Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im August:
Detailliertes Programm hier.

neu in Kiel


Wagner & Me
Patrick McGrady. GB 2010. 89 Min. OmU. Mit Stephen Fry
Der britische Komiker, Schauspieler und Schriftsteller Stephen Fry ist seit Kindertagen von der Musik Richard Wagners begeistert. Wie eine Naschkatze vor dem Bonbonladen steht der Brite vor dem Bayreuther Festspielhaus, um endlich vor Ort seinem Idol nach Herzenslust huldigen zu können. Andächtig und voller Enthusiasmus streift er durch das imposante Gebäude. Mit Fry blickt der Zuschauer hinter die Kulissen, bekommt einen Eindruck von dem Aufwand, der hier betrieben wird, um Wagners Werk, allem voran den Ring, aufzuführen. Die Begeisterung, mit der Fry sich Wagner nähert, ist geradezu ansteckend. Ernster wird es dann, wenn der Brite auf die düsteren Seiten der Wagner-Welt zu sprechen kommt. Wagners unverhohlener Antisemitismus ist ebenso belegt wie Hitlers Hang zu den mythenbeladenen Meisterwerken. Vor der schaurigen Kulisse des Nürnberger Reichsparteitagsgelände geht Fry der heiklen Frage nach, warum gerade Wagners Musik und Dichtungen für die Selbstinszenierungen der Nazis so funktionalisiert werden konnten. Der magischste Moment des Films ist dann wieder der Musik gewidmet. Fry wohnt einer Orchesterprobe für die Ring-Aufführung in Bayreuth bei. Mit glänzenden Augen und voller Ehrfrucht lauscht er als einziger Zaungast einer Musik, die in einen historischen und politischen Kontext gestellt wird und dennoch für Wagner-Liebhaber wie Fry immer ihren zeitlosen Zauber behalten wird. Mi 1.8., 19.00


Copacabana
Marc Fitoussi. F 2010. 107 Min. OmU. Mit Isabelle Huppert, Lolita Chammah
Babou ist eigentlich schon ein paar Jahre zu alt, um noch in den Tag hinein zu leben. Doch um gesellschaftliche Konventionen hat sich Babou noch nie Gedanken gemacht, sehr zum Leidwesen ihrer Tochter Esméralda (gespielt von Lolita Chammah, auch im echten Leben Tochter von Isabelle Huppert). Die ist deutlich konservativer als ihre Mutter, steht vor der Hochzeit mit ihrem Freund – ein Fest, zu dem sie ihre Mutter dezidiert nicht einlädt. Das Band zwischen Mutter und Tochter scheint zerschnitten, und so geht Babou ins belgische Ostende, wo sie eine Stelle als Maklerin für teilzeit-vermietete Appartements antritt. Es ist eine stürmische Ankunft – gleich ihre erste Nacht verbringt sie mit einem Hafenarbeiter, und bei ihren Kolleginnen steht sie mit ihrer unkonventionellen Art auf der Beliebtheitsskala auch nicht ganz oben. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der allgemeine Ärger auftürmt… Lange hält Regisseur Marc Fitoussi seinen Film in der Schwebe, wie Babous Handlungsweisen einzuschätzen sind. Isabelle Huppert ist hier zweifelsfrei die ideale Besetzung: Durch ihre subtile Darstellung wird die Figur gleichermaßen sympathisch wie nervtötend, faszinierend antiautoritär und befremdlich ignorant. Dass der Film, der Babous aneckende Lebensführung weder verherrlicht noch verdammt, sich schließlich dafür entscheidet, seiner Heldin ein fast schon märchenhaft versöhnliches Ende zu spendieren, ist nur möglich, weil man Babou bis zu diesem Zeitpunkt längst ins Herz geschlossen hat. Do 2. – Mi 8.8.

