von der Vermischung von einheimischen mexikanischen Mais mit gentechnisch veränderten Sorten. Letzterer gibt ein Fernsehinterview, in dem er für Langzeittests plädiert und äußert, er würde nach jetzigem Wissensstand keine gentechnisch veränderten Lebensmittel zu sich nehmen. Beide Forscher sind zu dieser Zeit anerkannte Fachleute, die auf höchstem Niveau arbeiten, beide Forscher finden sich kurze Zeit nach ihren Veröffentlichungen größtem juristischen, politischen und persönlichen Druck ausgesetzt, beide werden verleumdet, diskreditiert, beleidigt und aus ihren Positionen entfernt. Der Film erzählt ihre Geschichte und wirft Fragen um ein hohes gesellschaftliches Gut auf.
Fr 4. – Mo 14., Mi 9. zu Gast: Bertram Verhaag

Biutiful
Alejandro González Iñárritu. Sp/Mex 2010. 147 Min. dt. Fs. Mit Javier Bardem
Dem mexikanischen Regisseur Iñárritu gelingt mit seinen Filmen regelmäßig das Kunststück, anspruchsvolle Erzählhaltungen und mitunter schwerverdauliche Inhalte mit der Gunst des Publikums zu versöhnen. Sein neuer Film gibt sich abermals als Herausforderung – Herausforderung z.B. für die Freunde Barcelonas, die in dem Schauplatz ihre Lieblingsstadt nicht wieder erkennen werden: Dreckig, verkommen und voller verlorener Seelen, die nach Erlösung suchen, ist die Metropole kein Sehnsuchtsort, sondern viel mehr ein Sinnbild der Hölle auf Erden. Hier lebt Uxbal, ein kleiner Gauner, der sich mit verschiedenen Deals und halb- bis illegalen Geschäften mühsam über Wasser hält. Er lebt getrennt von seiner manisch-depressiven Frau Maramba und sorgt sich liebevoll um seine beiden Kinder Ana und Mateo. Dann aber kann er die Schmerzen im Unterleib, die er seit mehreren Monaten hat, nicht mehr länger ignorieren und sucht einen Arzt auf. Prostatakrebs in weit fortgeschrittenen Stadium, ihm bleiben nur noch wenige Monate. Geschockt von der Hiobsbotschaft versucht Uxbal, sein ziemlich chaotisches Leben in Ordnung zu bringen und für seine Kinder eine einigermaßen erträgliche Zukunft zu ermöglichen. Doch seine Bemühungen drohen zu scheitern... Biutiful ist trotz seines eher heiteren Titels Iñárritus bislang bedrückendster und düsterster Film. Ungewohnt geradlinig und ohne die Verschachtelungen seiner bisherigen Filme schildert der Regisseur den Weg seines Protagonisten als Abwärtsspirale, in der es kaum einen Platz für Hoffnung gibt. Und dennoch gibt es Momente voller Zuversicht und Mitmenschlichkeit, kleine Glanzlichter in diesem Meer von Düsternis.
Do 10. – Di 29.

Nichts ist besser als gar nichts
Jan Peters. D 2010. Ca. 90 Min. Mit Jan Peters
Am Anfang war das Malheur: Weil durch einen dummen Zufall seine Brieftasche mit allem Bargeld und allen EC-Karten für zwei Wochen weg ist, muss Jan Peters ohne Geld durchkommen. Aus der kurzfristigen Verlegenheit wird ein Dauerexperiment, das der Filmemacher an sich selbst durchführt. So bietet er wildfremden Menschen an, sie gegen eine geringe Beteiligung auf seiner Gruppenkarte mit in die Stadt zu nehmen. Aus der Notlösung wird ein Geschäftsmodell, das Peters immer wieder mit interessanten Menschen zusammen bringt (man wird erwähnen müssen, dass die Inszenierung des Films dem Zufall manchmal etwas nachhalf: nicht alle Begegnung sind rein zufällig, manches ist auch eingefädelt). – Peters fängt in seinem spielerischen Dokumentarfilm interessante Aspekte des Alltags ein, in denen Menschen ganz un-kapitalistische Verhaltensweisen an den Tag legen, indem sie etwa teilen, sich mit weniger begnügen oder findig auf Mängel reagieren.
Di 15. + Mi 16.

