Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im Dezember:

    
Die Mühle und das Kreuz
Lech Majewski. PL/S 2011. 92 Min. Mit Ch. Rampling, Rutger Hauer, Michael York
Im Jahr 1564 erhält Pieter Bruegel von dem reichen Antwerpener Kaufmann und Kunstsammler Nicolas Jonghelinck den Auftrag, die Kreuztragung Christi zu malen. Er nimmt den Auftrag an, doch will er nicht eine weitere von unzähligen Versionen der Passionsgeschichte liefern, sondern etwas Besonderes schaffen: ein Bild, das eine Vielzahl von Geschichten erzählt und das groß genug ist, hunderte von Menschen aufzunehmen. Aber vor allem soll die Kreuzigungsgeschichte nicht im Heiligen Land, sondern in seiner flämischen Heimat spielen. Also geht Bruegel zu den Menschen auf den Höfen, Feldern und Märkten, um nach diesen Geschichten in einem Land zu suchen, das unter spanischer Herrschaft steht und in dem die Inquisitoren erbarmungslos wüten. Er hält alles in seinen Skizzen fest und beginnt auf diese Weise, die Schicksale von unzähligen Menschen virtuos miteinander zu verflechten… Der Filmemacher Lech Majewski bezieht sich in seinem Film ausdrücklich auf die Interpretationen, die der Kunsthistoriker Michael Francis Gibson in seinem Buch The Mill and the Cross: Peter Bruegel’s Way to Calvary ausführt. In seinen Bildern erweckt Majewski die Figuren des Gemäldes buchstäblich zum Leben und erzählt deren Geschichte, das Gesamtwerk immer im Blick. Diese Verschmelzung von freier Spielfilmerzählung, fundierter Interpretation des Gemäldes und bildlicher Annäherung ist sicher ein besonderes Erlebnis. Aufregend wie immer auch Charlotte Rampling (hier in einer Hauptrolle), deren Porträt in diesem Monat der Dokumentarfilm The Look: Charlotte Rampling bei uns skizziert. Do 1. – Mi 7.

Im Weltraum gibt es keine Gefühle
Andreas Öhmann. S 2010. 85 Min. dt. Fs. Mit Bill Skorsgård, Martin Wallström, Cecila Forss
„Ich bin Simon. Ich habe Asperger. Ich mag den Weltraum, Kreise und meinen Bruder Sam, der sich immer um mich gekümmert hat. Gefühle, andere Menschen, Veränderungen und romantische Komödien mit Hugh Grant kann ich nicht ausstehen.“ Alles klar soweit? Im Weltraum gibt es keine Gefühle handelt vom 18jährigen Simon mit Asperger-Syndrom, dessen Leben durcheinander gerät, als sein Bruder Sam von dessen Freundin verlassen wird. Simon braucht feste Strukturen, um sich in seinem Alltag zurecht zu finden. Alles muss einem bestimmten Muster folgen – immer der gleiche Tagesablauf, die gleichen Mahlzeiten, die gleichen Klamotten – in wöchentlichem Rhythmus. Das hat Sam bisher immer erledigt, indem er zu Beispiel Essen in Kreisform gekocht und Simon geholfen hat, die Menschen zu verstehen. Aber Sam ist über die Trennung von seiner Freundin so deprimiert, dass alles ins Wanken gerät und Simons Welt ins Chaos stürzt. Damit alles wieder normal wird, macht sich Simon auf eine Mission: eine neue Freundin für Sam zu finden. Unglücklicherweise weiß Simon nichts von der Liebe und versteht auch nichts von Gefühlen, aber er hat einen wissenschaftlich todsicheren Plan. Regisseur Öhmann über seinen Film: „ Als ich die faszinierende, wundervolle Asperger-Welt entdeckte, wollte ich so einen Charakter auf die große Leinwand bringen. Simon und sein Universum gab uns die Möglichkeit, eine stark visuelle Welt mit einer anderen Art von Charakter zu erschaffen, komisch und schlicht und doch sehr komplex. Ich wollte einfach, dass der Film uns die Chance gibt, die Welt aus Simons Perspektive zu sehen. Das war nicht nur beim Filmemachen eine Herausforderung für mich, sondern lehrte mich viel über mich selbst und andere Menschen. Ich glaube, ganz tief sind in jedem von uns Asperger-Neigungen, mit denen wir sorgsam umgehen sollten. Sie machen uns besonders. Wie Simon. Ich hoffe Sie mögen ihn so, wie ich ihn mag. Do 1. – Mi 7.

