Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im August:

Open-Air-Kino zur Museumsnacht


Späße am Krankenlager
Mittlerweile ist es schon eine gute Tradition, dass das KoKi zur Langen Nacht der Museen im Hinterhof der Medizin- und Pharmaziehistorischen Sammlung der Universität Kiel Open-Air-Kino veranstaltet. Wie jedes Jahr präsentiert das Museum selten gezeigtes Fachgerät aus vergangenen Tagen, dem seinerzeit das Wohl der Patienten anvertraut wurde. Das KoKi zeigt dazu die entsprechenden Filme. Die Filmgeschichte ist zwar nicht übermäßig reich an turbulenten Szenen, die in Arztpraxen oder Krankenhäusern spielen (offenbar fanden die Drehbuchautoren zu allen Zeiten Friseursalons, Restaurants oder Polizeiwachen komischer), aber das ein oder andere Kabinettstückchen fand sich dennoch. Und so laden wir ein zur (Wieder-) Begegnung mit älteren und jüngeren Film- und TV-Helden, die sich in Wartezimmern, auf Zahnarztstühlen oder in Krankenbetten herumtreiben müssen – nicht immer zum eigenen Wohl oder dem ihrer Mitpatienten, mit Sicherheit aber zur Belustigung des Publikums. Merke: Schmerzen haben auch ihr Gutes!
Fr 26. 8. – ab 21:30

neu in Kiel


Die Vaterlosen
Marie Kreutzer. A 2011. 104 Min. Mit Andreas Kiendl, Andrea Wenzl, Emily Cox, Philipp Hochmair, Marion Mitterhammer, Sami Loris, Pia Hierzegger
Der Familienpatriarch liegt im Sterben. Die Familie versammelt sich von nah und fern kommend im alten Stammsitz. Jeder bringt sein neues Leben und alte Verwundungen mit. Das Drama nimmt seinen Lauf. Zugegeben, das ist nicht neu. Bei der zentralen Vaterfigur Hans, dessen Geist nach seinem Tod durch das große Landhaus schleicht und dessen Einfluss die unterschiedlichen Figuren schon immmer und immer noch bestimmt, handelt es sich jedoch nicht um die typischste Vaterfigur der Kinogeschichte. Als zentrale Figur einer Kommune, in der unter anderem seine Kinder zwischen nach Alternativen strebenden, sich frei liebenden Erwachsenen aufgewachsen sind, erscheint er in den Erinnerungen seiner Mitmenschen und den Rückblenden des Films als zwiespältige, mal autoritäre, mal defätistische, mal kraftstrotzende, mal gebrochene und oft unheimliche Präsenz. Geheimnisse umwehen die Vergangenheit. Eine zweite Tochter taucht am Totenbett auf, die mit ihrer Mutter die Kommune früh verlassen hatte. Ihre Schwester Mizzi kommt dem Ursprung ihrer neurologischen Störung auf die Spur. Die mitgereisten Familien und Freunde der Kinder erkennen immer mehr blinde Flecke und dunkle Schatten, von denen ihre Partner und Liebsten insgeheim bestimmt sind. „Für mich ein authentischer, persönlicher Film in lebendigen und farbigen Bildern, Farbe, die für die Erneuerung steht, auch wenn der Film mit einem sterbenden Mann beginnt. Ein sehr nah an den Figuren erzählter Film, aufgebaut auf ihrem Erleben, ihren Perspektiven.“ (Marie Kreutzer) Dass in Die Vaterlosen das Wagnis eingegangen wird, fast Kriminalfilmhaftes in das Porträt einer bewegten Zeit und seiner Protagonisten einzubinden, ist eine Stärke dieses wunderbar inszenierten Dramas. Eine andere ist das großartige Schauspielerensemble. Nuanciert agieren erfahrene Schauspieler und Jungstars des österrichischen Kinos inzwischen der atmosphärischen, sorgfältigen Ausstattung. Ton, Steine, Scherben klingen aus dem Küchenfenster in den lichtdurchfluteten Garten mit seiner großen Familientafel, doch weder Musik noch Sonne können das Dunkel gänzlich verdrängen. Tolles europäisches Kino.
Do 4. – Mi 10. 08.

