Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.



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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Highlights im KoKi Kiel

Das Kieler KoKi zeigt im Dezember:
Detailliertes Programm hier.

Film des Monats


Breathing Earth – Susumu Shingus Traum
Thomas Riedelsheimer D/GB 2012. 93 Min. OmU. Mit Susumu Shingu, Yasuko Shingu
Nach Rivers and Tides und Touch the Sound kommt mit Breathing Earth ein neuer wunderschöner Dokumentarfilm von Thomas Riedelsheimer ins Kino: Susumu Shingu ist als Künstler weltbekannt für seine gleichzeitig oft gewaltigen und betörenden Kunstwerke, in denen er sich mit den Energien des Windes und des Wassers auseinandersetzt. In eigenständigen Installationen, architektonischen Kooperationen und multimedialen Projekten macht der ‚Künstler des Windes’ aus Japan die natürlichen Kräfte sichtbar, die jeden und alles umgeben, verändern und bestimmen. Veränderungen der Wasseroberfläche, zarte Segel, die sich in schwindelerregenden Höhen oder auch ganz nah am Betrachter mit dem Wind bewegen, extravagante Springbrunnen und meterhohe Skulpturen prägen das Werk Susumu Shingus. Diesen Künstler und seinen Traum vom „Breathing Earth“, einem Ort, an dem sich Kreative aller Coleur in Einklang mit und von Mutter Erde inspirieren lassen, zu porträtieren und den Zauber seiner Kunstwerke sinnvoll abzubilden, ist als Herausforderung wie geschaffen für den Filmemacher Riedelsheimer. Hatte dieser schon die vergängliche Land-Art-Kunst Andy Goldsworthys für das Kinopublikum eingefangen und in Touch the Sound Bilder für den Klang gefunden, schafft er es auch dieses Mal, berührende, fast meditative Aufnahmen zu präsentieren, die die Kraft Susumu Shingus’ Kunst vermitteln. Daneben erweist sich der 75 jährige Künstler auch im Gespräch als charismatische Persönlichkeit. Mi, 26.12. – So, 30.12.

Filmwunsch


Ziemlich beste Freunde
Eric Toledano, Olivier Nakache. F 2011. 110 Min. OmU. Mit François Cluzet
Philippe hat alles, von dem man träumen kann: Geld, ein goßes Haus und Hauspersonal. Aber: Er ist vom Hals ab gelähmt. So sucht er einen neuen Assistenten, der ihm täglich zur Hand geht. Unter den Bewerbern sticht ein schwarzer Ex-Sträfling namens Driss hervor, der Philippe ins Gesicht sagt, dass er eigentlich nur die Unterschrift für das Arbeitsamt braucht. Er erhält den Job, aber es gibt Differenzen... Die wahre Geschichte von Philippe und seinem Pfleger war nicht nur in Frankreich ein phänomenaler Erfolg. Wir zeigen den Film als reguläre Wiederaufnahme und als Wiederholung im Rahmen unseres Seniorenkinos. Sa, 1.12. – Sa, 15.12.

Oma & Bella
Alexa Karolinski. D 2011. 76 Min.
Oma & Bella ist ein Film über zwei jüdische Frauen in Berlin und porträtiert ihre jahrzehntelange Freundschaft: Die beiden teilen nicht nur eine außergewöhnliche Geschichte, sondern halten diese mit Humor und guter jiddischer Küche lebendig. Der Film begleitet die Freundinnen durch ihren Alltag, beobachtet sie bei ihren täglichen Routinen, lauscht ihren Gesprächen über Herkunft, Identität und Erinnerung. Dabei zeichnet er die mutige Entscheidung der beiden Holocaust-Überlebenden nach, Deutschland zur Heimat zu machen, sich und ihr Leben in jüdischer Tradition neu zu erfinden. Der Film illustriert, wie es den alten Damen gelingt, durch die Zubereitung der Gerichte ihrer Kindheit Tradition lebendig zu halten und Erinnerung zu teilen. Di, 4.12. – Mi, 5.12., 18:30