Unter Schnee
Ulrike Ottinger. D 2011. 103 Min. Originalfassung, deutsch kommentiert
Es zählt zu den klimatischen Eigentümlichkeiten Japans, dass die eisigen Winterwinde, die über den asiatischen Kontinent heranwehen, von den hohen Bergen Japans aufgestaut werden und in der Provinz Echigo auf der Westseite zu überreichem Schneefall führen. Wenn dort dann die Häuser oft ein halbes Jahr vollkommen unter einer vier bis fünf Meter hohen Schneedecke verschwinden, müssen alle mit anpacken, um die Dächer von der Last zu befreien und Tunnel zu den Nachbarn zu graben. Teilweise liegen noch bis Anfang Juni meterdicke Eisblöcke auf den Feldern, die auseinandergefräst und abtransportiert werden müssen, damit Reis gepflanzt werden kann. Die harten Lebensbedingungen der Menschen in Echigo, an denen sich bis heute kaum etwas geändert hat, beschrieb der aus dieser Gegend gebürtige Kaufmann Bokushi Suzuki 1836 in seinem faszinierenden Reisebericht Hokuetsu Seppu (zu deutsch Schneeland Symphonie). – Die deutsche Filmemacherin und Fotografin Ulrike Ottinger hat sich in diese gewaltige Schneelandschaft begeben, um das Leben der Menschen dort mit ihren ganz eigenen Formen des Alltags, ihren Ritualen und Festen zu filmen. Sie wird begleitet von zwei Kabuki-Darstellern, die in den Rollen der Studenten Takeo und Mako den Spuren Suzukis und seines Buches Schneeland Symphonie folgen, um dabei die Gegenwart des Hier und Jetzt zu verlassen und in eine wundersame Fabelwelt der Edo-Zeit einzutreten. Die drei Elemente Kabuki, Poesie und Wirklichkeit des Schneelandes verbinden sich mit der Musik von Yumiko Tanaka zu einem bildkräftigen und bewegenden Film. Do 8. – Di 20.

The Future
Miranda July. D/USA 2011. 91 Min. Mit Miranda July, Hamish Linklater, David Warshofsky, Isabella Acres, Joe Putterlik
„In fünf Jahren werden wir 40 sein.“ „40 ist im Grunde doch 50. Und nach 50 ist alles nur noch Klimpergeld.“ Es sind Erkenntnisse dieser Art, die diese skurrile, gelegentlich ins Surreale schlagende Geschichte ins Rollen bringen. Sophie und Jason sind seit vier Jahren ein Paar. Sie teilen sich eine Einzimmerwohnung in L.A., eine Frisur und eine gewisse Schlaffheit, was das Leben betrifft. Er arbeitet lustlos bei einer Technik-Hotline, sie fühlt sich als Tanzlehrerin für Grundschüler unterfordert, aber beide ändern daran nichts. Ihr ehrgeizigstes Projekt ist die Aufnahme einer todkranken Katze aus dem Tierheim, der sie ein paar schöne letzte Wochen bereiten wollen. Doch dann informiert sie die Tierärztin, dass sie noch einen Monat warten müssen, bis sie die Katze mit nach Hause nehmen können.
Ein Monat, bevor die Verantwortung für ein anderes Wesen beginnt: Für Sophie und Jason bringt dieser Termin eine ungekannte Dringlichkeit in ihr Leben. Sie beschließen, bis dahin alles zu tun, was sie schon immer tun wollten. Und plötzlich steht das ganze Leben auf dem Prüfstand. – Miranda July verleugnet ihre Karriere als Performance-Künstlerin durchaus nicht: Immer wieder wird das an fantasievollen Wendungen deutlich, die die klassische Fiktion der Liebeskomödie brechen – vor allem dann, wenn die Katze spricht! Und das ist immer häufiger der Fall. Denn das Tier lässt sich zu manchen überdenkenswerten Monologen hinreißen. Do 8. – Mi 14.

