Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im Januar:
Detailliertes Programm hier.

Film des Monats – mit der Deutsch-Indischen Gesellschaft


Live aus Peepli
Anusha Rizvi. Indien 2010. 104 Min. OmU. Mit Omkar Das Manikpuri, Raghubir Yadav, Shalini Vatsa
Erzählt wird die tragikomische Geschichte des Bauerm Natha, der mit seiner Familie ein Stück Farmland in Peepli bewirtschaftet, einer Gegend, die von Armut und präindustriellen Agrarstrukturen bestimmt ist. Natha und sein Bruder flüchten sich eher häufiger als selten in den Alkohol, während das Damoklesschwert der Zwangsversteigerung ihrer Farm über den Häuptern der Familie hängt. Schließlich denkt Natha darüber nach, Selbstmord zu begehen, um seiner Familie mit der Kompensationsvergütung zu helfen. Nachdem ein Lokalreporter Wind von diesem Plan bekommt, zieht die Geschichte ihre Kreise. Die großen Fernsehsender fallen ein, um den Selbstmörder zu interviewen und womöglich spektakuläre Bilder von dessen Selbsttötung einzufangen. Doch nicht nur das Fernsehen, auch die Politik interessiert sich für Nathas Schicksal. Die regierende Partei kann es sich nicht leisten, dass sich ein Bauer aus Verzweiflung live im Fernsehen umbringt, während Vertreter der Agrargemeinschaft den Plan aushecken, Natha zu entführen und die Opposition zu erpressen, denen ein verarmter Selbstmörder gerade recht käme. Schließlich gibt es einen Toten, eine Verwechslung und eine explodierende Scheune. Ein Film voll überraschender Wendungen, Tragik und bösem Humor, der als cleverer Politkommentar Bestand haben wird. So 29., 18.30 Uhr

neu in Kiel


Ich reise allein
Stian Kristiansen. N 2011. 94 Min. dt. Fs. Mit Rolf Kristian Larsen
Jarle fühlt sich in seiner Studentenwohnung zwischen Kippen, Kaffee und Büchern recht wohl. Sein Leben kreist um Literaturtheorie, Partys und Affären. Es herrscht Chaos, in dem doch alles seine vertraute Ordnung hat. Eines Morgens erhält Jarle einen Brief, der alles in Frage stellt. Ihm wird offenbart, Vater einer siebenjährigen Tochter zu sein. Die Mutter, eine ehemalige Affäre Jarles, will nach all den Jahren doch noch einmal Urlaub machen und schickt die kleine Charlotte Isabel kurzerhand für eine Woche zu dem ihr noch unbekannten Vater. Nicht nur Jarle ist zunächst überfordert. Auch Lotte ist wenig begeistert, ihren siebten Geburtstag ohne ihre Mutter bei ihm zu feiern. Die Rolle des Vaters und Erziehers weist Jarle dann auch erst einmal von sich – sie passt einfach nicht zu ihm. Doch während seine Freunde über die Macht der Biologie philosophieren und er beginnt, den Geburtstag vorzubereiten, wächst ihm das Mädchen mehr und mehr ans Herz. Als Charlottes Mutter dazu kommt, erinnert er sich schließlich, was ihn einst so an ihr faszinierte. So konventionell die Geschichte der sympathischen Tragikomödie bisweilen erscheinen mag, so unkonventionell kommt der Film an anderer Stelle daher. Das Team von Der Mann, der Yngve liebte bringt mit dieser 90er Jahre-Hommage einen wunderbaren Feel-Good-Film ins Kino, der in der Gewissheit, das letztlich alles gut werden kann, von Irrungen und Wirrungen, Wut, Hoffnung und Liebe erzählt, während Bands wie die Pixies, Pulp und The Sundays auf dem Soundtrack ihre Lieder davon singen. Do 29. 12. – Mi 11. 1.

