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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

55. Nordische Filmtage Lübeck 2013

Programm Retrospektive: „Nord!wärts im Film: Spitzbergen und der Weg zum Pol“

Unter dem Titel „Nord!wärts im Film: Spitzbergen und der Weg zum Pol“ stellt die Retrospektive der Nordischen Filmtage Lübeck in diesem Jahr vom 30. Oktober bis zum 3. November 2013 einerseits umfangreiches historisches Filmmaterial vor, das sich in Spiel- und Dokumentarfilmen mit dieser arktischen Region auseinandersetzt. Anderseits werden auch moderne filmische Dokumente gezeigt, die einen ganz aktuellen Blick auf die klimatischen Bedingungen der Polargegend werfen.

Natürlich dürfen, wenn es um Spitzbergen geht, die großen Abenteurer und Forscher nicht fehlen, wie der Norweger Roald Amundsen, der als erster Mensch den geografischen Südpol im Dezember 1911 erreichte und gleich mehrere Anläufe zum Nordpol unternahm. Mit Amundsens eigenen Worten und Original-Filmmaterial porträtiert der Film „Abenteuer im Eis – Das Leben und Sterben des Roald Amundsen” von Stig Andersen und Kenny Sanders (1999) nicht nur seinen berühmten Wettlauf mit dem Briten Robert F. Scott, sondern auch dessen Nordpol-Expeditionen. Hierzu sind auch der zeitgenössische norwegische Expeditionsfilm Roald Amundsen - Lincoln Ellsworth's Polar Flight von 1925 (Regie: Paul Berge, Oscar Omdal), der in einer restaurierten Fassung mit neuem Soundtrack vorliegt, und die mittellange Dokumentation „Mythos Amundsen - Verschollen in der Arktis” (D, 2010) des deutschen Regisseurs Rudolph Herzog sehenswert, der sich auf die Suche nach den Spuren und Überbleibseln der Amundsen-Expedition des Jahres 1928 macht. Im Jahr 1924 entstehen die ersten Luftaufnahmen von Spitzbergen und des angrenzenden Polargebietes für den Film „Im Junkers-Flugzeug über Spitzbergen”, in Auftrag gegeben vom damaligen Dessauer Erfolgsunternehmer Hugo Junkers, der den bekannten Schweizer Piloten und Kameramann Walther Mittelholzer mit zwei Flugzeugen des Junkers-Typs F 13 (dem weltweit ersten Ganzmetallflugzeug) auf den Weg schickt.

Den schwedischen Aeronauten S.A. Andrée, Strindberg und Frænkel, die in einem Ballon 1897 zum Pol fliegen wollten, folgt Regisseur Jan Troell genau 100 Jahre später mit dem Film „Der gefrorene Traum” (En frusen dröm), basierend auf Tagebucheintragungen und Fotos der Besatzung, die 1930 entdeckt worden waren, als das letzte Camp des Teams gefunden wurde. Dem Deutschen Herbert Schröder-Stranz und seiner Expedition im Jahr 1912/13 spürt der moderne Abenteurer Arved Fuchs zusammen mit dem Klimaforscher Dr. Dirk Notz nach im Film „Verschollen vor Spitzbergen” (Deutschland 2008, Regie: Kirsten Hoehne und Frode Mo). Fuchs glaubt, das mysteriöse Verschwinden der Männer rekonstruieren zu können, die 1912 auf dem Schiff „Herzog Ernst” vom norwegischen Hafen Tromö aufbrachen und auf Spitzbergen starben.

Im Jahr 1965 macht sich der bekannte deutsche Schriftsteller Alfred Andersch mit einem Hochseekutter vier Wochen lang auf den Weg, um westlich um Spitzbergen bis zu den Sieben Inseln am Rand des Packeises zu fahren. Dabei entstehen zahlreiche Farbfotos, aufgenommen von seiner Frau Gisela und Reisenotizen, die Andersch zu seinem Reisebuch „Hohe Breitengrade oder Nachrichten von der Grenze“ (erschienen 1969) inspiriert haben. Filmisch festgehalten wurde die Reise in Martin Bosbooms Dokumentation „Haakons Hosentaschen“.

Zwanzig Jahre später, 1985, dreht Ola Solum den arktischen Spionage-Thriller „Orion’s Belt“. In diesem Spielfilm stoßen drei Norweger an der Küste Svalbards auf einen sowjetischen Lauschposten in einer Höhle. Diese Entdeckung versuchen die Sowjets mit allen Mitteln geheim zu halten. Ein spannender Thriller aus den Zeiten des Kalten Krieges nach dem Buch von Jon Michelet.

10 Jahre danach zeigt Hans Petter Moland in dem auf Spitzbergen gedrehten „Arktis-Western” „Zero Kelvin” (Kjærlighetens kjøtere) drei sehr verschiedene Männer, die auf eine Jagdexpedition in der kalten Polarlandschaft gehen. Konflikte bahnen sich an, die eskalieren als ein Mann aus der Gruppe am Weihnachtsabend 1928 verschwindet.

In der Dokumentation „The Ghost of Piramida” (Regie Andreas Koefoed) lässt sich die dänische Band Efterklangen von der verlassenen Bergbausiedlung Piramida auf Spitzbergen inspirieren und nimmt dort Töne für ein späteres Album auf. Besonders beeindruckend im Films sind auch die Aufnahmen und Erinnerungen des russischen Amateurfilmers Alexander Inanovic Naomkin, der hier von Ende der 1960er Jahre bis 1998 gelebt hat.