In einer besseren Welt
Susanne Bier. DK/S 2010. 113 Min. dt.Fs. Mit Mikael Persbrandt, Trine Dyrholm
Susanne Bier und ihr Drehbuchautor Thomas Jensen verteilen ihr Figurenensemble über große Entfernungen und lassen die Handlungsstränge erst allmählich zu größerer Nähe – und äußerster Dramatik finden. Anton und Marianne, beide Ärzte, stehen kurz vor der Scheidung und arbeiten an verschiedenen Enden der Welt: Anton arbeitet längere Phasen im Jahr in Afrika, Marianne bleibt mit den beiden Kindern in der dänischen Provinz. Kummer bereitet ihr vor allem der Sohn Elias, der in der Schule von einer Bande älterer Jungs gemobbt wird. Das Blatt wendet sich, als Elias sich mit dem Außenseiter Christian anfreundet und der sich brutal in die Auseinandersetzung mit der Bande einmischt. Dabei scheinen Christian und Elias auf einen gefährlichen Weg zu geraten – ein Weg gewaltbereiten Handelns, zu dem Anton seinen Kindern immer Alternativen aufzeigen wollte. Aber auch Anton kommen bei seiner aufreibenden Entwicklungshilfe immer wieder Zweifel an den Grundsätzen der Gerechtigkeit. – Eine Menge an Themen steckt Bier in ihren Film: Scheidung und Tod, Entfremdung zwischen Eltern und Kindern, Mobbing und Flüchtlingsdramen. Dass dabei der rote Faden nicht verloren geht, ist eine Glanzleistung. Eine moralische Grundfrage hält den Film zusammen: Wie behält man seine Integrität, wenn man dem Bösen gegenübersteht? Beantworten kann Bier die Frage nicht, doch ihre Auseinandersetzung damit kann sich sehen lassen.
Do 17. 3. – Mi 6. 4.

So weit und groß – Die Natur des Paul Modersohn
Carlo Modersohn. D 2010. 76 Min.
Carlo Modersohn hat mit So weit und groß – Die Natur des Otto Modersohn einen Film über seinen Urgroßvater gedreht, der auf jegliches aktuelle oder nachträglich hergestellte Material verzichtet und ausschließlich mit Originalquellen arbeitet – also mit Tagebuchaufzeichnungen, Briefen, Gemälden, Zeichnungen und Fotografien. Das verwandtschaftliche Verhältnis zum Protagonisten seines Filmes und die Beteiligung des Otto-Modersohn-Museums dürften hier einige Türen geöffnet haben, die anderen Filmemachern möglicherweise verschlossen geblieben wären. „Was für eine Wohltat: Ein Dokumentarfilm, der sich ganz auf sein Sujet, die 78 Jahre umfassende Lebensgeschichte des Landschaftsmalers Otto Modersohn, konzentriert und auf den üblichen Köpfe-Reigen aus Experten, Sammlern und Familiennachkommen verzichtet. Dafür glänzt die Inszenierung durch eine großzügige Verwendung historischen Archivmaterials. Für ein Familienprojekt erstaunlich sachlich und fern jeder subjektiv-hymnischen Verherrlichung, nähert er sich seinem Vorfahren als Teil einer innovativen Bewegung.“ (Filmdienst)
Do 31. 3. – So 17. 4.

Die singende Stadt
Vadim Jendreyko. D 2010. 92 Min.
Der Film nimmt die Stuttgarter Parzifal-Inszenierung des katalanischen Regisseurs Calixto Bieito zum Anlass und zum roten Faden, um in das komplexe Universum eines großen Opernhauses einzutauchen. Wir verfolgen das Ineinandergreifen kreativer und handwerklicher Prozesse und werden Zeuge der Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen inhaltlichen und ästhetischen Positionen.
So 6. – So 27.

The Green Wave
Ali Samadie Ahadi. D 2010. 80 Min. OmU. Teilweise Animation
Bei den Iranischen Präsidentschaftswahlen am 12. Juni 2009 wurde der ultrakonservative Populist Mahmud Ahmadineschad im Amt bestätigt. So deutlich das Ergebnis ausfiel, so laut waren dann auch die Vorwürfe der Wahlmanipulation. Die anhaltenden „Wo-ist-meine-Stimme“-Protestdemonstrationen wurden von staatlichen Milizen immer wieder mit brutalen Übergriffen aufgerieben und aufgelöst. Private Filmaufnahmen zeugen von dieser maßlosen Gewalt. The Green Wave bebildert das Geschehen als bewegende Dokumentarfilm-Collage und erzählt von den Gefühlen der Menschen hinter der Revolution.
Do 24. 3. – Mi 2. 4.