Cloud Atlas
Lana Wachowski, Andy Wachowski, Tom Tykwer USA/D 2011. 163 Min. OmU. Mit Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Hugh Grant, Jim Sturgess, Doona Bae, Ben Whishaw, James D‘Arcy, Zhou Xun, Keith David, Susan Sarandon
Es ist ein wahnwitziges Unternehmen: sechs Handlungsstränge, die ein halbes Jahrtausend umspannen, laufen in munterer Verschränkung durcheinander und folgen dabei der These, dass mehr Dinge zwischen Himmel und Erde zusammenhängen als es die Schulweisheit sich träumen lässt. Da wäre also der englische Anwalt Adam Ewing, der anno 1849 einen entflohenen Sklaven rettet und auf der Schiffsreise von einem hinterhältigen Arzt langsam vergiftet wird. 50 Jahre später erleben wir in Cambridge die Abenteuer des verarmten, schwulen Nachwuchskomponisten Robert Frobischer, der die Symphonie seines Lebens schreiben will, selbst wenn er dafür seinen mürrischen Mentor töten muss. Dessen Musik wird im San Francisco von 1979 die engagierte Journalistin Luisa Rey begeistern, die eine Verschwörung der Atomindustrie aufdeckt und von einem Killer gejagt wird. Im London von heute versucht der gutmütige Verleger Timothy Cavendish, seinen aufgebrachten Autoren auf einer Party zu beruhigen, doch der schreibende Rabauke bestraft den eitlen Kritiker für den bösen Verriss kurzerhand mit einem Stoß von der Hochhausterrasse. Unfreiwillig landet der Verleger auf der Flucht durch eine Intrige seines Bruders in einer als Hotel getarnten Irrenanstalt, wo eine böse Krankenschwester das Kommando hat. Im futuristischen NeoSeoul von 2144 schließlich kämpft eine Rebellengruppe in einer „Blade Runner“-Kulisse gegen eine finstere Diktatur und findet in einer geklonten Frau die ideale Anführerin. Last noch least herrschen in einer postapokalyptischen Zukunft im 24sten Jahrhundert Stammesfehden wie zu Urzeiten. Ein ziemlicher Feigling wächst mit Unterstützung einer Frau jedoch allmählich zum großen Helden, der sogar den Teufel besiegt. – Jeder Schauspieler schlüpft in mehrere Rollen, so wandern verwandte Charaktere durch gleiche Körper, als sichtbares Zeichen ihrer Seelenwanderschaft tragen die Figuren ein Muttermal in Form eines kleinen Kometen. Alles Handeln von heute, so die Botschaft, alle Verbrechen und jede gute Tat, haben Karma-Konsequenzen für das nächste Leben. „Grenzen sind Konventionen, die man überwinden kann“, heißt es in den Dialogen einmal oder „Mein Leben reicht weit über meine Grenzen hinweg.“ Dieses Motto ist zugleich künstlerisches Konzept für das Regie-Trio, das bei seinen souveränen Zeitsprüngen den dramaturgischen Honig wie selbstverständlich aus ganz unterschiedlichen Genre-Blüten saugt: Politthriller und schwule Genie-Romanze, Science-Fiction-Epos und Senioren-Komödie, Kostümschinken und Stammeskriege wechseln sich ab und ergeben doch mit verblüffender Leichtigkeit ein zauberhaftes Ganzes. – Keinesfalls verpassen sollte man den Abspann. Hier wird nochmals hübsch das Who is Who der Darsteller vorgeführt und alle: „Ja, ist das nicht der...?“-Fragen beantwortet. Do, 20.12. – Mi, 26.12.