Familientreffen mit Hindernissen
Julie Delpy. F 2011. 113 Min. dt. und OmU. Mit Julie Delpy, Eric Elmosnino
Saint-Malo in der Bretagne, Sommer 1979: Großmutter feiert ihren 67. Geburtstag, und aus dem ganzen Land trudelt die weitverzweigte Familie ein. Dabei prallen Welten aufeinander: Sozialisten auf Nationalisten, Schauspieler auf Soldaten, Intellektuelle auf Spießer. Während die Überreste des frisch geschlachteten Lamms bei den Kindern für Grusel sorgen, verkeilen sich die Eltern bei Pastis und Wein in Diskussionen über Politik, Gesellschaft und Sex. Nachmittags geht es an den Strand, wo die Männer nichts Besseres zu tun haben, als nebenan am FKK-Abschnitt zu spannen. Albertine verliebt sich unsterblich in einen älteren Jungen, den sie abends in der Dorfdisco wiedertrifft. Während sie dort ihren ersten Stehblues tanzt, reden sich die Erwachsenen daheim schon wieder die Köpfe heiß... Julie Delpy hat einen klassischen Sommerfilm gedreht, der unverkennbar die 70er-Jahre hochleben lässt. Damals waren die politischen Fronten klarer, die Debatten leidenschaftlicher, die Menschen verrückter. Die lockere Dramaturgie gestattet ihr, zwischen den Episoden munter hin und her zu springen – gleichzeitig eine leichte Sommerkomödie und ein forschendes Gesellschaftsporträt. Do 9. – Mi 22.8.

Alexandra Gramatke, Barbara Metzlaff. D 2011. 76 Min
1975 hatte der venezolanische Komponist und Dirigent José Antonio Abreu die Idee, Jugendorchester zu gründen und möglichst jedem Kind ein Instrument zukommen zu lassen. Heute ist diese Bewegung Vorbild für viele Projekte auf der ganzen Welt, in Deutschland etwa die Jedem Kind ein Instrument-Initiativen in einigen Bundesländern. Die vorliegende Dokumentation zeigt ein durch Spendengelder finanziertes Projekt aus Hamburg, das im Norden einmalig ist: In St. Pauli gibt es eine Grundschule, in der die Schüler und Schülerinnen ab der 2. Klasse lernen, Geige zu spielen. Motor und Geigenlehrer ist der Musiker Gino Romero Ramirez. Über drei Jahre haben Barbara Metzlaff und Alexandra Gramatke den Unterricht verfolgt. Mo 13. – Mi 15.8.


I want to run – Das härteste Rennen der Welt
Achim Michael Hasenberg. D 2011. 89 Min.
Viele Menschen laufen gerne. Manche scheinen gar laufsüchtig. Viele Menschen müssen einfach laufen. Jeden Tag ein paar Minuten Willen zeigen. Mit dem Körper allein sein. Glückshormone abholen, indem man um den Schrevenpark läuft. Oder runter zur Kiellinie. Indem man sich auf den Marathon oder den Firmenlauf vorbereitet. Und manche Läufer, Profis sowie Laien, haben das Bedürfnis, sich einer der größten Laufherausforderungen der Welt zu stellen: dem Transeuropa-Lauf. Dieser ist der wohl härteste und längste Dauerlauf der Welt. Die Teilnehmer laufen von Süditalien bis zum Nordkap auf einer Strecke von 4500 km. Pro Tag bedeutet dies ein Pensum von ca. 70 Kilometern. Unter allen erdenklichen Wettervoraussetzungen geht es durch die unterschiedlichsten Landschaften, die Tortur nur unterbrochen von Nächten in Turnhallen, Schwimmbädern und anderen öffentlichen Einrichtungen. Bei diesem Lauf ist jeder ganz bei sich und seinen schmerzenden Gliedern, und doch bilden die Läufer eine seltsame Gemeinschaft, deren Motivationen so unterschiedlich wie letztlich unergründlich bleiben müssen. – Der Film begleitet einige von ihnen auf ihrem langen Weg. Ein ehemaliger Champion des Transeuropa-Laufs ist dabei, der Profi Achim Heukemes, ein Friseur aus Toulouse, ein an Multipler Sklerose erkrankter Familienvater, eine der schnellsten Ultra-Marathonläuferinnen der Welt, eine Hausfrau aus Tokio und zwei schwedische Offiziere. Eine Dokumentation für Lauffreunde und Läufer jeder Schattierung, für Extremsportler, Psychologen und alle Liebhaber europäischer Landschaften... Weiter, weiter... auf ins Kino... nicht aufgeben... eine Treppe noch... Du schaffst es... im Ziel angekommen, laufen dann andere für Euch, und Getränke gibt es bei uns auch! So 19. + So 26.8.