Varieté
Ewald André Dupont. D 1925. Ca. 90 Min. Mit Emil Jannings, Lya de Putti
Kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis erzählt Huller seine Geschichte: einst war er ein gefeierter Trapezkünstler, nach einem Unfall jedoch konnte er nicht mehr auftreten. Als Betreiber einer jämmerlichen Schaubude fristet er sein Dasein, bis er die Tänzerin Bertha-Marie trifft. Er verfällt ihr, verlässt die Familie und stürzt sich erneut in ein aufregendes Artistendasein, das ihnen gemeinsam mit dem Artisten Artinelli große Erfolge einbringt. Doch als er erfahren muss, dass Bertha-Marie ihn betrügt, kommt es zum Unglück… Ein leidenschaftliches Kinostück, prall gefüllt mit Sensationen – physischen wie psychischen. Ein erlesenes Ensemble und eine rasante Kamera (Karl Freund) zeigen künstlerische Höchstleistungen. Dupont, Regisseur und Drehbuchautor aus der Künstlerschmiede von Erich Pommer, schuf hiermit seinen größten Filmerfolg – Hollywood wurde hellhörig, auch aus England kamen Angebote, und Dupont wechselte für einige Jahre ins Ausland. Der ganz große Ruhm wollte sich aber nicht einstellen, Dupont letzte Arbeiten waren schließlich billige Reißer. So 11., 20.30 Uhr

Die Eis-WG
Jens Dücker. D 2010. 45 Min.
Jeweils 15 Monate ist die neunköpfige Besatzung der deutschen Forschungsstation Neumayer in der Antarktis, davon neun Wintermonate im in völliger Isolation. Während der Vorbereitungszeit und in zwei antarktischen Sommern konnte der Hamburger Dokumentarfilmer Jens Dücker die Crew des Jahres 2006 begleiten. Es waren seine letzten Dreharbeiten. Die Fernsehfilme konnte er nach einem schweren Unfall nicht selbst fertig stellen. Mit dem Ergebnis waren alle Beteiligten unzufrieden. Fürs Kino gibt es nun erstmals die wahre Geschichte: Menschen, die unter extremen Bedingungen an einem Ort leben und arbeiten, der nicht mehr auf diesem Planeten zu liegen scheint. Di 13., 18.30 Uhr


Over Your Cities Grass Will Grow
Sophie Fiennes. F/NL/GB 2010. 105 Min. OmU.
Anfang der 90er Jahre verließ der Bildhauer, Maler und Allroundkünstler Anselm Kiefer Deutschland und zog in den Süden Frankreichs. In der Nähe des kleinen Städtchens Barjac bezog er die ehemalige Seidenfabrik La Ribaute, die er in den folgenden Jahren zu einem gigantischen Gesamtkunstwerk umbaute. Türme, Brücken, Tunnel, ein Amphitheater entstanden; Glas, Blei, Asche, Beton waren die archaischen Materialen, die er zu immer neuen Figurationen verarbeitete. Bevor Kiefer 2008 dieses Areal verließ und in Paris eine neue Phase seines Schaffens begann, ermöglichte er der britischen Dokumentaristin Sophie Fiennes auf dem Gelände zu drehen. Das Ergebnis ist dieser eindrucksvolle Film. Dankenswerterweise handelt der Film dabei tatsächlich von der Kunst Kiefers – oder besser: der Film erarbeitet sie sich. So steht am Anfang eine wortlose gut 15minütige Sequenz, in der die Kamera durch die Tunnel Ribautes gleitet, vorbei an Lichtschächten, Installationen, entlang der immer neu zu entdeckenden Wege, Kammern, der sich schon fast im Verfall befindenden Arbeit. Und so geht es weiter: Ganz ohne Kommentar, ohne Interviewfragen der Regisseurin, bleibt der Film ganz bei Anselm Kiefer. Und schafft es, die physische Qualität, das Organische von Kiefers Werk auf faszinierende Weise einzufangen. Mal steht Kiefer am Brennofen, in dem er Stapel von Büchern verbrennt, mal zerschmettern er und seine Assistenten Unmengen an Glas, zerstreuen Kiloweise Asche, hantieren mit Baggern und Kränen. Oft wirkt das Kiefersche Atelier mehr wie eine Fabrik als ein Raum, in dem hochkomplexe Kunst entsteht. In der Mitte des Films dann ein Gespräch zwischen Kiefer und dem Kunsthistoriker Klaus Dermutz, die auf höchstem Niveau über das Kiefersche Werk diskutieren. – Über euren Städten wird Gras wachsen. Eine Beschreibung der Vergänglichkeit allen Seins, der Erde, der Menschen und eben auch der von Kiefer erschaffenen Türme, Tunnel und Gebäude von La Ribaute. Do 15. – Sa 17.