Vortrag und Film: „Abnorme Darstellungen im Film“


Was ist eigentlich abnorme oder perverse Kunst? Und wie wird es im Film thematisiert? Der Vortrag behandelt den gesellschaftlichen „abnormen“ Status im Verhältnis zu vorherrschenden gesellschaftlichen Normen. Welche dieser Normen konstituieren eigentlich Kunst als obszön, pervers oder abjekt? Wie bedingen sich abnorme Kunst und Gesellschaft einander? Welche Diskurse werden kreiert, um so eine simple Aufteilung in abnorm und normal zu rechtfertigen? Stefanie Polek, Künstlerin und Lehrende an der Muthesius Kunsthochschule, wird in ihrem Vortrag anhand verschiedener filmischer Beispiele die Darstellung abnormer Figuren untersuchen. Welche gesellschaftlichen Ver- und Gebote werden dabei verhandelt? Wie werden solche Regeln bildlich umgesetzt und gibt es für die Figuren Möglichkeiten, diese Regelwerke außer Kraft zu setzen? – Im Anschluss an den Vortrag zeigen wir den Film Die Gefangene (F 2000) von Chantal Akerman gezeigt.

La Captive / Die Gefangene
Chantal Akerman. F/B 2001. 112 Min. OmU. Mit Stanislas Merhar, Sylvie Testud, Olivia Bonamy
Ariane wohnt bei Simon in dessen geräumiger Pariser Wohnung. Der reiche Möchtegern-Schriftsteller kennt Arianes Faible für Frauen und kann sich nur allzu gut vorstellen, dass sie ein Doppelleben führt. Selbst in Momenten größter körperlicher Nähe kann er Arianes nicht wirklich habhaft werden. Je mehr er sie zu besitzen glaubt, umso stärker scheint sie sich ihm zu entziehen. So entsteht ein Verhältnis, in dem keiner keinem traut und glaubt. Simon lässt Ariane beobachten, wenn sie ausgeht, er spioniert ihr nach und unterzieht sie endlosen Verhören, die zu einem Ritual geworden sind. Eine Obsession mit fatalen Folgen. – Für ihr neuestes Werk ließ sich Chantal Akerman von Marcel Proust inspirieren. Das Handlungsgerüst lieh sie sich aus einem Band von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. In ihrer eigenwilligen Weise meditiert Akerman über die zerstörerische Energie von Liebe, Besitzgier und Sehnsucht. Manchmal wirkt die Wohnung Simons wie einem alten Gemälde entnommen, das aus einer anderen Zeit stammt, und die Schönheit beinah leerer Landschaften verbindet sich mit Musiken von Schubert und Rachmaninof zu einer poetischen Kontemplation über die komplexe Natur der Sexualität. Di, 11.12., 20:30

neu in Kiel


Dicke Mädchen
Axel Ranisch. D 2012. 74 Min. FSK ab 12. Mit Heiko Pinkowski, Peter Trabner, Ruth Bickelhaupt
„Rate mal, wer zum Kaffee kommt“, fragte der Enkel, der auch Regisseur ist. Seine Oma Ruth Bickelhaupt hatte keine Ahnung, was vor sich ging, steckte aber schon mitten in den Dreharbeiten. Denn Axel Ranisch wollte einen Film drehen, und die Oma sollte dabei eine Hauptrolle spielen. Ein Leinwanddebüt mit 89! Weil es aber Improvisationskino werden sollte, durfte sie keineswegs erfahren, was auf sie zukam. Dicke Mädchen ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung für, eine Generalattacke auf die übliche Filmpraxis. Keine Fördergelder wurden beantragt, kein Drehbuch geschrieben, die Produktionsfirma einfach selbst gegründet (sie heißt Sehr gute Filme). Der Etat betrug sagenhafte 517,23 Euro. Das ist kein Druckfehler. Das sind die reinen Materialkosten, der Rest war Selbstausbeutung. Zehn Tage standen drei Leute vor der Kamera, einer, Ranisch, übernahm alle Funktionen dahinter. Nebendarsteller, Transport, Catering, all das bestritten Familienmitglieder. Kein Low-, ein No-Budget-Film. – Sven Ritter lebt mit seiner an Demenz erkrankten Mutter Edeltraut zusammen, teilt mit ihr das Leben die Wohnung, sogar das Bett. Tagsüber arbeitet er in der Bank. Während seiner Arbeitszeit kommt Daniel in die Wohnung und passt auf Edeltraut auf, geht mit ihr zum Friseur, spazieren, einkaufen und hält die Wohnung in Schuss. Doch eines Tages macht Edeltaut sich allein aus dem Staub . Die beiden Männer gehen auf die Suche nach ihr. Doch was sie finden, ist nicht Edeltraut, sondern eine zarte Zuneigung zueinander, die das Leben der beiden gehörig durcheinander bringt. – Dicke Mädchen entstand von der Idee zum fertigen Film in nur drei Monaten. Gedreht wurd der Film auf der Grundlage eines Treatments, das die Reihenfolge und den Inhalt aller Szenen festgelegt hat. Alle Dialog aber sind improvisiert. – Aus dem Stand wurde Dicke Mädchen zum Kulthit. Do, 6.12. – Fr, 14.12.