Die Wohnung
Arnon Goldfinger. Israel/D 2011. 97 Min
Eigentlich will der israelische Dokumentarfilmer Arnon Goldfinger die Wohnungsauflösung seiner verstorbenen Großmutter in Tel Aviv mit der Kamera begleiten, bevor ihre Welt für immer verschwindet. Aber dabei stößt er auf eine unglaubliche Geschichte. – In den frühen 30er-Jahren mussten Gerda Tuchler und ihr Mann Kurt Deutschland verlassen. 70 Jahre lang lebten sie in einer Wohnung in Tel Aviv, die für den Enkel Arnon aussah wie Berlin: deutsche Bücher in den Regalen, deutsches Porzellan in den Schränken. Als Gerda mit 98 Jahren stirbt, hinterlässt sie Berge von Briefen, Fotos, Karten und Dokumenten. Inmitten der Papiermengen stößt Arnon auf Korrespondenz und Fotos, die darauf hinweisen, dass die Tuchlers mit der Familie des SS-Offiziers Leopold von Mildenstein nach Palästina reisten und auch sonst ihre Freizeit mit ihnen verbrachten. Noch unglaublicher: Die Freundschaft überdauerte auch den Krieg. Goldfinger geht mit seiner Mutter in Deutschland auf Spurensuche... Ausgezeichnet mit dem Israelischen und dem Bayerischen Filmpreis. Mo 20. – Mi 22.8.

Antje Hubert (zu Gast am 23. 8.). D 2012. 96 Min. FSK ab 6
„Wir waren konservative Leute und haben den Alltag ganz normal gelebt, bis dahin...“ – Anfang der 1970er Jahre versetzten die Pläne zum Bau eines Atomkraftwerks die Bewohner der kleinen Elbgemeinde Brokdorf in Aufruhr. Es folgten große Proteste, die den Ort spalteten und die Republik 13 Jahre lang in Atem hielten. 1986, kurz nach der Katastrophe von Tschernobyl, ging das AKW ans Netz. Schließlich wurde es doch ruhig in der Marsch, und nur noch wenige Anwohner unterschiedlichster Couleur hielten an ihrem Widerspruch fest. Mit Neugier auf diese Menschen und ihren Alltag mit einem AKW vor der Haustür macht sich der Film auf in den abgelegenen Landstrich. Ein Jahr lang umkreist er das „Ding“ und taucht mit den Erinnerungen der widerständigen Anwohner und altem Filmmaterial ein in eine bewegende Vergangenheit. Doch dann wird die Geschichte von der Gegenwart eingeholt, als die Entscheidung der Bundesregierung, die AKW-Laufzeiten zu verlängern, vom Super-Gau im japanischen Fukushima überschattet wird. – Nach der Premiere bei der diesjährigen Augenweide spielen wir den beeindruckenden Film zum Bundesstart noch einmal. Wir freuen uns, dass Regisseurin Antje Hubert wieder zu Gast sein kann und mit uns über ihr Porträt des politischen Widerstands, des ganz normalen bürokratischen Irrsinns, der Vergangenheit und der Zukunftshoffnungen der Deichbewohner sprechen wird. Do 23. – Di 28.8.