Irre Gute Filme – mit Kieler Fenster und Brücke SH



Schattenzeiten
Gregor Theus. D 2009. 60 Min.
Olaf, Mona und Maria leiden seit Jahren an schweren Depressionen. Die Krankheit hat ihnen jeden Lebensmut genommen. Um nicht wieder ihren Selbstmordgedanken zu verfallen, suchen sie Hilfe in der psychiatrischen Klinik der Berliner Charité und lassen sich einweisen. Die drei werden über einen Zeitraum von 2 Jahren auf ihrem harten Weg begleitet. Sie scheuen sich dabei nicht vor der Auseinandersetzung mit lang umstrittenen Behandlungsmethoden wie Elektrokrampftherapie (EKT). Auf unvergleichlich einfühlsame Weise werden die wahren Emotionen dieser sonst oft nur schwer zu greifenden Erkrankung für den Zuschauer nachvollziehbar. Den Film zeichnet aus, dass er den Erkrankten selbst Raum lässt, sich mitzuteilen. Er verzichtet auf eine Kommentarspur und schafft auch damit eine ruhige, geduldige Grundstimmung, die es erlaubt, die Atmosphäre der Krankheit und die Stimmung der Patienten deskriptiv und recht intim zu porträtieren. Dabei wirkt die Langzeitdokumentation jedoch nicht unfilmisch: Auf 16mm-Filmmaterial gedreht weiß Schattenzeiten durchaus auch visuell zu überzeugen. Im Anschluss Gespräch.
Do 17.


Psychoanalyse und Film


Der Geist des Bienenstocks
Victor Erice. Sp 1973. ca. 100 Min. Spanische OmeU. Mit Ana Torrent
Ein kleines Dorf im Spanien der 40er Jahre. Der spanische Bürgerkrieg ist vorbei, das Land befindet sich in einer Art Depression, die Menschen leben apathisch und zurückgezogen, flüchten sich in eskapistische Zustände: etwa Anas Mutter, die an einen fernen Geliebten, der niemals antwortet, Briefe schreibt. Oder ihr Vater, der sich den ganzen Tag nur mit seinem Bienenstock beschäftigt und diese Erlebnisse des Abends literarisch verarbeitet. Das tägliche Leben scheint wie ein Bienenstock zu funktionieren, jeder macht seine Arbeit, keiner beschwert sich. Und mitten drin die kleine Ana. Eines Tages wird im Dorfkino James Whales Frankenstein mit Boris Karloff gezeigt, und Anas Fantasie beginnt sich zu entfalten... Ein leiser und trotzdem unglaublich eindringlicher Film, den uns da Meisterregisseur Victor Erice, der in seinem ganzen Leben erst drei abendfüllende Spielfilme gedreht hat, serviert. – Anschließend Gespräch mit Dipl.Psych. Gisela Bergmann-Mausfeld.
So 27.

Kurdische Filme – mit Deutsch-Kurdischer Gesellschaft


Bêrîvan
Aydin Orak. Kurdistan 2010, ca. 50 Min. kurdische OmU.
Bêrîvan ist ein Dokumentarfilm über die blutigen Newrozfeiern im Jahre 1992, bei der 17 Menschen in Cizre und unzählige weitere in anderen Städten Kurdistans umgebracht und Hunderte Menschen verletzt wurden. Der Dokumentarfilm zeigt viele Originalaufnahmen von dem Widerstand der Bevölkerung. Dazu kommt die Frau zu Wort, die damals den Aufstand mit anführte – Bêrîvan.
Mo 7.