Winterdieb
Ursula Meier. CH/F 2012. 97 Min. Mit Léa Seydoux, Kacey Mottet Klein
Die Erzählweise ist karg und beruhigt. Mit wenigen Strichen umreißt die Regisseurin die aus der Not geborene Lebenssituation, die die beiden Protagonisten sich gewählt haben: Der zwölfjährige Simon lebt in der französischen Schweiz in einem tristen Hochhaus unweit der Skipisten, auf denen sich die wohlhabenden Touristen vergnügen. In unbeobachteten Momenten schnappt er sich teure Skiausrüstungen und verkauft sie im Tal; so bessert er das schmale Einkommen seiner Mutter auf. Aber die Beutezüge bleiben nicht lange unbemerkt – und so wird auch das Verhältnis der beiden jungen Menschen erheblich erschüttert... Winterdieb ist der neue Film der Schweizer Regisseurin Ursula Meier, die vor zwei Jahren mit Home – mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle – einen unerwarteten Hit landete. Meier verlässt mit Winterdieb das Terrain der in Home fast schon surrealen Ausgangslage zu Gunsten eines glasklaren und ungeschönten Realismus. Schon von den ersten Szenen an erinnert ihr Film daher stark an das Kino der belgischen Dardenne-Brüder. Meiers Regiestil ist zwar weniger streng mit gewollten stilistischen Grenzen versehen, doch die Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. Auch Meier folgt ihrem Protagonisten auf Schritt und Tritt. Manchmal heftet sich die Kamera an Simons Schulter und blickt mitfühlend und zuneigungsvoll auf den schweren Alltag einer verlorenen Jugend. Der Film ist handwerklich äußerst überzeugend umgesetzt und verfügt mit seinem jungen Hauptdarsteller über ein ganz besonderes Kinojuwel. Sein zartes Gesicht und seine zerbrechliche Gestalt stehen ständig im krassen Gegensatz zu seinem erwachsenen Verhalten, das von einem unbändigen Willen zeugt, sich mit einem harten Leben zu arrangieren. Mit Rückschlägen ist zu rechnen. Und wenn in einer großartigen Szene das Drehbuch seine zweite Ebene offenbart, erhält dieses Schicksal eine glaubwürdige und nachvollziehbare Vergangenheit. Dass in diesem kritischen Moment Meiers Film nicht zerbricht, ist vielleicht seine größte Kunst. Aber bei weitem nicht seine einzige. Do, 6.12. – Mi, 12.12.