Passend dazu widmet sich auch die Eröffnungsveranstaltung der Retrospektive am 30. Oktober um 19.30 Uhr im CineStar Filmpalast Stadthalle den musikalisch-künstlerischen Themen: Im Musikvideo „Polar Euphoria” (Polar eufori) von Mari Tefre wird musikalisch der Arktis, dem Norden und ganz speziell Spitzbergen ein filmisches Denkmal gesetzt. Ebenfalls in eine künstlerische Auseinandersetzung mit Spitzbergen geht auch der mittellange Film „Es wird sich jemand finden, der selbst diese Leere nicht fürchtet”, der 20 Künstler begleitet, die sich 2012 auf einer zweiwöchigen Segeltour von dem arktischen Ort inspirieren ließen und ihre Eindrücke mit bizarren, surrealen und wunderschönen Aktionen in Kunst verwandelt haben. Als Vorfilm in diesem Eröffnungs-Programm läuft der Kurzfilm „Ghost Radio Hunter”, der ebenfalls die Siedlung Piramida zum Thema hat. In der verlassenen Siedlung versucht der Künstler Per Martinsen ein „Geister-Radio” aufzuspüren, das immer noch Signale aussendet.

Jörg Schöning, Leiter der Retrospektive: „So wie zeitgenössische, avantgardistische Künstler sich mit Artefakten auf Spitzbergen beschäftigen, kann auch die Begegnung mit alten Filmen in der Retrospektive dazu anregen, sich mit Gegenwart und Zukunft dieses einzigartigen Landschaftsraumes auseinanderzusetzen.”

Als Auftaktveranstaltung für die diesjährige Retrospektive wird DIE GEMEINNÜTZIGE am Dienstag, 29. Oktober um 19.30 Uhr passend dazu einen Vortrag des Hamburger Meteorologen und Spitzbergen-Experten Dr. Dirk Notz in ihren Räumen in der Königstr. 5 in Lübeck abhalten. Der Eintritt ist frei. Dr. Notz ist Mitarbeiter am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und spricht an diesem Abend über den Rückgang der polaren Eisflächen und die Auswirkungen der Eisschmelzen in Bezug auf den Klimawandel.

Die Retrospektive hat drei Filme neu mit ins Programm genommen. Die Kurzfilm-Trilogie des Norwegers Knut Erik Jensen mit den Filmen „Spitzbergen in der Welt“ (1983), „Kalte Welt“ (1986) und „Meine Welt“ (1987) wird am Freitag, 1. November 2013, 16.30 Uhr im CineStar Filmpalast Stadthalle, Kino 4, zusammen mit dem Film „Verschollen vor Spitzbergen“ gezeigt. Regisseur Knut Erik Jensen, Jahrgang 1941, stammt aus Honningsvåg in Nordnorwegen. Er studierte Französisch, Russisch und Geschichte und ging anschließend an die International Film School London. Seinen Durchbruch als Filmemacher hatte er Mitte der 1980er Jahre. Sein Kurzfilm „Spitzbergen in der Welt“ von 1983 war der erste Teil seiner Trilogie über Spitzbergen, die wie eine impressionistische Bildercollage anmutet. In diesen Filmen präsentiert er seine Filmideen in eindrucksvollen und prägnanten Details mit dem Resultat einer fast surrealen und sehr intensiven Darstellung von Landschaft und Umwelt. Diese ungewöhnliche Form des Dokumentarfilms entwickelte er in „Kalte Welt“ (1986) weiter. Hier zeigt er eine Strandlandschaft mit Walrossen und Knochenfunden. Jensens Kamera fängt Details in extremer Nahaufnahme auf so besondere Art und Weise ein, dass die Vielzahl von Bildern von Knochenrückständen, Moos, Holzarbeiten, Eis und Wasser in eine Studie von Texturen und Strukturen überzugehen scheint. In „Meine Welt“, dem letzten Teil dieser Trilogie, öffnet Jensen seinen Blick und orientiert sich am Menschen. Er porträtiert das Leben eines Jägers auf Spitzbergen. Seit mehr als 10 Jahren wohnt er in einer kleinen ungedämmten Hütte; seine Lebensumstände erforscht der Filmemacher im Rhythmus ruhig-reflektierter Aufnahmen. Bekannt wurde Jensen durch seine drei Spielfilme „Stella Polaris“ (1993), „Burnt by Frost“ (1997) und „Passing Darkness“ (2000). Vier Mal wurde er für den norwegischen Filmpreis „Amanda“ nominiert. Sein Film „Cool and Crazy“ (2002) über einen Männerchor aus dem kleinen Ort Berlevåg an der Barentssee brach in Norwegen alle Zuschauerrekorde und erhielt unter anderem den „Amanda“-Filmpreis als „Bester Dokumentarfilm“ und als „Bester Spielfilm“. In Lübeck war er zuletzt 2009 vertreten mit seinem Spielfilm „Ice Kiss“ über die norwegische Spionin Gunvor Haavik. Viele von Knut Erik Jensens Filmen sind eine Hommage sowohl an die Natur als auch an die Bewohner von Nord-Norwegen. Er filmt die alltägliche Realität, aber legt sein besonderes Augenmerk auf die Universalität des Menschseins und zeigt den Kern der menschlichen Würde und Humanität.

Weitere Informationen zu den Nordischen Filmtagen Lübeck finden sie unter www.filmtage.luebeck.de oder besuchen Sie uns auf Facebook: facebook.com/NordicFilmDays.

(nach Pressemitteilungen der NFL)