Die Anonymen Romantiker
Jean-Pierre Améries. F/Bel 2010. 80 Min. dt. Fs. Mit Benoit Poelvoorde, Isabelle Carré, Lorella Cravotta, Lise Lamétrie, Swann Arlaud
Zu behaupten, dass Angélique schüchtern wäre, ist stark untertrieben: Die junge Dame fällt schon mal gern in Ohnmacht, wenn sie von Fremden angesprochen wird. Ihr Selbstwertgefühl geht gegen Null; sie stellt nicht nur ihr Licht beständig unter den Scheffel, sondern bleibt am liebsten ganz im Verborgenen. Deshalb ist sie – die arbeitslose Schokoladenmacherin – in eine Selbsthilfegruppe gegangen und absolviert mit den Anonymen Romantikern ein 12-Punkte-Programm zum Mutigwerden und zur Überwindung von Berührungsängsten. Jean-René ist ein alternder Fabrikant, dessen Lebenswerk vor dem Aus steht. Seine Pralinenmanufaktur ist beinahe pleite. Immerhin kann er es sich noch leisten, wegen seiner krankhaften Unsicherheit einen Psychologen zu konsultieren. Aber was nützt die schönste Therapie, wenn keine einzige Frau in Reichweite ist, um den Erfolg zu testen? Wie es der Zufall will, braucht Jean-René für seine Schokoladenfabrik dringend eine neue Vertreterin, die wieder Schwung in den Laden bringt. Und schon nehmen die Konfusionen ihren unaufhaltsamen Lauf: Angélique bewirbt sich bei Jean-René, ohne zu ahnen, dass sie keineswegs als Chocolatière engagiert wird. Und natürlich traut sie sich nicht, das Missverständnis aufzuklären, als sie es bemerkt. Denn der neue Chef ist ihr sympathisch, und als er sie auch noch – auf Anraten seines Therapeuten – zum Essen einlädt, willigt sie ein. In heller Panik sitzen die beiden Hasenfüße sich schließlich gegenüber. Sie sind füreinander bestimmt, und alle wissen es, außer dem Pärchen selbst... Diese zauberhafte und katastrophal endende Szene mit zwei panischen Tollpatschen gehört sicherlich zu den besten in einem Film, der seinen Hauptdarstellern viel Platz lässt, um in Details zu glänzen. Isabelle Carré spielt Angélique als anfangs stark verhuschtes Wesen. Von Minute zu Minute strahlt sie stärker und verwandelt sich schließlich in eine Art Schokoladenfee, die sowohl den Mann als auch die Fabrik vor dem Untergang rettet. Dass hier ein reizloser, älterer Herr die attraktive, junge Frau bekommen darf, wirkt allein durch die darstellerische Leistung von Benoit Poelvoorde einigermaßen glaubwürdig. Sein Jean-René ist leicht verstaubt und ziemlich altmodisch, aber sympathisch. Die übrigen Darsteller spielen den beiden Helden zu. Wie Angélique und Jean-René, die beiden um sich selbst kreisenden Angsthasen, schließlich zusammenfinden, ist hübsch anzusehen. Zugegeben: Ihre romantische Geschichte, die rund um feine Schokoladen kreist, ist zwar vorhersehbar, aber herzerwärmend. Die Dialoge sind effektiv und wenig geschwätzig. Ihr Charme beruht mehr auf den originellen Charakteren als auf einer ausgeklügelten Gag-Strategie. Für cineastische Feinschmecker gibt es eine Reihe von Filmzitaten, darunter sogar ein erfreuliches Wiedersehen mit „Sound of Music“. All das hebt den Film angenehm ab von sattsam bekannten, knalligen Beziehungskomödien mit durchgeknallten Teenies und hormonell herausgeforderten Jungs. Denn dies ist ein erwachsener Film für erwachsene Menschen, die hier umso mehr ihren Spaß haben werden.
Do 11. – Mi 31. 8.

Toast
S.J. Clarkson. GB 2010. 96 Min. dt.Fs. Mit Helena Bonham Carter
Nigel, Jahrgang 1958, kommt aus Mittelengland. Songs von Dusty Springfield, Miniröcke, Milchspeisung in der Schule, Dosengemüse zu Hause und verbrannter Toast prägen Nigels frühe Jugend. Mit neun Jahren erleidet Nigel das Trauma seines Lebens, die Mutter stirbt. Mrs. Potter kommt ins Haus. Ihr Putzfimmel geht Nigel auf die Nerven, aber sie kann besser kochen als die verstorbene Mutter. Für den Kochunterricht in der Schule kopiert Nigel ihre Rezepte, was der Stiefmutter nicht gefällt, denn nun bekommt sie Konkurrenz im Kampf um die Aufmerksamkeit des Hausherrn. Der wehrt sich vergeblich gegen die Überfütterung und stirbt. Jetzt hält Nigel nichts mehr zu Hause. Er findet seinen Weg in die professionelle Küche und wird zu einem der beliebtesten Köche Englands. Toast von S.J. Clarkson basiert auf der Autobiografie des beliebten englischen Autors und Kochs Nigel Slater und spielt in den 1960er Jahren. Der junge Nigel entdeckt das Kochen und die Sexualität. Glück und Tränen liegen in beiden Fällen eng beieinander. „Nigel is a bloody genius.” Sagt Jamie Oliver.
Do 18. – 24. 8.