Le Havre
Aki Kaurismäki. FI/F/D 2011. 93 Min. OmU. Mit André Wilms, Kati Outinen, Blondin Miguel, Laika, Jean-Pierre Darroussin, Elina Salo, Kuoc-Dung Nguyen, Evelyne Didi, Pierre Étaix, Jean-Pierre Léaud
Und wenn man glaubt es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Kaurismäki her. Der sonst so fatalistische Finne feiert im Flüchtlingsdrama „Le Havre“ das Gute, Wahre, Schöne und die Solidarität unter Menschen: Märchenhafte Weihnachtsstimmung, die auf dem Festival in Cannes von Presse und Publikum tosenden Beifall bekam. Die wunderbare Geschichte erzählt von einem ehemaligen Künstler, der als Schuhputzer mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt verdient. Durch Zufall trifft er auf ein Flüchtlingskind aus Afrika, das von der Polizei gesucht wird. Spontan hilft er dem Jungen, versteckt ihn und wird von den Nachbarn tatkräftig unterstützt. Selten wird die Leinwand so wunderbar schlicht und ergreifend zum Leuchten gebracht! „Klingt wie Sozialkitsch, ist aber so magisch und stimmungsvoll, dass am Ende nur ein Urteil bleibt: Gut, dass wir Aki wiederhaben!“ (stern) Do 22. – Mi 28.

Petrucciani
Michael Radford. F/D/I 2011. 103 Min. OmU.
Michel Petrucciani war ein außergewöhnlicher und einzigartiger Mensch. Das gilt sowohl für seine physische Verfassung als auch für sein außerordentliches musikalisches Talent. Dieser Film erzählt, wie Michel Petrucciani durch seinen unbezwingbaren Willen und seine starke Persönlichkeit zu Ruhm und Glück kam. Wenn die Definition von wahrer Größe etwas umschreibt, das scheinbar jenseits menschlichen Strebens liegt, dann gilt dies für Michel Petrucciani in höchstem Maße. Michel Petrucciani wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren und war als Erwachsener weniger als einen Meter groß. Auf seinem Weg zum international bejubelten Jazzmusiker musste er unglaubliche Hindernisse überwinden. Sein erstes professionelles Konzert gab er im Alter von 13 Jahren; ein rasanter Aufstieg folgte, bald spielte er an der Seite weltbekannter Jazzmusiker. Zu Lebzeiten verkaufte Michel Petrucciani mehr als 1,5 Millionen Alben weltweit und gab hunderte von Konzerten in den Hauptstädten rund um den Globus. „Michel Petrucciani – Leben gegen die Zeit“ vereint eine Fülle von Interviews und fesselndes Archivmaterial. Der Film erzählt die Geschichte eines Mannes, getrieben von dem unstillbaren Hunger nach Leben und nach allem, was das Leben zu bieten hat: Reisen, Frauen, Drogen, Kunst. Er erzählt die Geschichte einer Naturgewalt, eines extrem begabten Menschen, der zerstörerische Handicaps überwand, um ein musikalisches Genie zu werden. Do 29. – Fr 30.