Buck – Der wahre Pferdeflüsterer
Cindy Meehl. USA 2011. 88 Min. dt. übersprochene Fassung. Mit Buck Brannaman und diversen Pferden
„Oft helfe ich nicht Menschen bei ihren Problemen mit Pferden, sondern Pferden bei ihren Problemen mit Menschen“, sagt Buck Brannaman, der faszinierende Protagonist dieses vielfach preisgekrönten Dokumentarfilms. Brannaman ist einer jener wenigen Menschen, die eine unfassbare Begabung haben, das Vertrauen extrem verstörter Tiere zu erlangen. In Fachkreisen genießt er einen legendären Ruf, bei Robert Redfords Der Pferdeflüsterer stand er als Coach hinter der Kamera. Die Dokumentarfilmerin Cindy Mehl begleitete Brannaman auf zahlreichen seiner Clinics und sammelte so über 300 Stunden Material, in denen wir Zeuge werden, wie nicht nur Pferde, sondern viel eher noch die Menschen Lektionen über den respektvollen Umgang miteinander erhalten. Es sind Szenen, die uns staunen machen! Do 23. – Mi 29.8.

We Need to Talk About Kevin
Lynne Ramsay. GB 2011. 110 Min. OmU. Mit Tilda Swinton, John C. Reilly
We Need to Talk About Kevin beginnt mit einer berauschenden Sequenz, in der Eva, eine junge Reisejournalistin, die Tomatina (das legendäre Volksfest in der spanischen Stadt Buñol, bei dem die ganze Stadt sich eine Schlacht mit überreifen Tomaten liefert) besucht und von der Masse auf Händen getragen wird. Einige Zeit später hat sich die Situation in ihr Gegenteil verkehrt: Wenn Eva durch die Straßen ihrer Heimatstadt am Rande New Yorks geht, wird sie von den Menschen bespuckt, beleidigt, geschlagen, mit Farbbeuteln beworfen. Etwas entsetzliches muss passiert sein, soviel ist klar; etwas, das ihr alle Menschen in ihrer Umgebung übel nehmen. In Rückblenden kreist der Film um dieses unerhörte Ereignis, in dessen Zentrum ihr Sohn Kevin steht – ein Junge, der quasi von der Stunde seiner Geburt an ein seltsam distanziertes Verhältnis zu seiner Mutter empfindet... Die schottische Regisseurin Lynne Ramsay hat mit We Need to Talk About Kevin eine verstörende Studie über das Erdulden von Demütigungen und Schuld geschaffen. Fr 24. – Mi 29.8.

Holy Motors
Leos Carax. F/D 2012. 115 Min. FSK noch nicht vorgelegt. Mit Denis Lavant, Edith Scob, Kylie Minogue, EvaMendes, Elise Lhomeau, Jeanne Disson, Michel Piccoli
Vom Sonnenaufgang bis tief in die Nacht: einige Stunden im Leben von Monsieur Oscar, einer schattenhafte Existenz, die von einem Leben ins nächste schweift. Mal ist er ein Industriekapitän, mal ein Killer, ein Bettler, ein Monster oder ein treusorgender Familienvater…. Monsieur Oscar scheint Rollen zu spielen, taucht in jeden Part komplett ein – aber wo befinden sich die Kameras? Er ist alleine, nur Céline begleitet ihn, die große Blonde hinter dem Steuer der riesigen Stretchlimousine, die ihn durch Paris und in die Vororte kutschiert. Wie einen Profikiller, der von Auftrag zu Auftrag eilt. In der Vollendung einer schönen Geste, des Antriebs einer Aktion, der Frauen und Phantome seines Lebens. Aber wo ist sein Zuhause, seine Familie, kann er sich erholen? Das umstrittene und lange verstummte Enfant terrible des französischen Kinos (Boy Meets Girl, Die Liebenden vom Pont Neuf, Pola X) „präsentiert einen surrealen Trip über Identität und Wahrheit, starbesetzt mit Kylie Minogue, Michel Piccoli und Eva Mendes. Und natürlich mit seinem ewigen alter ego, Denis Lavant, der hier die multiplen Persönlichkeiten gibt. Er ist alte Frau oder Auftragskiller. Industrieller, strenger Vater oder böser Kobold. In Cannes wurde die tour de force der Bilderfluten euphorisch gefeiert - im Kino gewesen, geträumt!“ (programmkino.de) Do 30. – Fr 31.8.