Michel Petrucciani – Leben gegen die Zeit
Michael Radford. F/D/I 2011. 103 Min. OmU.
Filmisches Porträt des französischen Jazzpianisten Michel Petrucciani (1962–1999). Petrucciani wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren und war als Erwachsener weniger als einen Meter groß. Auf seinem Weg zum international bejubelten Jazzmusiker musste er unglaubliche Hindernisse überwinden. Sein erstes professionelles Konzert gab er im Alter von 13 Jahren; ein rasanter Aufstieg folgte, bald spielte er an der Seite weltbekannter Jazzmusiker. Zu Lebzeiten verkaufte Michel Petrucciani mehr als 1,5 Millionen Alben weltweit und gab Hunderte von Konzerten in den Hauptstädten rund um den Globus. Michel Petrucciani – Leben gegen die Zeit vereint Interviews und fesselndes Archivmaterial. Der Film erzählt die Geschichte eines Mannes, getrieben von dem unstillbaren Hunger nach Leben und nach allem, was das Leben zu bieten hat: Reisen, Frauen, Drogen, Kunst. Er erzählt die Geschichte einer Naturgewalt, eines extrem begabten Menschen, der zerstörerische Handicaps überwand, um ein musikalisches Genie zu werden. Do 29. 12. – Mi 4. 1.

Chinese zum Mitnehmen
Sebastián Borensztein. E/Arg 2011. 93 Min. Mit Ricardo Darin, Ignacio Hung
Ricardo Darin dürfte vielen Filmfreunden aus In ihren Augen bekannt sein. In Chinese zum Mitnehmen mimt er den schwermütigen und einsamen Metallwaren-Händler Roberto. Das einzige was ihn ernsthaft aufregt, sind die ungenauen Schrauben-Lieferungen. Jede einzelne wird gezählt, nie stimmt das Ergebnis mit den Angaben überein. So geht es Tag für Tag – bis ihm der junge Chinese Jun zufällig über den Weg läuft. Er ist erst kurze Zeit in Argentinien, scheint in Not zu sein, kann aber kein Spanisch und Roberto kein Chinesisch (das hier auch nicht untertitelt wird). Trotzdem nimmt Roberto den geheimnisvollen Chinesen unter seine Fittiche, um mit ihm dessen Verwandte ausfindig zu machen. Damit beginnt eine, zuerst widerwillige Annäherung, eine Überwindung sprachlicher und kultureller Hürden, die beiden Einzelgängern allmählich neue Wege zu einem glücklicheren Leben ebnen könnte. Oder anders ausgedrückt: Sie bemühen sich, aus ihrer Isolation heraus kommen. – Man fühlt sich an die Stilistik eines Aki Kaurismäki erinnert. Spärliche Dialoge, trockener Humor – genauestens platziert, Komik, die sich mit melancholischen Sequenzen mischt. Kurios ist die Einführungsszene, bei der in China eine Kuh vom Himmel herab auf das Boot eines Liebespaares fällt. Erklärt wird das nicht – vielleicht ein Symbol für die Fremdheit? Wie auch immer – der Film bezieht sich auf eine wahre Begebenheit. In Ostasien soll tatsächlich eine Kuh vom Himmel gefallen sein. Do 5. – Sa 14.

Kriegerin
David Wnendt. D 2011. 103 Min. Mit Alina Levshin, Jella Haase, Gerdy Zint
Die Anfangssequenz dieses Debütfilms legt den Finger in viele Wunden des bundesdeutschen Alltags: Ein Nahverkehrszug in der Provinz, mitten drin eine entfesselte Horde jugendlicher rechtsradikaler Schläger, die Fahrgäste bedrohen und verprügeln und den Schaffner aus dem Zug schmeißen. Unter ihnen Marisa, die sich selbst Kriegerin nennt. Wenn ihr jemand dumm kommt, schlägt sie zu. Sofort. – Marisa, ihr Freund Sandro und die anderen der Gruppe sind mit Nazi-Symbolen tätowiert, berauschen sich mit Alkohol und an brachialer, rechtsradikaler Musik, hängen ab oder fahren mit dem Auto durch die ostdeutsche Provinz. Als sie sich von zwei afghanischen Asylbewerbern gestört fühlen, provozieren sie die beiden Jungs. Die flüchten, wobei einer von ihnen den Seitenspiegel von Marisas Auto abbricht. Da eskaliert die Geschichte. Das löst bei der jungen Frau einen allmählichen Umdenkungsprozess aus. – Kriegerin ist ein provokanter Film, der uns drastisch vor Augen führt, was Rechtsextremismus mit Menschen macht, wie sie sich verändern, verrohen, nur noch hassen können, ohne jegliche Perspektive. Das gilt nicht nur für junge Leute. Rechtes Gedankengut ist schon längst bis in die Mitte der Gesellschaft gelangt und paradoxerweise ist die Ausländerfeindlichkeit dort am größten, wo der Ausländeranteil am geringsten ist. Regisseur Wnendt führt uns deshalb ganz nah ran, wählt den halbdokumentarischen Stil, meist mit der Handkamera. Aggressivität pur, unvermittelte Ausbrüche, Gnaden- und Gedankenlosigkeit in aller Direktheit und eindrucksvolle Charakterzeichnungen. Kriegerin ist eine neue kleine Perle des deutschen Films, der man ein größeres Publikum wünscht. Do 19. 1. – Mi 1. 2.