zu Gast: Elisabeth Saggau, Ulrich Selle
Eine Synagoge für Bad Segeberg
Ulrich Selle. Deutschland 2011. 85 Min.
Die alte jüdische Gemeinde in Bad Segeberg und ihre Synagoge wurden 1938 von Nationalsozialisten zerstört. Die neue jüdische Gemeinde hat eine Vision: In einer verfallenen Mühle im Stadtzentrum soll eine neue Synagoge entstehen. Gemeinsam mit jüdischen Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion kämpfen die aus Weißrussland zugewanderte Ludmilla Budnikov und der deutsche Kripobeamte Walter Blender für den jüdischen Neuanfang in Schleswig-Holstein. – Langzeitporträt der bewegten Baugeschichte. Mi 14., 18.30 Uhr

KoKi Underground präsentiert
Die große H. P. Lovecraft’s Cthulhu-Nacht
Film, Lesung, Deko, Ãœberraschungen
unter anderem mit dem 2005er Stummfilmjuwel
The Call of Cthulhu
Andrew Leman. USA 2005. 47 Min. Stummfilm mit dt. Titeln. S/W.
Die bereits 1987 gegründete H. P. Lovecraft Historical Society, anfangs spezialisiert auf Live-Action Rollenspiele, produziert heute vornehmlich originale Hörspiele und Filme, die auf den Stoffen des amerikanischen Autors. Der Stummfilm The Call of Cthulhu ist ohne Zweifel die Großtat der Historical Society: Liebevoll und im Stile des Stummfilms der 1920er inszeniert, findet der Film schön-schreckliche Bilder für Lovecrafts Erzählung von Wahnsinn, archaischen Kulten und kosmischem Grauen – „In seinem Haus in R’lyeh (im Roten Salon; Anmerkung des Übersetzers) wartet träumend der tote Cthulhu.“ Weitere Infos unter www.diepumpe.de und kokiunderground bei facebook. Di 13., 21 Uhr

Mit Deutsch-Kurdischer Gesellschaft Kiel, Kudistansolidarität SH und Rosa-Luxemburg-Stiftung SH
38 – Achtunddreißig
Cayan Demirel. TR 2006. 67 Min. OmU.
Dokumentarfilm über die Niederschlagung der Aufstände in Dersim durch die türkische Armee und das bis heute andauernde Schweigen über die damaligen Ereignisse.
„Die Stimme des kollektiven Stilleschweigens und des Vergessens trägt den Titel ‚38‘. Diejenigen, die es überlebt haben, haben bevorzugt zu schweigen. Die tief verwurzelte Angst vor erneuten Repressalien trägt dazu bei, dass das erlebte Trauma aufrecht erhalten und kollektiv wie ein sorgfältig gehütetes Geheimnis im Verborgenen bleibt. Wir haben versucht, dieses Trauma durchlässig zu machen und zu einer geschichtlichen Berichtigung und Aufarbeitung beizutragen.“ (Nuri Aslan) Mi 7., 18.30 Uhr

Mit Deutsch-Indischer-Gesellschaft
Kabiluwala
Tapan Sinha. Indien 1957. 116 Min. Nach einer Erzählung von Rabindranath Tagore.
Der afghanische Händler Rehmat verlagert seine Geschäfte nach Kalkutta und freundet sich mit dem kleinen Mädchen Mini an, die ihn an seine Tochter erinnert, die er in der Heimat zurücklassen musste. Als er fast genug Geld erarbeitet hat, um nach Kabul zurückkehren zu können, weigert sich ein entscheidender Geschäftspartner ihn zu bezahlen. Als dieser Rehmat zudem beleidigt, ersticht letzterer ihn in einem Anfall von blinder Raserei und wird zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung sucht Rehmat das Mädchen Mini wieder auf, die nun als Vierzehnjährige kurz vor ihrer Hochzeit steht. Als diese ihn nicht mehr wiedererkennt, muss Rehmat realisieren, dass ihm auch die eigene Tochter fremd geworden sein wird. Minis Vater ist jedoch bereit, dem gebrochenen Mann zu helfen und schickt diesen auf die Heimreise zu seiner Tochter. Der Film basiert auf einer Erzählung des indischen Schriftstellers, Philosophen und Künstlers Rabindranath Tagore (heute R. Thakur). Vor der Aufführung des Films wird aus So 11., 17 Uhr