Wunschfilme


The Best Exotic Marigold Hotel
John Madden. GB 201. 115 Min. OmU. Mit Judi Dench, Maggie Smith, Bill Nighy, Tom Wilkinson, Dev Patel, Penelope Wilton, Ronald Pickup
Gründe, hierher zu kommen, gibt es viele: Evelyn hat gerade ihren Mann verloren, Douglas und Jean können sich von der schmalen Beamtenrente nicht das Leben erlauben, das sie sich erträumen, Richter Graham ist vom Leben desillusioniert, Muriel braucht einen neue Hüfte, und schließlich sind da noch Norman und Madge, die sich in immer neue Affären stürzen und doch auf die große Liebe hoffen. Sie alle hat es vom fernen England nach Indien verschlagen, sie alle haben sich von den bunten Prospekten des Best Exotic Marigold Hotel anlocken lassen, um nun erkennen zu müssen, dass der palastartige Bau schon bessere Tage gesehen hat. Einzig der Hotelmanager bemüht sich, die Provisorien schön zu reden. – Im Grunde ist das dramaturgische Prinzip sehr einfach: Man führe diverse sympathische/kauzige Figuren zusammen und lasse die Handlung sich entfalten, indem alles mit allem irgendwie reagiert. Viele Charaktere, viele Eigenheiten und Probleme. Dementsprechend lose ist die Handlung strukturiert, wechselt von einer Figur zur nächsten, mäandert mal in diese, dann in jene Richtung. Voller Wärme begleitet der Film seine Figuren, spart nicht mit Spott im Angesicht britischer Vorurteile, spart aber auch nicht mit treffenden Zeichnungen des Lebens in Indien. Ein rundum gelungener Film, vital und berührend. Do 26.7. – Mi 1.8.

Moonrise Kingdom
Wes Anderson. USA 2012. 95 Min. OmU. Mit Jared Gilman, Bruce Willis
Suzy ist die einsame große Schwester, die aus dem Leuchtturmhaus ihrer verbitterten Eltern flüchtet. Sam ist der Junge aus dem Waisenheim, der nicht in der Gemeinschaft der Pfadfinder angekommen ist, aus deren Ferienlager er desertiert. Zusammen haben sie den Plan zu einem großen Abenteuer geschmiedet. Im letzten Jahr war es Liebe auf den ersten Blick, in diesem Jahr sind sie auf abenteuerlicher Flucht durch die Wildnis der Atlantikinsel New Penzance, Neuengland. Das Jahr ist 1965. Eltern (Bruce Willis & Francis McDormand), Pfadfinderleiter (Edward Norton), Inselsheriff (Bruce Willis) und Jugendamt (Tilda Swinton) sind den Zwölfjährigen auf den Fersen. – Den detailversessenen, mühelos zwischen rührender Charakterstudie, Klischees, Komödie und unbeschreiblicher Eigenart changierenden Film macht vor allem aus, dass er das sommerliche Aufbruchsgefühl und den Geist kindlich-jugendlichen Willens zum Absoluten auf die Leinwand und in die Herzen der Zuschauer zu transportieren vermag. Moonrise Kingdom ist dabei seinen beiden Hauptfiguren respektvoll verpflichtet, ohne ihnen zu nahe zu treten. Ein wenig Francois Truffaut und Michel Gondry klingt an, der Film bleibt jedoch vor allem ein typisches Werk seines Regisseurs Wes Anderson. Wie immer gibt es bei ihm viel zu entdecken und aufzudecken, bevor der Zuschauer in versöhnlicher Melancholie entlassen wird: Pfadfinder-Schick, Kindertheater, Jugendbuchillustrationen, Hank Williams und Francois Hardy, immer wieder Musik von Benjamin Britten, Bill Murray, Katzen, Trampolinakrobatik, die Magie von Ferngläsern, Kino über das Kino, Geschichten über Geschichten, Plakatives und Subtiles. Von den Titelcredits bis zum Abspann ein durchkomponiertes Vergnügen mit einem tollen Schauspielerensemble, allen voran Kara Hayward und Jared Gilman, die in den Hauptrollen für magische Kinomomente sorgen. – Bei uns Original mit Untertiteln. Do 2. – Mi 8.8.