Die Reise des Personalmanagers
Eran Riklis. Israel/D/F 2010. 103 Min. dt., teilweise OmU. Mit Mark Ivanir
Regisseur Eran Riklis (Lemon Tree) erzählt die Geschichte der Rückführung eines Sarges von Jerusalem nach Osteuropa – eine ziemlich bizarre und von grotesken Komplikationen bestimmte Reise. Am Anfang steht das Opfer eines Selbstmordattentats in Jerusalem. Als der Arbeitgeber jene getötete Yulia nicht in angemessener Frist bestatten lassen kann, zettelt ein Journalist eine Schmutzkampagne an. Dem Personalmanager des kleinen Betriebes bleibt nichts übrig, als die Sache mit der Beerdigung selbst in die Hand zu nehmen. Und das, obwohl er in seiner eigenen Familie genügend Baustellen zu versorgen hätte... Dies ist der Beginn einer irrwitzigen Geschichte, die ihre Komik vor allem aus ständig neuen, kleineren und größeren Katastrophen bezieht, die mit unausweichlicher Logik immer tiefer ins Desaster führen. Es geht einfach alles schief, der Mensch kann planen, soviel er will, und macht doch alles immer schlimmer. Aber Tragik und Komik liegen bekanntlich dicht beieinander. Übrigens: Nur die Tote trägt einen Namen, die handelnden Personen bleiben namenlos. Auch Yulias Herkunftsland wird nicht näher bezeichnet – Nation und Nationalität sind unwichtig. Auf diese Weise wird das Publikum genauso irritiert wie der Protagonist, der sich als Fremder in einem fremden Land zurechtfinden muss. Do 26. 1. – Mi 1. 2.

Film und Diskussion – mit Petze und Kriminalpolizei Kiel


Poliezei
Maïwenn. F 2011. 127 Min. dt.Fs. und OmU. Mit JoeyStarr, Maïwenn
Nicht wenige Festivalbeobachter waren überrascht, als Jurypräsident Robert De Niro beim diesjährigen Filmfest in Cannes das französische Polizeidrama Polisse der Schauspielerin und Regisseure Maïwenn mit dem Großen Preis der Jury ehrte – kommt hier doch ein eher „kleiner“ und unbequemer Film daher. Der kindliche Rechtschreibfehler im Filmtitel (ins Deutsche mit Poliezei übertragen) reißt bereits die Thematik an: Es geht um Kinder, genauer gesagt um Kindesmisshandlung in all ihren Schattierungen. Erzählt wird allerdings nicht, zumindest nicht primär, aus der Perspektive der Kinder, sondern aus der Perspektive einer Einheit der Pariser Jugendschutzpolizei. Immer wieder werden die Beamten mit schweren Misshandlungen, Vernachlässigungen, Zwangsverheiratungen und sexuellen Übergriffen konfrontiert. Aber mehr als das betroffene Kind aus der aktuellen Situation herausholen, können sie nicht; allzu bald gilt es, die Opfer in ungewisse, wenig glückliche Schicksale zu entlassen. Dass das Privatleben der meisten Kollegen darunter leidet, ist beinahe selbstverständlich. In diese aufgeladene Situation bricht die engagierte Fotografin Melissa ein, als sie die Erlaubnis zu einer Reportage über die Arbeit der Jugendschutzpolizei erhält. Allmählich baut Melissa, die eigentlich nur die Position einer stillen Beobachterin einnehmen soll, eine persönliche Beziehung zu den Beamten auf. Gerade der aufbrausende, temperamentvolle Fred hat ihr Interesse geweckt... Im allgemeinen Kinobetrieb ging dieses sensible Drama Ende Oktober unter. Gemeinsam mit dem Präventionsbüro PETZE und dem K 11 der Kieler Kriminalpolizei präsentieren wir diesen Film, am 15. 1. mit anschließendem Gespräch. Mo 16. – Mi 18.

