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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

4. Transgender Film Festival

„Stonewall“ – Kinofilm kontrovers

Ist STONEWALL von Roland Emmerich der erste große Kinofilm, der den Ursprung der CSD-Paraden zeigt und deutlich gegen Diskriminierung Stellung bezieht? Oder ist STONEWALL ein lächerliches Machwerk, eine Geschichtsfälschung, Inbegriff von Transphobie und Rassismus und ein Film, den es besser gar nicht geben sollte?

STONEWALL wird im Rahmen des 4. Transgender Film Festivals am Donnerstag, 14. und Samstag, 16. April, jeweils 17.45 Uhr im Traum-Kino gezeigt und zur Diskussion gestellt. Die Kontroverse um den Film ist noch interessanter als der Film selbst. Anbei einige Quellen dazu:

STONEWALL ist aktuell nominiert bei CINEMA FOR PEACE für den „Nelson Mandela Award für den wertvollsten Film des Jahres“ (http://www.redcarpetreports.de/2016/allgemein/fluechtlinge-im-mittelpunkt-der-cinema-for-peace-gala-2016/). STONEWALL erhielt im Januar 2016 von der Political Film Society in den USA eine Nominierung als einer der vorbildlichsten Filme zum Thema Bürgerrechte (http://www.polfilms.com/stonewall.html). STONEWALL gilt mit einem Produktionsbudget von 18 Millionen Dollar als aufwändige Independentproduktion. Im August 2015 wurde ein vielbeachteter Boykottaufruf wegen angeblicher grober historischer Ungenauigkeit gestartet (https://unite.gsanetwork.org/petitions/boycott-2015-stonewall-movie).

Der Boykott geht dabei von einem Geschichtsbild aus, für das es aufgrund von Augenzeugen zwar Belege gibt:
zugleich existieren aber auch gegenteilige Augenzeugenberichte, nach denen Roland Emmerichs Darstellung als legitim, vielleicht sogar als zutreffend gelten kann:
Folgt man dieser Darstellung, war der Boykottaufruf, der sogar ohne Kenntnis des gesamten Films erfolgte, falsch, verantwortungslos und hat einem großen LGBT-Projekt schwersten Schaden zugefügt. Nach der Premiere von STONEWALL auf dem Toronto-Filmfestival und in den US-Kinos war der überwiegende Tenor der Kritiker in Bezug auf Darsteller und Dramaturgie sehr negativ, oft mit Häme und Spott garniert:
Es gab aber auch eine kleine Anzahl positiver Reviews:
In der Internet-Movie-Database gab es im September mit drei (von maximal zehn möglichen) Sternen eine sehr niedrige User-Bewertung (http://www.ufa-dresden.de/programm/filmdetail/stonewall.html). Seit dem gleichfalls schwach laufenden DVD-Verkaufsstart in den USA (19.1.2016) ist der Durchschnittswert in der IMDB aber kontinuierlich gestiegen, auf aktuell 4.0 (http://www.imdb.com/title/tt3018070/ratings) mit weiter steigenden Tendenz, was auf eine erhöhte Reputation hindeutet und auf eine Neubewertung des Films hinausläuft.

Im Juli 2015 hielt der englische Guardian noch ohne Kenntnis des Films ihn für einen denkbaren Kandidaten für die Oscars (http://www.theguardian.com/film/2015/jul/22/roland-emmerichs-gay-rights-drama-joins-the-race-for-the-oscars, http://www.theguardian.com/film/2015/jul/28/toronto-film-festival-premieres-tiff-stonewall-freeheld). Im Januar 2016 im Vorfeld der Oscar-Nominierungen war STONEWALL konkret im Gespräch für Nebendarsteller Jonny Beauchamp:
und galt als möglicher Kandidat für den besten Soundtrack (oscarfavorite.com/2015/11/stonewall-2015-soundtracks.html#.Vro6xI-cGcy).

In den USA spielte er in den Kinos nur 188.000 Dollar ein (1% vom Produktionsbudget, bei einem durschnittlichen Eintrittspreis von 8 Dollar ergibt sich die Zuschauerzahl 23.500) (http://www.the-numbers.com/movie/Stonewall-(2015)#tab=summary). In Deutschland hatte er 6.700 Kinobesucher, was proportional dem US-Ergebnis entspricht: die Besucherzahl in den USA ist 3,5 mal so hoch, es leben aber auch 4 mal so viele Menschen in den USA, das Ergebnis in Deutschland ist minimal höher. „Stonewall“ ist in den USA ein bekannter Symbol-Begriff, in Deutschland nicht (lediglich CSD ist bekannt). Auch in Deutschland ist er mittlerweile aus den Kinos verschwunden, nur sporadisch kommt es noch zu Kinoeinsätzen.

Die Kritiken in Deutschland waren im Vergleich zu den USA eher wohlwollend und drückten oft Unverständnis über den Boykott aus:
Neben einem kleinen, nicht-promoteten Kinostart Anfang Januar in Wien gibt es derzeit in keinem weiteren Land einen Kinostart, STONEWALL kommt international nur noch auf DVD/BluRay/VOD heraus. Die Fotos von den Stonewall-Riots stützen die Darstellung des STONEWALL-Films – Foto-Quellen:

Der Boykottaufruf von 2015 kann so nicht richtig sein, weil er Statements wie diese nicht zu integrieren vermag:
Zwei polemische Statements:

Die Hysterie scheint sich zu legen, und eine unaufgeregte, offene, differenzierte Sicht auf Schwächen und Stärken des Films setzt sich durch. Der IMDB-Wert ist weiter gestiegen auf 4.2 (http://www.imdb.com/title/tt3018070) – zu spät, das Produtionsbudget von 18 Millionen Dollar ist weg.

(zusammengestellt von Andreas Steffens, Traum-Kino)