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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Grimme-Preis verliehen an Annekatrin Hendel für „Vaterlandsverräter“

Der u.a. von der Kulturellen Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern un der Filmwerkstatt Kiel der FFHSH geförderte Dokumentarfilm „Vaterlandsverräter“ wurde mit dem Grimme-Preis 2013 ausgezeichnet.

Die Begründung der Jury: „Was für ein Filmanfang: Ein Ruderboot, ein Mann, eine Frau, eine Kamera. Der Dichter Paul Gratzik rudert. Die Regisseurin Annekatrin Hendel fragt ihn aus dem Off nach seiner Stasi-Geschichte. Gratzik erinnert sich an einen Spruch seiner Mutter: ’Der schlimmste Feind im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.’ Der Gedanke nagt an ihm, die Regisseurin lässt nicht locker. Er bekommt einen Wutausbruch, will plötzlich nichts mehr vom Thema seiner Stasivergangenheit wissen und von Reue schon gar nicht: ’Ich geh über Bord. Ich habe kein Gewissen, ich habe keine Moral. Jedenfalls nicht eure.’

Lange nicht hat man in einem Dokumentarfilm eine so rasante, spannungsgeladene und aussagekräftige Szene gesehen – ein Lehrstück für alle Filmschulen. Und was das Beste ist: Das Versprechen des Anfangs kann der Film einlösen. ’Vaterlandsverräter’ ist ein Film der Auseinandersetzung, der Konfrontation, des Dialogischen. Der Dichter Paul Gratzik hatte in der DDR einen großen Namen als Schriftsteller, wurde von Heiner Müller protegiert, war aus einfachen Verhältnissen in die Bohème der DDR-Kunst aufgestiegen. Dazu gehörte auch: Jahrelang arbeitete er für die DDR, schrieb miese Berichte über Freunde und Kollegen, bespitzelte selbst seine Geliebten. Anfang der 80er Jahre stieg er aus, outete sich und wurde nun selbst zum Beobachtungsobjekt. Der verratene Verräter konnte nicht mehr publizieren. Er zog sich zurück in die Einsamkeit eines Einsiedlerhofs in der Uckermark.

Annekatrin Hendel zeigt ihren Protagonisten als eine widersprüchliche, manchmal herausfordernde, manchmal anwidernde Persönlichkeit. Ein Protagonist, der sich gern um Kopf und Kragen redet, pompös, charmant, schroff. Sie lässt ihm keine Ausflüchte, zwingt ihn, sich seiner Geschichte zu stellen, respektiert ihn gleichwohl als Person. Das ist spannend bis aufregend und zwingt den Zuschauer, sich selbst zu dieser polarisierenden Figur zu stellen, eine Haltung zu finden. Es sind schon hunderte Filme über die DDR und die Staatssicherheit gedreht worden – dies ist einer der wenigen, der nicht auf den ausgetretenen Pfaden der Selbstgewissheit läuft.“ (aus: www.grimme-institut.de/html/index.php?id=1742)


Grimme-Preisträgerin Annekatrin Hendel, mit Producerin Maria Wischnewski, am 12.4.2013 bei der Gala anläßlich der Verleihungen des 49. Grimme-Preises 2013 im Theater der Stadt Marl. (Foto: Juliane Voigt)
Eine weitere Auszeichnung ging an Jan Schomburg für sein von der FFHSH gefördertes Langfilmdebüt „Über uns das All“ (Produktion: Pandora Film). Er erhielt das Eberhard-Fechner-Förderstipendium der VG Bildkunst. Die Jury bewunderte vor allem Schomburgs „große Könnerschaft“, eine Geschichte zu erzählen, „die eine existentielle Krisensituation einkreist. In einer Konstellation, die auch mit dem Abwesenden, dem Geheimnisvollen spielt.“

Mehr zur Gala, zu den Preisträgern und zu der Jury hier.

(nach Mitteilungen der Kulturellen Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern und der FFHSH)