Stummfilm mit Musikbegleitung – am Klavier: Werner Loll


Madame Dubarry
Ernst Lubitsch. D 1919. ca. 110 Min. Stummfilm. Mit Pola Negri, Emil Jannings
Paris zur Zeit Ludwigs XV: Die hübsche junge Frau Jeanne arbeitet in einem Modesalon. Trotzdem sie eine Bindung mit dem Studenten Armand eingegangen ist, gibt sie auch dem Werben des spanischen Gesandten Don Diego nach. Während Armand in Folge eines tödlichen Duells mit Don Diego verhaftet wird, hat Jeanne bald einen neuen Liebhaber: den Grafen Dubarry. Später wird sie die Mätresse des Königs, heiratet aber einen weiteren Dubarry. Als Adlige und Mätresse des Königs ist sie nun zu einer der mächtigsten Frauen des Landes aufgestiegen. Sie veranlasst die Freilassung Armands und dessen Anstellung als Offizier. Als dieser seine ehemalige Geliebte jedoch als die Madame Dubarry erkennt, schließt er sich der revolutionären Bewegung der Republikaner an. Schließlich hat er den Vorsitz bei Madame Dubarrys Verurteilung. Sie soll hingerichtet werden, doch Armand versucht noch in letzter Sekunde, sie zu retten… Madame Dubarry stellt die bis dahin teuerste deutsche Filmproduktion dar. Meisterhaft erscheint hier die Montagekunst des Regisseurs, die Inszenierung der Massenszenen, der Umgang mit den großen Dekors. Zu dem enormen zeitgenössischen Erfolg des Films dürften zudem die Zugkraft der bewährten Schauspieler Pola Negri und Emil Jannings beigetragen haben. Ernst Lubitschs Kombination von Liebesdrama und Revolutionsthematik wurde im nachrevolutionären Deutschland und noch viele Jahre später als unglücklich, wenn nicht gar als skandalös gesehen und erscheint auch heute zumindest kurios. Das Publikum hingegen liebte das große Entertainment und Lubitschs Personenzeichnungen, die immer komplex, oft satirisch und immer auch liebevoll daherkommen, über alle Maßen. So 15., 20.30 Uhr

Premiere – mit der Filmwerkstatt der Filmförderung HSH


Gudrun Wassermann. D 2011. 70 Min.
Die Kieler Künstlerin Gudrun Wassermann beschäftigt sich in ihren Arbeiten immer wieder mit den Themen „Erinnerung“, „Unterwegssein“ und „Migration“ – nicht zuletzt aufgrund ihrer eigenen Familiengeschichte: Die Vorfahren beider Eltern emigrierten im 18. Jahrhundert von Salzburg nach Ostpreußen, die eigene Familie 1944 von Ostpreußen nach Bayern. Vielleicht ist Kaliningrad (das ehemalige Königsberg) deshalb auch ein so oft von ihr aufgesuchter Ort. Denn alle heutigen Bewohner des Kaliningrader Gebiets haben einen Migrationshintergrund. Nach 1945 wurden sie, ihre Eltern oder Großeltern aus verschiedenen Gebieten der ehemaligen Sowjetunion und dem damaligen Ostpolen in die inzwischen gegründete Oblast Kaliningrad umgesiedelt. Während Migranten in anderen Ländern eine Mehrheitsgesellschaft vorfinden, kamen sie in ein entleertes Land. Auf mehreren Reisen suchte Wassermann Kontakt zu den Bewohnern der Stadt. In Interviews zu verschiedenen Fragenkomplexen erarbeitete sie ein filmisches Porträt der Stadt und der Menschen, die in ihr Leben. So 15., 11 Uhr

Rosa Linse präsentiert: L-Filmnacht



Die geheimen Tagebücher der Anne Lister
James Kent. GB 2010. 92 Min. dt. Fs. Mit Maxine Peake, Anna Madeley
In ihren geheimen Tagebüchern gibt sie sich als moderne, aufgeschlossene Lady zu erkennen, die aus ihrer Liebe für Frauen keinen Hehl macht: Miss Anne Lister (1791–1840). Anne Lister lebte in einer Zeit, in der eine offene gleichgeschlechtliche Beziehung nicht einmal ansatzweise denkbar war – und doch wollte sie nichts anderes. Die Grundbesitzerin aus Yorkshire verweigerte sich einer Vernunftehe und suchte stattdessen nach einer weiblichen Gefährtin. Vor der Öffentlichkeit musste sie ihre Lebensweise verbergen – anvertrauen konnte sie sich nur ihrem Tagebuch, das sie mit einem Geheimcode verschlüsselte. Fast zwei Jahrhunderte dauerte es, ehe der Code geknackt und ihre gut geschützten Aufzeichnungen veröffentlicht werden konnten. – Anne Listers intim-geheime Tagebücher sind die Grundlage für dieses fesselnde BBC-Drama, das die außergewöhnliche Lebensgeschichte einer mutigen und modernen Frau erzählt. Die britische Presse stellte die Produktion auf eine Stufe mit den besten Jane-Austen-Verfilmungen und feierte Hauptdarstellerin Maxine Peake für ihre brillante schauspielerische Leistung. Mo 9., 20.30 Uhr