Westwind
Robert Thalheim. D 2011. 90 Min. Mit Luise Heyer, Friederike Becht, Franz Dinda, Volker Bruch
Im Sommer des Jahres 1988 kommen die Ruderinnen Isabel und Doreen mit den Pionieren nach Ungarn, um in einem Ferienlager mit anderen Leistungssportlerinnen zu trainieren. Für die siebzehnjährigen Zwillinge aus der DDR ist dies die die erste Reise in das sozialistische Ausland. Am Balaton lernen sie die Hamburger Nico und Arne kennen. Etwas steif und ungelenk stehen die beiden vor den Wessis, schüchtern beäugen die autoritätshörigen Mädchen die fremden Sitten. Dennoch entwickelt sich Freundschaft, und aus einer leichten Sommerromanze zwischen Doreen und Arne wird schnell Liebe. Die beiden Schwestern setzen mehr und mehr aufs Spiel, um den Kontakt mit den Jungs aufrecht zu erhalten. Natürlich sind Kontakte mit den Westbürgern streng untersagt. Schließlich schlägt Arne eine gemeinsame Flucht in den Westen vor – eine gemeinsame Zukunft scheint anders gar nicht denkbar. Doreen muss sich nun zwischen der geliebten Schwester, die nicht bereit ist, die Heimat, das alte Leben, das Vertraute und Bekannte so einfach hinter sich zu lassen, und der neuen, großen Liebe, entscheiden. Durch die Konzentration auf das Persönliche, die Geschwisterliebe und das Versprechen der emphatischen Liebe gelingt es Robert Thalheim, einen Mauerfilm, der per se politisch sein muss, zu schaffen, dem wenig von der Ostalgie und dem Pathos vergleichbarer Projekte anhaftet. Dennoch mit offensichtlich großem Geschichtsbewusstsein erzählt Thahlheim, der sich mit den großartigen Spielfilmen Netto und Am Ende kommen Touristen bereits als Größe des zeitgenössischen deutschen Kinos etablieren konnte, eine bemerkenswerte Fluchtgeschichte, in der das anachronistische System der DDR, trotzdem es die Filmhandlung in einige Ferne rückt, elegant beobachtet und kommentiert wird.
Mi 25. 8. – Di 6. 9.