Wunschfilm – OmU


The Kids Are All Right
Lisa Cholodenko. USA 2010. 106 Min. OmU. Mit Julianne Moore, Annette Bening
Nic (die hervorragende Annette Bening) und Jules (die gleichfalls hervorragende Julianne Moore) leben zusammen mit ihren Kindern Joni und Laser in einem schönen Vororthaus in Los Angeles. Die Ärztin Nic ist etwas überarbeitet und trinkt vielleicht etwas viel. Jules ist leicht frustriert aber o.k. Zusammen mit Laser und Joni bilden beide jedoch alles in allem ein eingespieltes Team. Sobald es ihnen möglich ist, holen die Kinder trotzdem Erkundigungen über den Mann ein, der Nic und Jules einst als Samenspender diente. Dieser stellt sich als lebensfroher, sehr männlicher Bio-Restaurantbesitzer heraus. Und er ist – für ihn selbst überraschend – nicht uninteressiert an der neuen Bekanntschaft. Die Kinder umgibt eine Aura von Zusammenhalt und gegenseitiger Verantwortung, die den bislang unverbindlichen Paul durchaus anzieht. Die Komplikationen fordern bald ihren Tribut. Zwischen bitterem Ernst, Slapstick und melancholischer Heiterkeit changierend begeistert der Film, der seinen wunderbaren Darstellern viel Platz zum vergnüglichen brillieren lässt. Wir zeigen den Film noch einmal in der Originalversion mit Untertiteln.
Fr 25. 2. – Mi 2.3.

Hinter Mauern Hinter Gittern – mit Straffälligenhilfe SH



Ein Prophet
Jacques Audiard. F, I 2009. 155 Min. Mit Tahar Rahim, Niels Arestrup
Natürlich ist Malik El Djebena nicht unschuldig. Was genau er getan hat, bleibt ebenso offen wie weite Teile seines Hintergrunds. Narben im Gesicht, lange Striemen auf dem Rücken, die beiläufige Erwähnung einer Kindheit im Heim lassen nur ahnen, was Malik schon alles hinter sich hat, bevor er im Gefängnis landet. Hier herrscht ein korsischer Mafiapate namens Caeser Luciano, der Malik gleich für einen Rachemord auserwählt. Und kaum im Gefängnis angekommen, sieht sich Malik vor der Entscheidung, die sein Leben bestimmen wird. Aber ist es wirklich eine Entscheidung? Töten oder getötet werden, das ist seine Wahl und Malik entscheidet sich wie so viele in vergleichbaren Situationen fürs Töten. Am Ende muss man Malik wohl als Produkt des Systems sehen, dass sich nicht um seine Gefangenen kümmert. – Audiard predigt nicht, will nicht überdeutlich auf Missstände im Gefängniswesen hinweisen, sondern zeigt einen Teil der Gesellschaft einfach wie er ist. Dass er sich dabei aber auch nicht in einen scheinbaren Realismus flüchtet, sondern bewusst mit den Strukturen des Gefängnisfilm-Genres arbeitet, Maliks Geschichte zudem mit einigen mystisch-fantastischen Momenten überhöht, macht Ein Prophet so zu einem faszinierendem Film. Schonungslos und mitreißend.
Do 3.

Hunger
Steve McQueen. GB, Irland 2008. 96 Min. Mit Liam McMahon, Karen Hassan
Nordirland, Maze Prison, 1981: Die inhaftierten IRA-Mitglieder wollen endlich als politische Gefangene anerkannt werden; dabei greifen sie zu drastischen Mitteln. Sie wehren sich dagegen, Gefängniskleidung zu tragen, schmieren ihre Exkremente an die Wände ihrer Gefängniszellen, und als die britische Regierung weiterhin hart bleibt, beginnen sie mit einem Hungerstreik, der zum Tod von zehn Männern führt. Der britische Künstler und Filmemacher Steve McQueen hat einen kommerziellen Spielfilm produziert, der international viel Lob und Aufmerksamkeit (u.a. Filmpreise in Cannes, Sydney und Toronto) und ob seiner künstlerischen Qualitäten und seines mutigen Blicks auf sein Thema viele Respektsbekundungen auf sich ziehen konnte. Hunger ist vor allem eine eindrückliche, exemplarische Darstellung der Mechanismen von von Gefangenschaft, Herrschaft und Sadismus, in deren Licht sich unterschiedliche Konflikte und Situationen betrachten lassen. Mit seiner distanzierten Beobachtung des entgrenzten Ausnahmeszustandes im Gefängnis, der in aller Härte unverblümt präsentiert wird, schont der Film seine Zuschauer dabei nicht: Hier handelt es sich zweifelsohne um erschütterndes Kino.
Di 22.