The Invisible String
Jan Bäss. D 2012. 90 Min. Mit “Steady Ed” Headrick, John “Z” Weyand, Jo Cahow, John “Friz Whiz” Kirkland uva.
The Invisible String erzählt eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Mensch und fliegendem Plastik. Die komplette Geschichte der Frisbee-Bewegung ist erstmals auf der Leinwand zu sehen: Beginnend bei den ersten Wurfversuchen mit Kuchenformen der Frisbie Pie Bakery in Connecticut zu Beginn des letzten Jahrhunderts über die Weltmeisterschaften der goldenen Siebziger im legendären Rose Bowl Stadium führt der Dokumentarfilm bis hin zu den extravagantesten Hot Spots von heute. Der Film zeigt die Geschichten der Menschen, mit deren Leidenschaft alles begann – die neue Spielarten erfanden, das Lebensgefühl einer ganzen Ära prägten und die Freude am Spiel rund um den Globus trugen. Die wichtigsten Spieler und außergewöhnlichsten Charaktere dieser Zeit geben einen humorvollen Einblick in ihr Leben mit den fliegenden Scheiben. Seltenes Archivmaterial und augenzwinkernde Animationen rekonstruieren die Geschichte der Frisbee-Bewegung und ihren Einfluss auf die Popkultur. Mit einmaligen Einblicken in sportliche Disziplinen, unterhaltsame Anekdoten und spektakuläre Tricks ist The Invisible String eine Hommage an die fliegende Scheibe und vor allem an eines: die universelle Freude am Spiel! Mi, 12.12. – Sa, 15.12.

Das Venedig-Prinzip
Andreas Pichler. D/Ö/It 2012. 82 Min. dt.Fs, teilweise OmU.
Venedig: Das ist (noch vor Kiel) die schönste Stadt der Welt. Wer geriete nicht ins Schwärmen angesichts von Markusplatz, Kanälen, Gondeln und Seufzerbrücke? Von Carneval, der Lagune und den vielen kleinen Nachbarinseln, auf denen man farbiges Glas und das beste Gemüse der Welt bekommt? Venedig – diese Stadt lieben selbst jene Menschen, die noch nie dort waren. Aber – Venedig heißt auch (und eigentlich) 20 Millionen Touristen pro Jahr. Das macht durchschnittlich sechszigtausend Köpfe pro Tag. Eine groteske Zahl, wenn man bedenkt, dass inzwischen nur noch knapp 50.000 Einwohner in der Stadt leben – Tendenz fallend, denn die Stadt wird unbewohnbar. Venedigs Eigenleben bricht zusammen. Der Film porträtiert die äußerlich immer noch grandiose Stadt und porträtiert die letzten Venezianer, ihren Witz und ihr Herz. Do, 13.12. – Di, 18.12.