Rosa Linse präsentiert: Gay-Filmnacht


Jitters
Baldvin Z. Island 2010. 97 Min. OmU. Mit Atli Óskar Fjalarson
Der sechzehnjährige Gabriel kehrt von einer zweiwöchigen Reise nach England zurück in seine Heimat Island. Seine Freunde finden, Gabriel habe sich durch seinen Aufenthalt in Manchester und seine Begegnung mit dem rebellischen Freigeist Matt sehr verändert. Die alten Gefüge scheinen gefährdet. Als sich dann auch noch Gabriels Freundin Stella das Leben nimmt, gesellt sich zur neuen Tristesse auch noch echte Tragik. Der Teenager ist am Boden zerstört und beginnt schließlich, sich selbst, sein Leben und seine dunklen Geheimnisse einer schmerzlichen Prüfung zu unterziehen. – Der Filmtitel kann in etwa mit Schwankungen oder Die Schwankenden übersetzt werden. Erzählt wird dementsprechend von der komplexen Suche nach Identität, von fragilen Beziehungen, von Sex, Betrug und schließlich Vergebung. Das isländische Drama war zu Hause ein großer Erfolg und wurde auf internationalen Festivals gefeiert. Mo 16., 20.30 Uhr

Psychoanalyse und Film – mit John-Rittmeister-Institut Kiel


Me Too
A. Naharro, Á. Pastor. E 2009. 103 Min. dt. Fs. Mit L. Dueñas, P. Pineda
Als erster Europäer mit Down-Syndrom und abgeschlossenem Universitätsstudium findet der vierunddreißigjährige Daniel relativ leicht eine gute Stelle bei einem Sozialdienstleister in Sevilla. Dort trifft er die aufgeschlossene Laura. Die zwei Kollegen freunden sich an, und aus der innigen Freundschaft wird bald eine leidenschaftliche Liebe. Allen Angriffen und ungläubigen Blicken zum Trotz stehen Daniel und Laura zueinander… Lola Dueñas und Pablo Pineda glänzen in den Hauptrollen dieses exzeptionellen Debütfilms. Pineda, der Darsteller des Daniel, ist tatsächlich der erste Europäer mit Down-Syndrom, der einen Hochschulabschluss erworben hat. – Anschließend Gespräch mit Frau Dr. Meyer-Alber. So 15., 18.30 Uhr

mit Muthesius Kunsthochschule Kiel


Peter Webber. GB/Lux 2003. 99 Min. Mit Scarlett Johansson, Colin Firth
Dem Werk Jan Vermeers sind nur knapp 40 Bilder zuzuordnen. Webbers Film erzählt nach dem gleichnamigen Roman von Tracy Chevalier die fiktive Entstehungsgeschichte eines der faszinierendsten und rätselhaftesten, „Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“. Im Mittelpunkt steht die siebzehnjährige Grit, die im Haushalt des Künstlers eine Anstellung als Magd erhält und sich als einziger Mensch in seiner Umgebung als feinfühlig genug erweist, das Geheimnis seiner Bilder zu erkennen. Behutsam beginnt der Maler, die Wahrnehmung des Mädchens zu lenken. – Webber und sein Kameramann Olof Johnson geben der sensiblen Erzählung genug Zeit und vor allem: die faszinierenden Bildräume, in denen sich die Geschichte über den genialen Künstler und seine Muse entfalten kann. Fr 20., 18.30 Uhr