Rosa Linse präsentiert: L-Filmnacht
Das traurige Leben der Gloria S.
Ute Schall, Christine Groß. D 2011. 75 Min. dt. Fs. Mit Nina Kronjäger, Christine Groß, Margarita Broich, Inga Busch, Susan Todd, Tina Pfurr
Filmregisseurin Charlotte hat eine künstlerische Krise - also will sie mal einen richtig politischen Film machen und tief in das Leben sozial benachteiligter Frauen eintauchen. Auf der Suche nach einer alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin lernt sie Gloria Schneider kennen, die auf den ersten Blick ein ideal trauriges Leben zu führen scheint. Was Charlotte nicht weiß: Gloria Schneider ist eine (mäßig erfolgreiche) Off-Theater-Schauspielerin, die beim Casting ihre wirklich prekär lebenden Mitbewerberinnen mühelos mit einer falschen Lebensgeschichte an die Wand spielt und sich Charlotte schnell als Idealbesetzung empfiehlt.
Aber wirklich gut geht es Gloria tatsächlich nicht: das Geld ist knapp, die Freundin genervt und ihre Theatergruppe alles andere als talentiert. Gloria braucht diesen Film und Charlotte eine traurige Heldin - also wird gedreht, bis der Schwindel auffliegt... Der Film ist eine durchgeknallte, bitterböse Komödie über starke Frauen in der Krise, zwischen Glamour und Hartz IV, Kunst und Katastrophen, schlechtem Theater und dem harten Leben. Die Regisseurinnen Ute Schall und Christine Groß wissen als Mitglieder der Filmgruppe hangover ltd. und des Ensembles von René Pollesch an der Berliner Volksbühne genau, wovon sie erzählen! Sa 10., 18.30 Uhr

Rosa Gay-Night
Off Beat
Jan Gassmann. CH 2011. 95 Min. Schweizerdeutsches OmU. Mit Hans-Jakob Mühlethaler, Manuel Neuburger, Domenico Pecoraio, Vesna-Maria Garstick, Marlise Fischer, Antonio Giello.
Lukas schwebt mehr, als er lebt. Als Rapper ist ihm der Durchbruch nicht gelungen. Drogen und Alkohol helfen ihm nur scheinbar darüber hinweg. Dass er mit seinem Musikproduzenten Mischa eine turbulenten Liebesbeziehung hat, soll niemand wissen. Lukas’ 16-jähriger Bruder Sämi schämt sich für ihn. Er ist selbst ein Rap-Talent und wartet darauf, Lukas’ Platz einnehmen zu können - auch bei Mischa. Auf der Bühne kommt es zum Wettkampf der Brüder, den Sämi gewinnt. Lukas schwankt zwischen Eifersucht und Sorge um seinen kleinen Bruder. Seine eigene Geschichte scheint sich zu wiederholen. Jan Gassmann, dessen aufwühlender Dokumentarfilm Chrigu 2007 auf Festivals begeisterte, war mit seinem Spielfilm-Debüt Off Beat 2011 im Berlinale Panorama zu Gast. Was sich zunächst wie ein reißerischer Film über Schwulsein im Hiphop-Milieu anhört, ist in Wirklichkeit eine zutiefst bewegende Geschichte über zwei Brüder, die lernen müssen, gemeinsam zu sich selbst zu finden. Die Musik für den Film stammt von der bekannten Schweizer Hiphop-Band Mundartisten. Fr 9., 18.30 Uhr

Rosa Linse Weihnachts-Special
Verschwörung im Berlin-Express
Peter Dalle. S 2004. 100 Min. dt. Fassung. Mit Gustaf Hammarsten, Magnus Roosmann
Kalt ist es im Winter 1945. Aber damals fuhr die Bahn auch bei Schnee und Eis. Im Express von Stockholm nach Berlin geht es heiß her: Was will der erfolglose Schriftsteller in Deutschland, und plant da wirklich ein Arzt mit seiner Geliebten den Gattinnenmord? Wie echt sind die beiden Nonnen, und was treiben die ältlichen schwulen Herren? Inspiriert von Der Fremde im Zug und Mord im Orientexpress erzählt Dalle eine urkomische Thrillerparodie. Mi 21., 20.30 Uhr


