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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

Kiel unter der Lupe

Die Filmemacher Gerald Grote und Thomas Plöger machen ein Kieler Filmschätzchen wieder sichtbar


Einzigartig, was der Kieler Kino-Zar Klaus Scepanik vor 46 Jahren versuchte: Eine Wochenschau nur für und aus Kiel, als Vorfilm in den Kieler Kinos seines kleinen Imperiums von Brücke über Central und Savoy bis ins große Metro. Verrückte, schwarzweiße und in 35-Millimeter als „Kintopp“ angelegte Idee, wo 1968 schon das Farbfernsehen die Nachrichtenhoheit übernommen hatte, man mit Kinowochenschauen allenfalls nacheilen konnte – wenn, dann nur lokal. Und dennoch: Scepanik ließ es sich nicht nehmen, Kieler Kultur-, Showbiz- und Sportleben aufwendig auf die Leinwand zu bringen. Circa 10.000 DM pro Folge, produziert von der Deutsche Wochenschau GmbH, musste er investieren, um Kiel die eigene Wochenschau zu präsentieren.


Premiere „Half A Six Pence“ an der Brücke 1968 (Still aus dem Film)
Nur acht Folgen zwischen dem 6. September 1968 und dem verfrühten Ende 1969 ging das gut, danach das Geld aus, und daher blieb die Leinwand vor dem Hauptfilm fortan dunkel. Trotz alledem: Es ist ein Kieler Filmschätzchen entstanden, das die Kieler Filmemacher und -historiker Thomas Plöger und Gerald Grote jetzt aus den Annalen wieder zugänglich machen: „Die Kieler Lupe“ auf DVD, mitsamt des ebenfalls von Grote und Claus Oppermann wiederentdeckten Werbefilmchens der Stadt Kiel zur 1972er Olympiade und einem Gespräch mit dem damaligen Oberbürgermeister Günther Bantzer und Jürgen Jensen, emeritiertem Direktor des Kieler Stadtmuseums.


Kiel und großes Kino: Joachim Fuchsberger (r.) und Horst Tappert bei der Autogrammstunde (Still aus dem Film)
Mit Klaus Scepaniks Erben musste man nicht lange verhandeln, um das Kieler Filmerbe wieder zugänglich zu machen. Schon Thomas Plöger und Werner Barg hatten für ihre Doku „Metro – Geschichte eines Kinos“ Material aus Scepaniks Archiv verwenden dürfen. Helmut Schulzeck hatte die Filmrollen für seinen „Regina-Blues“ über das Kieler Programm-Kino Regina, erst spät ein Scepanik-Kino, aus der Konkursmasse des Metro gerettet, aber noch nicht zitiert. Nun aber können wir wieder durch die Lupe auf Kiel schauen.

Was zeigt sie von „der kleinen Großstadt im deutschen Norden“? Unerhebliches, all das Politische der 68er bewusst ausgeblendet, erwähnt nur am abstrusen Rande, dass Kieler Kinder schon in jungen Jahren entdecken konnten, „wo die akademische Lust zum Protest gegen das Establishment rechtzeitig geweckt wird“. Oder dass zum Abschied des Schulschiffs „Deutschland“ „letzte Freuden in der Heimat, gewürzt werden mit einer Träne des Abschieds. Muttis sind stolz, Väter wollen mit.“


Großes Kino auch im Metro – gelupt von der „Kieler Lupe“
Lange her und noch länger herzitiert. Das schmale Wochenschaukonvolut zeigt Deutschland, wie es damals war, irgendwie heimelich unschuldig im kleinen Kiel. Grote und Plöger können darüber heute auch nur noch lachen – und staunen, „wie wir Kieler einst waren“. (jm)

Retro-Premiere am Mittwoch, 19.11.2014, 20 Uhr im metro – Kino im Schloßhof.