In ihrem Haus
Franzois Ozon. F 2012. 105 Min. Fabrice Luchini, Ernst Umhauer, Kristin Scott-Thomas, Emmanuelle Seigner, Bastien Ughetto, Denis Ménochet, Yolande Moreau
Der zunehmend enttäuschte, von seinem Job frustrierte Französischlehrer Germain kämpft sich weitgehend erfolglos an den wenig kreativen, immer gleichen Aufsätzen seiner Schüler ab. Die heutige Jugend für Literatur zu interessieren, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Stattdessen erlebt er, wie Hausaufgaben in zwei kümmerlichen Sätzen abgehandelt werden. Umso mehr erstaunt es ihn, als er die raffiniert erzählte Geschichte des schweigsamen Claude zu lesen bekommt. Germain erkennt sofort das Talent des Jungen, den er dazu ermuntert, seinen auf „Fortsetzung folgt“ endenden Text weiterzudenken. Dass Claude darin bis ins Detail beschreibt, wie es ihm gelingt, sich das Vertrauen eines Mitschülers zu erschleichen, hinterlässt bei Germains Frau Jeanne allerdings ein ungutes Gefühl. Vor allem sein voyeuristischer, bisweilen abschätziger Unterton beunruhigt sie. Ihr Mann lässt diese Bedenken nicht gelten. Er sieht in Claude einen künftigen Literaturstar, den es zu fördern gilt... Nach der charmanten Komödie Das Schmuckstück wechselte Frankreichs Regiestar François Ozon erneut das Genre. Die auf dem Theaterstück des Spaniers Juan Mayorga basierende Geschichte beginnt als Einblick in den Lehreralltag, schlägt dann in eine satirische Reflexion über den Kunstbetrieb um und läuft schließlich als doppelbödiger Voyeurismus-Thriller zur Hochform auf. Aber selbst das beschreibt das differenzierte Gefüge noch unzureichend. Denn eigentlich spielt hier nicht nur der geheimnisvolle Claude mit seinem Förderer Germain; vielmehr ist es Ozon, der sein Publikum auf immer neue Fährten lockt. Die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen allmählich. Nie kann man sich so ganz sicher sein, ob das, was uns Ozon gerade zeigt, sich tatsächlich auch ereignet. Die sexuell aufgeladene Fantasie des adoleszenten Claude, der seinen reichlich einfältigen Mitschüler nur dazu benutzt, um sich in dessen Leben einzuschleichen und dessen attraktiver Mutter nahe sein zu können, entwickelt dank Germains Ermutigungen eine besondere, schon bald kaum mehr zu kontrollierende Eigendynamik. Plötzlich befinden wir uns in einem Psychothriller mit unabsehbarem Ausgang. An die Stelle von beißender Ironie tritt eine nur schwer greifbare Suspense. Fast scheint es, als wandle Ozon wie schon seinerzeit in „Swimming Pool“ auf Hitchcocks Spuren. Beide Filme verbindet ihr Spiel mit verschiedenen Wahrnehmungen und gegensätzlichen Perspektiven. „In ihrem Haus“ erlaubt darüber hinaus geradezu tragikomische Beobachtungen eines verzweifelten Künstlers. Natürlich glaubt Germain, sich in seinem talentierten Schüler wiedererkennen. Während der Literaturbetrieb ihm jedoch keine Karriere als Schriftsteller erlaubte und seinen Debütroman eiskalt verschmähte, will er nun zumindest als Mentor eines vermeintlichen Genies seinen großen Traum durchleben. Do, 13.12. – So, 30.12.

die weite Welt im Kino – Reisefilme



ÄGYPTEN – Der Glanz der Pharaonen
Eberhard Weckerle. D 2010. 100 Min.
Von den Pyramiden von Gizeh, den Ufern des Nils bis zur Küste des Mittelmeeres – Ägypten zu entdecken ist weit mehr als eine Reise durch eine über 5.000 Jahre alte Geschichte. Ausgangspunkt ist Kairo. Nach dem Besuch der Basare und Moscheen sowie des Ägyptischen Museums führt die Reise weiter nach Gizeh, Sakkara, Dashur und in die alte Hauptstadt Memphis. Die nächste Station ist Luxor mit seinen großartigen Tempelanlagen, dem Tempel von Karnak, den Memmnonkolossen, dem Tempel der Hatschepsut und dem Tal der Könige. Die anschließende Nilkreuzfahrt führt vorbei an den Tempeln von Edfu und Kom Ombo nach Assuan. Die Höhepunkte hier sind der Basar, die nubischen Dörfer, der Nilkatarakt und die Tempelanlage auf der Insel Philae. Weiter nilaufwärts thronen die monumentalen Tempel von Abu Simbel an den Ufern des Nasser-Sees. Durch die Libysche Wüste führt die Reise entlang der Oasen Kharga, Dachla und Bahariya nach Norden. Höhepunkte sind die bizarren Landschaften der Weißen und Schwarzen Wüste. Endpunkt der Rundreise ist das legendäre Alexandria an der Mittelmeerküste mit seiner berühmten Bibliothek und der Festung Qaitbay. So, 9.12., 14:00