Psychoanalyse und Film. Mit John-Rittmeister Institut Kiel
Ein Engel an meiner Tafel
Jane Campion. NZ/AUS/GB 1990. 158 Min. dt. Fs. Mit Kerry Fox
Das biografische Drama der anerkannten Regisseurin Jane Campion (Das Piano, The Portrait of a Lady, In The Cut) erzählt von der Leidensgeschichte der 1924 geborenen neuseeländischen Schriftstellerin Janet Frame. Die schüchterne, aus ärmlichen Verhältnissen stammende Janet (als Erwachsene: Kerry Fox) ist schon als Kind eine Außenseiterin. Sie flüchtet sich in Gedichte und Märchenwelten. Ihre Erfahrungen als Lehrerin treiben sie immer tiefer in die Einsamkeit. Janet kommt in die Psychiatrie. Dort wird ihr fälschlicherweise Schizophrenie diagnostiziert, und sie wird mit Elektroschocks behandelt. Eindrucksvoll wird ein langer Befreiungsprozess geschildert. Janet Frame zählt heute zu den wichtigsten Autorinnen Neuseelands. Der Film bezieht sich auf ihre zwei autobiographischen Romanwerke Ein Engel an meiner Tafel (1984) und Der Gesandte aus der Spiegelstadt (1984), sowie ihre Autobiographie To the Is-Land (1982). Im Anschluss Gespräch mit Diplompsychologin Gisela Bergmann-Mausfeld. So 4., 17.30 Uhr

Brand
Thomas Roth. A/D 2010. 110 Min. Mit Josef Bierbichler, Denis Moschito, Angela Gregovic, Erika Deutinger, Manuel Ruby
Der Schriftsteller Brand (Josef Bierbichler) kämpft mit Geldnot und Schreibblockade, während er das Ringen mit dem Tod seiner kranken Ehefrau im Krankenhaus mit der Kamera festhält. Er beginnt eine Affäre mit der Krankenpflegerin Angela und überschreitet damit in eine unberechenbare Gefahrenzone. Schon bei ihrem ersten Treffen wird das neue, ungleiche Paar von Philip beobachtet. Letzterer ist ein Kollege des Polizisten Celik, und der, so bemerkt Philip, wird sicher danach trachten, Brand zu entmannen. Tatsächlich entpuppt sich Celik als sadistischer Rächer, der Brand immer weiter in die Enge treibt. Bald ist das Leben Brands von psychischer und physischer Gewalt, von Lügen, Sex und Intrigen geprägt. Ein tödlicher Sog hin zum Showdown entwickelt sich, dem sich Brand bald nicht mehr entziehen kann. Thomas Roth hat mit Brand einen „Schwarz-Weiß-Film in Farbe“ (Roth) realisiert, einen düsteren, dramatischen Thriller, der sowohl modern erscheint, Anklänge an den amerikanischen Film-Noir aufweist und mit einer originellen Prise österreichischen Lokalkolorits gewürzt ist. Insbesondere Josef Bierbicler zieht hier – wieder einmal – alle Register. Selbst wenn einige andere der Darsteller neben seiner Show zu verblassen drohen: Dieses Spektakel macht einfach Spaß. Roth schert sich nicht um eine Zuordnung zum Genrekino einerseits und zum Autorenfilm andererseits. Brand steht groß und breit zwischen den umgekippten Stühlen und sieht dabei ganz gut aus. Do 15. – Mi 21.