Filmwunsch


Four Lions
Christopher Morris. GB 2010. 97 Min. OmU. Mit Riz Ahmed, Kavyan Novak, Adeel Ahktar, Nigel Lindsay, Arsher Ali
Man kennt so was: Eine Handvoll junge Männer haben hochtrabende Ideen und stecken sich hohe – zu hohe – Ziele. Bei der Verwirklichung aber erweisen sich ihre Ambitionen als größer als ihre Fähigkeiten, diese umzusetzen. So auch die Four Lions in dieser – nicht unumstrittenen – britischen Komödie, die wir im Original mit Untertiteln zeigen: Omar, sein Kumpel Waj, der zum Islam konvertierte Barry und der meist schweigsame Fessal bilden eine Terrorzelle im englischen Sheffield. Ihr Ziel ist es, Tod und Zerstörung über die Ungläubigen zu bringen. Allein die nötigen Mittel dazu fehlen. Das beginnt schon mit dem peinlichen Ausflug in ein pakistanisches Terroristen-Camp, wo Omar und Waj nach einem folgenschweren Zwischenfall ihre Sachen packen und unverrichteter Dinge wieder abreisen müssen. Zurück im verhassten England beginnen sie schließlich mit der Planung für ein heimtückisches Selbstmordattentat. Bei einem Wohltätigkeits-Marathon wollen sie zuschlagen und ihren Ankündigungen endlich Taten folgen lassen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, immerhin sind Omar und seine Terroristen-Buddies allesamt blutige Anfänger. Aus Angst davor, entdeckt zu werden, verschlucken sie ihre SIM-Karten oder verstellen beim Kauf der Bomben-Zutaten ihre Stimme. Und zum Test des explosiven Gemischs müssen auch schon einmal unschuldige Tiere dran glauben. Four Lions schert sich keinen Augenblick um das, was man vielleicht nicht zeigen oder worüber man sich vielleicht nicht lustig machen dürfte. Das ist seine große Qualität, wobei die konsequente Auslassung jeder politischen Korrektheit allein noch keinen guten Film ergäbe. In den äußerst treffsicheren, mitunter mehr als schwarzen Pointen – so kommt es mehr als nur einmal zu todbringenden Missverständnissen und Verwechslungen – versteckt Regisseur Christopher Morris eine ziemlich clevere Dekonstruktion von religiösem Eifer und eines offenkundig gestörten Weltbildes. Obwohl hier auf den islamistischen Terror bezogen, lässt sich die Lesart des Films auf jedwede Art von Extremismus problemlos erweitern. In allen Fällen werden Menschen instrumentalisiert, indoktriniert und mit absurden Versprechungen manipuliert. Obgleich viele Szenen zu den ewigen Kabinettstückchen gezählt werden dürften, besteht Four Lions nicht allein aus lauten Gags. Erschreckend ist, wie selbstverständlich Omars Frau – eine Krankenschwester – den Plan ihres Mannes unterstützt. Sie versucht erst gar nicht, ihm die grausame und feige Tat auszureden. Es sind Beobachtungen wie diese, in die Morris schmerzhafte Wahrheiten über Verblendung und Fanatismus verpackt. Sein Film tritt selbstbewusst für einen säkularen Staat und eine freie Gesellschaft ein. Dass er dabei bis zum Ende sein hohes Tempo beibehält und überdies nie seinen Biss verliert, macht aus ihm eine uneingeschränkt sehenswerte Satire.
Fr 15. – Mi 20. 7.

The Tree of Life
Terrence Malick. USA 2011. 138 Min. dt. Fs. Mit Brad Pitt, Jessica Chastain, Hunter McCracken, Laramie Eppler, Sean Penn
Der Philosoph und Filmemacher Terrence Malick ist mit seinen kostbar-spärlich gesähten Regiearbeiten als einer der großen, verdienstvollen Exzentriker des amerikanischen Kinos anerkannt. Malicks Filme sind gleichzeitig Großproduktionen und Experimente, ästhetischer Genuss und sperrige Kontemplationen. Auch sein aktueller Film beschäftigt sich mit den existenziellen Fragen des Menschwerdens und Menschseins: Als ältester von drei Brüdern wächst Jack im Mittleren Westen der USA auf. Alles ist ganz normal. Der feinfühlige Jack ahnt jedoch schon als Kind, dass die schöne Fassade Risse bekommen hat, dass hinter dem schönen Schein tiefe Schatten zu finden sind. Hin- und hergerissen zwischen der sanften, empathischen Mutter (Jessica Chastain) und dem rigiden Vater (Brad Pitt), der seine Söhne auf den Wettkampf und die Härte der Erwachsenenwellt vorbereiten will, stürzt Jack in tiefe Zweifel. Konfrontiert mit Krankheit und Tod erscheint Jack die Welt immer mehr als dunkles Labyrinth ohne Sinn. Als Erwachsener (nun gespielt von Sean Penn) ist Jack eine verlorene Seele und sucht immer noch nach Halt und Gewissheit, nach dem großen Plan des Lebens, nach der angemessenen Rolle des Einzelnen im großen Ganzen. Ein tiefgreifendes Ereignis führt Jack schließlich auf den Pfad der Erkenntnis. Nach Der schmale Grat (The Thin Red Line) und The New World ist The Tree of Life von vielen Fans als Erfüllung eines großen Versprechens aufgenommen worden, Festivals und Presse sind begeistert, die Goldene Palme in Cannes gab es natürlich auch. „Man ist ganz einfach sprachlos ob der Schönheit und Eleganz dieses Kunstwerks.“ (Marcus Wessel, programmkino.de)
Do 28. 7. – Mi 3. 8.

mit CAU


Studentische Dokumentarfilme der CAU
Wir zeigen ein Programm aus kurzen Filmen, die im Rahmen des Seminars Wissenschaftliches Arbeiten mit der Kamera: Dokumentarfilm am Zentrum für Schlüsselqualifikationen (ZfS) der Christian-Albrechts-Universität entstanden sind. Die studentischen Filmemacher und Seminarleiter Dr. Till Dietsche werden anwesen sein.
Fr 12. 8.