Israel – heiliges Land zwischen drei Meeren
Claus U. Eckert. D 2011. 91 Min.
Seit Jahrtausenden ist das Heilige Land Brennpunkt der Kulturgeschichte und die Wiege dreier Weltreligionen. Orthodoxe Juden an der Klagemauer, Christen in der Via Dolorosa und Muslime unter der goldenen Kuppel des Felsendoms. Im Norden zeugen Kirchen rund um den See Genezareth vom wundersamen Wirken des Jesus von Nazareth. Biblische Erzählungen werden in Kapernaum, Tiberias und am Jordan lebendig. In Caesarea stehen die Reliquien der römischen Besatzungsmacht. Die wehrhaften Mauern von Akko dokumentieren den blutigen Kampf der Kreuzfahrer. Das moderne Israel wird mit der Skyline von Tel Aviv und Haifa sichtbar. Eine Oase der Erholung bietet das Tote Meer mit Salzbädern und Heilschlamm. In der Nähe thront die Bergfestung Masada auf einem schroffen Felsmassiv. Ein ganzjähriger Badeort ist Eilat am Roten Meer. Die Stadt am südlichsten Zipfel Israels ist Ausgangspunkt für Exkursionen in die Wüste Negev. So, 16.12., 14:00

Same procedure as every year


Wer hat Tante Ruth angezündet?
Curtis Harrington. GB 1972. 91 Min. OmU. Mit Shelley Winters
Unser bewährter Weihnachtsgruselklassiker: Die wohltätige Tante Ruth lädt Waisenkinder in ihre große Villa, damit sie das Weihnachtsfest nicht im viktorianisch-finsteren Heim begehen müssen. Aber den lieben Kleinen spukt das Märchen von Hänsel und Gretel im Kopf herum. Und Tante Ruth hat ein Geheimnis, kostbare Diamanten und einen großen Backofen… Feiern Sie mit uns den Jahresabschluss auf die schwarz-humorig-englische Art! Mi, 19.12., 20:30

Seniorenkino – mit Seniorenbeirat der LHStadt Kiel


Große Freiheit Nr. 7
Helmut Käutner. D 1943. 109 Min. Mit Hans Albers, Ilse Werner, Gustav Knut
Woran dachte man in Deutschland 1944, wenn man von der „Großen Freiheit“ sprach? Um deutlich zu machen, dass es sich um eine Hamburger Straße auf St. Pauli handelte, verfügte Goebbels, dass man „Nr. 7“ in den Titel mit aufnähme… Und dies ist nur eine Episode aus einer langen Kette von Zensurmaßnahmen und Eingriffen, an deren Ende der Film dann doch verboten wurde – zu undeutsch die Charaktere, zu unbequem die ganze Grundhaltung, zu brisant die vielen Wortspiele („… einmal wird es vorbei sein!“). So wurde Helmut Käutners Film (von der Premiere abgesehen) erst nach dem Krieg in die Kinos gebracht und gilt seither als eines der großen Werke der deutschen Filmgechichte. – Der in die Jahre gekommene Hannes Kröger verdient sich seinen Unterhalt als Anreißer, Sänger und Musiker im Hippodrom in der Großen Freiheit, einer Nebenstraße der Reeperbahn. Sein Bruder bittet ihn am Sterbebett, dass Hannes sich um dessen Geliebte kümmert. So holt er Gisa nach Hamburg, wo sie in seinem Zimmer wohnt und sich um den Haushalt kümmert. Natürlich verliebt sich Hannes in gisa, die er zärtlich (La) Paloma nennt. Gisa jedoch erwählt sich den Werftarbeiter Georg. Das kann nicht gut gehen… Um den Film überhaupt von Bombenangriffen ungestört drehen zu können, wurden die Dreharbeiten nach Prag verlegt, St. Pauli wurde im Atelier nachgebaut. Nur wenige Sequenzen entstanden tatsächlich im Hamburger Hafen. Dafür ließ Käutner die Kriegsschiffe unter Tarnnetzen verbergen. Wer aber genau hinsieht, erkennt Geschütze auf den Handelsschiffen… Sa, 8.12., 16:00