Wader Wecker Vater Land
Rudi Gaul. D 2011. 90 Min. Mit Hannes Wader und Konstantin Wecker
Hannes Wader und Konstantin Wecker gemeinsam unterwegs durch Deutschland: zwei Gesichter in Nahaufnahme, beide über sechzig, beide mit Narben, in denen sich Geschichte und Geschichten spiegeln. Beide leben inzwischen bürgerlich, haben Familie – und singen mit Mitte 60 immer noch von Revolution und Rebellion. Wader, der früher als RAF-Sympathisat gescholtene ehemalige Kommunist konnte mit Wecker, dem anarchischen Genussmenschen lange Zeit nicht viel anfangen. Nun, nach schweren persönlichen Krisen, gehen sie gemeinsam auf Tournee: Der norddeutsche Liederbarde trifft auf den bayerisch-barocken Klavierkünstler; unterschiedlicher könnte ihre Art, Musik zu machen, kaum sein – und so müssen sich die Beiden auf der Bühne erst finden, bis im Laufe der Tour aus den anfänglichen Gegensätzen der eigentliche Reiz ihrer Auftritte entsteht. Der Film begleitet nicht allein die beiden Musiker in den Proberaum und auf die Bühne, mit Hilfe von Archivmaterial und Interviews skizziert er zudem die einzigartigen Karrieren und Leben dr beiden Männer. Do 22. – Mi 28.

Ich reise allein
Stian Kristiansen. N 2011. 94 Min. dt. Fs. Mit Rolf Kristian Larsen, Amina Eleonora Bergrem, Pål Sverre Valheim Hagen, Ingrid Bolsø Berdal, Trine Wiggen, Marte Opstad, Marko Kanic, Gustaf Hammarsten
Jarle fühlt sich in seiner Studentenwohnung zwischen Kippen, Kaffee und Büchern recht wohl. Sein Leben kreist um Literaturtheorie, Partys und Affären. Es herrscht Chaos, in dem doch alles seine vertraute Ordnung hat. Eines Morgens erhält Jarle jedoch einen Brief, der alles in Frage stellt. Ihm wird offenbahrt, Vater einer siebenjährigen Tochter zu sein. Die Mutter, eine ehemalige Affäre Jarles, will nach all den Jahren doch noch einmal Urlaub machen und schickt die kleine Charlotte Isabel kurzerhand für eine Woche zu dem ihr noch unbekannten Vater. Nicht nur Jarl ist zunächst überfordert. Auch >Lotte< ist wenig begeistert, ihren siebten Geburtstag ohne ihre Mutter bei ihm zu feiern. Die Rolle des Vaters und Erziehers weist Jarl dann auch erst einmal von sich – sie passt einfach nicht zu ihm. Doch während seine Freunde über die Macht der Biologie und des Schicksals philosophieren, und er beginnt, den Geburtstag vorzubereiten, wächst ihm das Mädchen mehr und mehr ans Herz. Als Charlottes Mutter dazu kommt, erinnert er sich schließlich, was ihn einst so an ihr faszinierte. So konventionell die Geschichte der sympathischen Tragikomödie bisweilen erscheinen mag, so unkonventionell schräg erscheint der Film an anderer Stelle. Das Team von Der Mann, der Yngve liebte bringt mit dieser 90er Jahre-Hommage einen wunderbaren Feel-Good-Film ins Kino, der in der Gewissheit, das letztlich alles gut werden kann, von Irrungen und Wirrungen, Wut, Hoffnung und Liebe erzählt, während Bands wie die Pixies, Pulp und The Sundays auf dem Soundtrack ihre Lieder davon singen. Do 29. – Fr 30.

Schon wieder? Na klar!
Wer hat Tante Ruth angezündet?
Curtis Harrington. GB 1972. 91 Min. OmU. Mit Shelley Winters
Nicht religiös? Von der Familie losgesagt? Keine Freunde? Und dennoch gibt es noch einen Grund, sich über das alljährliche Weihnachtsfest zu freuen – das alljährliche Tante Ruth-Fest im KoKi. Wir geben ein Glas aus und erzählen die alte Geschichte. Und die geht so: Die wohltätige Tante Ruth lädt Waisenkinder in ihre große Villa, damit sie das Weihnachtsfest nicht im viktorianisch-finsteren Heim begehen müssen. Aber den lieben Kleinen spukt das Märchen von Hänsel und Gretel im Kopf herum. Und Tante Ruth hat ein Geheimnis, kostbare Diamanten und einen großen Backofen… Feiern Sie mit uns den Jahresabschluss schwarz-englisch! So 18., 20.30 Uhr