Heinrich von Kleist (1777–1811)


Der zerbrochene Krug
Gustav Ucicky. D 1937. 100 Min. Mit Emil Jannings, Lina Carstens, Paul Dahlke
Ein Lüstling trieb in der letzten Nacht sein Unwesen, dabei ging ein Tonkrug zu Bruch. Nun muss Dorfrichter Adam einen Indizienprozess führen und den Schuldigen finden. Das wird unangenehm... Zum Kleist-Jahr zeigen wir diese zeitlos gelungene Adaption seines Lustspielklassikers. Emil Jannings brilliert in der Rolle seines Lebens, Lina Carstens, Elisabeth Flickenschild und Paul Dahlke glänzen in den Nebenrollen. Die Legende will wissen, dass Goebbels sich von Jannings’ Darstellung mit dem Klumpfuß parodiert gesehen und Schritte erwogen haben soll, den Ufa-Star los zu werden. Das aber war aufgrund Jannings’ unerhörter Popularität nicht möglich...
So 6.

KoKi Underground


Wild Hunt
Alexandre Franchi. Kan 2010. 91 Min. dt.Fs. Mit Mark Antony Krupa, Ricky Mabe
KoKi Underground präsentiert das Rollenspiel-Slasher-Movie Wild Hunt, das auf dem Fantasy Filmfest 2010 zum Publikumsfavorit avancierte. Erzählt wird die Geschichte von Erik, einem bei seinem geistig verwirrten Vater in Montreal lebenden jungen Mann mit isländischen Wurzeln. Gerade lief ihm seine Freundin Evelyn davon – sie schließt sich einer Gruppe von Liverollenspielern an, die jedes Wochenende ihre Begeisterung für mittelalterlich anmutende Fantasy-Welten in einem Abenteuergelände im Wald ausleben. Hier geht sie ganz auf in ihrer Rolle als Gespielin des mächtigen Schamanen Murtagh. Mit äußerstem Widerwillen rafft sich Erik dazu auf, das Gelände aufzusuchen. Doch so einfach ist das nicht: Wenn er mit Evelyn rsp. Prinzessin Evlynia sprechen will, muss er sich an die Regeln des Dekorum halten: also Kostüm an und unbedingt Sprachcode einhalten. Zum Glück trifft Erik seinen Bruder Björn, der hier als Wikingerfürst einiges zu sagen hat. Björn macht aus dem weichlichen Städter Erik einen kampfbereiten Wikinger. Jetzt muss er nur noch am Schamanen Murtagh vorbei, der davon gar nicht begeistert ist. Zunächst entfaltet sich der Minnestreit gemäß den Rollenspiel-Regeln. Aber bald schon vertauschen die Protagonisten ihre Gummiwaffen gegen schwereres Gerät. Und es entbrennt eine mörderische Hatz, die völlig aus dem Ruder läuft... KoKi-Underground meets Live-Rollenspiele. Damit verlassen wir also endgültig die Domäne von Verstand und Vernunft und lassen der Phantasie freien Lauf. Kommt also, ihr edlen Herren und hohen Frouwen, tut Eure Prunkgewänder an oder gürtet Euch zum Kampfe, denn von weinen und von klagen, / von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. – Vorab eine Kurzfilmüberraschung.
Mi 23.

60 Jahre Helgoland – zu Gast: Dr. Kurt Denzer


Wer befreite Helgoland? – Bombenziel in Friedenszeiten
Kurt Denzer, Thorsten Schmidt. 1992. 90 Min.
Am 1. März 1952 wurde Helgoland offiziell an die Bundesrepublik Deutschland zurückgegeben, nachdem es seit dem Zweiten Weltkrieg von den Engländern annektiert war. Der offiziellen Rückgabe ging die „Besetzung“ der Insel um Weihnachten 1950 voraus: Die beiden Studenten René von Leudesdorff und Georg von Hatzfeld sowie der Publizist Hubertus von Löwenstein betraten die Insel und hissten u.a. die Helgoländer Flagge. Im März 1951 beschloss der Deutsche Bundestag dann die Rückforderung der Insel. Während sich die offizielle Rückgabe erst 2012 zum 60sten Male jähren wird, gedenkt das KoKi dem „kleinen“, inoffiziellen Jubiläum, wozu wir die Dokumentation des Kieler Filmemachers Kurt Denzer zeigen.
Mi 30.