Ai Weiwei – Never Sorry
Alison Klayman. USA 2012. 91 Min. OmU
Ai Weiwei, 1957 in Peking als Sohn des bekannten chinesischen Dichters Ai Quing geboren, ist ein vielseitiger Künstler, der unter anderem Skulpturen, aufwendige Installationen, Gemälde, Filme und architektonische Projekte produziert und initiiert. Und er ist ein prominenter politischer Aktivist, der seine politische Persönlichkeit, sein Engagement und seine eigene Betroffenheit öffentlichkeitswirksam mit den Kanälen und Ausdrucksmitteln der Kunst darstellt. Auch im ‚Westen’ ist Ai eine bekannte Persönlichkeit. Als anklagender Blogger, etwa im Kontext des Sichuan Erdbebens, bei dem tausende von Kindern starben, indem sie in unsicheren Schulgebäuden verschüttet wurden, und als von den Behörden Verfolgter ist er auch hier zu einem fremden Helden geworden. Diese Perspektive auf Ai Weiwei bedient auch die Dokumentarfilmerin Alison Klayman vornehmlich. Dass Ais beachtlichen Kunstwerke und Architekturprojekte somit in den Hintergrund rücken, mag man bedauern. Ebenso mag man das Gefühl bedauern, die Filmerin distanziere sich nicht genug von Ais eigenem, mächtigen Inszenierungswillen und persönlicher Perspektive, um einen kontrovers-erhellenden, neuen Blick auf den Protagonisten zu ermöglichen. Was aber bleibt ist mehr als lohnenswert. Der Film ist ein durchaus aufwühlendes und mitreißendes Porträt, das genug Stoff zum Reflektieren über die Freiheit des Individuums, über die Funktion der Kunst, über Inszenierung und Realität (in Politik, im Privaten und in der Kunst) bietet und damit zumindest eine Neugier auf die Künstlerpersönlichkeit Ai Weiwei befriedigt. Einmal sagt jemand im Film, Ai sei wie ein Hooligan, daher kann er mit den staatlichen Hooligans umgehen. Und tatsächlich ist dies Teil eines der faszinierendsten Eindrücke die zurückbleiben: Ai erscheint als eine widersprüchliche Persönlichkeit zwischen Feinsinn und Rohheit, zwischen Authentizität und Inszenierung. Nach seiner letzten Haftentlassung vor wenigen Monaten schweigt Ai Weiwei derzeit, im Kino jedoch, ist er gerade zu hören. Do 9. – So 12.8.

China on Tour – Filme aus China beim Kultursommer 2012


Auftaktveranstaltung – zu Gast Karsten Weber und Chin Thom
Piercing 1
Liu Jian. China 2010. Animation. 75 Min
Der erste abendfüllende Animationsfim der chinesischen Independentfilmszene erzählt die Geschichte von Zhang Xiaojun, der um der Arbeit Willen in eine Metropole zog und während der globalen Finanzkrise 2008 seinen Job wieder verlor. Der Strudel der Ereignisse in der großstädtischen Subkultur verhindert die Rückkehr in das beschauliche Landleben seiner Jugend. China on Tour ist ein Filmprogramm der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH in Zusammenarbeit mit BLITZFILM.DE und dem LKV in der Zeit vom 26. August bis 7. September 2012. Filmauswahl und Moderation der Veranstaltung: Karsten Weber, Blitzfilm, und als Gast: Chin Thom aus Guangzhou, Kurator, Grafiker, Filmkünstler. So 26.8., 19.00 (Galerie)