KoKi Underground


F
Johannes Roberts. GB 2011. 79 Min. Mit David Schofield, Eliza Bennett
Im britischen Schulsystem steht F für failed – durchgefallen. Und es mag ja mal Zeiten gegeben haben, zu denen sich Schüler durch schlechte Noten wenn nicht motivieren, so doch in ihrem Fehlverhalten zumindest etwas bremsen ließen. Heute allerdings stehen die Lehrer ohnmächtig den Horden zivilisationsunwilliger Penäler gegenüber. Das ist zumindest das Ausgangsszenario dieses kruden Schockers aus England. Der Held darin ist Robert Anderson – ein Lehrer am Rande der Zerrüttung. Längst hat er, der von Kollegen belächelt wird, resigniert – und sammelt Zeitungsausschnitte über die Taten gewaltbereiter Jugendlicher. Und so ist er der einzige, der eines Tages die Vorzeichen eines schrecklichen Verbrechens richtig deuten kann… Wieder mal eine hochinteressante Produktion aus England, die an soziale Spannungen (man denke an die Londoner Krawalle im August dieses Jahres) und gefühlte Sicherheitsempfindungen der Zuschauer anknüpft und so dem Grauen eine glaubwürdige Grundlage verschafft. Di 17., 21 Uhr

Wunschfilme in der OmU


Und dann kam der Regen – También la lluvia
Icíar Bollaín. E/F/Mex 2011. 104 Min. OmU. Mit Luis Tosar, Gael Garcia Bernal
Der spanische Regisseur Sebastian, sein Produzent Costa und das zugehörige Filmteam sind im bolivianischen Cochabamba, um einen Spielfilm über Kolumbus zu drehen. Sie planen einen reflektierten, ambitionierten Film, der die Rolle der Spanier und der Kirche kritisch diskutieren soll, sind voll Enthusiamus und idealistischem Eifer. Andererseits herrscht der branchenübliche Zynismus. Gedreht wird in Bolivien, weil hier die Löhne und die Nebenkosten niedrig sind. Schnell kündigen sich Probleme an. Der Darsteller des Kolumbus trinkt, die schlecht bezahlten Helfer sind nicht so willfährig wie erwartet, und der von Sebastian gecastete Einheimische Daniel entpuppt sich als Wortführer einer zunehmend revolutionären Protestbewegung, die sich gegen die Privatisierung der Wasserversorgung in Cochabamba stellt. Dann eskalieren die Demonstrationen, Daniel wird verhaftet. Jeder muss Position beziehen, auch die Filmleute. Der Kampf in Cochabamba wird zu ihrem Konflikt, sie müssen nur die Seiten wählen. – Geschickt verflicht der Film die Bilder der filminternen Filmproduktion mit der eigentlichen Handlungsebene, stellt die Filmemacher neben die Conquistadores von einst, gleicht Ideale mit Taten ab. Der Film vermeidet dabei peinliche Plattheiten und bietet wirklich großes, interessantes und auch unfassbar spannendes Kino. Ein komplexer Thriller über die Spannung zwischen Ideal und Wirklichkeit. Do 19. – Mi 25.

Melancholia
Lars von Trier. DK/S/F/D 2011. 130 Min. OmU. Mit Kirsten Dunst, Udo Kier
Lars von Trier will uns wieder ärgern. In diesem Falle mit einem schönen Weltuntergang und einem rabenschwarzen Porträt zweier Schwestern, mit dem er unsere Welt bereits zerlegt, bevor er den rätselhaften Himmelskörper namens Melancholia mit der Erde kollidieren lässt. – Justine heiratet auf dem Schloss ihrer Schwester Claire, und alles geht schief: Ihre Mutter (vorzüglich: Charlotte Rampling) und ihr Vater tragen ihren Ehekrieg offen aus, die Nerven liegen blank. Justine gerät in eine Auseinandersetzung mit ihrem Boss, der sie schließlich noch während der Feier feuert, und letztlich kündigt sogar der frischgebackene Gemahl sein Eheversprechen noch in derselben Nacht auf. Die depressive Justine sucht Zuflucht bei ihrer Schwester und deren Ehemann. Während ein unbekannter Himmelskörper der Erde gefährlich nahe kommt, verzweifelt Claire immer mehr, Justine aber geht es immer besser. Sie sonnt sich im Lichte der nahenden Apokalypse, Magie ist im Spiel, der Hobbyastronom John nimmt sich das Leben, die Erde wird zerschmettert. Ein echter Lars von Trier: Wunderbarste Schauspielleistungen, viele Fragen, verstörender Humor und große Filmkunst. Wer ihn noch nicht gesehen hat, bekommt noch einmal die Chance, das skurrile Science-Fiction-Familiendrama unseres Lieblingsdänen im Original mit Untertiteln zu genießen. Do 12. – So 22.