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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

ARTE Cinema zeigt fünf wegweisende DEFA-Produktionen

Auf cinema.arte.tv sind derzeit fünf interessante und zugleich für das DEFA-Kino wegweisende Filme zu sehen.

Jahrgang 45

DDR 1966/1990, 90 Min., R: Jürgen Böttcher

23 Jahre jung ist Al und seit zwei Jahren mit Li verheiratet. Gemeinsam wohnen sie in einer Einzimmer-Altbauwohnung im Berliner Prenzlauer Berg. Aber Al will nicht weiterleben wie bisher.
Er möchte das Gewohnte durchbrechen, auch wenn er noch nicht weiß, wohin er will. So reicht er die Scheidung ein, obwohl er Li, die als Säuglingsschwester arbeitet, liebt. Weder seinem guten Nachbarn und Freund, dem 70-jährigen Mogul, noch seinem Opa und seiner Mutter kann Al sich erklären. Seiner Familie wirft der junge Mann zudem vor, dass sie von ihren Kriegserlebnissen und der Vergangenheit nicht loskomme. Zunächst zieht Al in eine Kellerwohnung, dem Treffpunkt seiner alten Motorradkumpels. Da er Urlaub hat, lässt Al sich durch die Stadt treiben, trifft Freunde und flirtet mit Mädchen. Zwischendurch kehrt er vor Langeweile sogar an seinen Arbeitsplatz, eine Kfz-Werkstatt, zurück. Aber das was er sucht, das Andere, das eigentliche Leben, kann er nicht finden. Trotzdem kommt es zu einer Wiederannäherung von Al und Li …
REGIE: Jürgen Böttcher
PRODUZENT: DEFA-Studio für Spielfilme
DREHBUCH: Klaus Poche, Jürgen Böttcher
KAMERA: Roland Gräf
MUSIK: Henry Purcell, Wolf Biermann, Matthias Suschke; Es singt: Eva-Maria Hagen
DARSTELLER: Monika Hildebrand (Lisa, genannt Li), Rolf Römer (Alfred, genannt Al), Paul Eichbaum (Mogul), Holger Mahlich (Hans), Gesine Rosenberg (Rita), Walter Stolp (Kaderleiter), Werner Kanitz (Napoleon), Ingo Koster (Heinz), Anita Okon (Sylvi), Ruth Kommerell (Mutter), Richard Rückheim (Opa), A. R. Penck (Freund)

Die Architekten

DDR 1990, 102 Min., R: Peter Kahane

Noch kann er sich an seine Ideale als junger Architekturstudent erinnern. Doch was ist daraus geworden?
Karriere hat Daniel Brenner, 38 Jahre alt, nicht gemacht. Bisher konnte er nur Buswartehäuschen projektieren. Aus diesem Zustand der Lähmung und Lethargie wird er noch einmal herausgerissen, endlich scheinen seine Träume Wahrheit zu werden.
Durch die Unterstützung seines alten Professors erhält er den großen Auftrag, für Berlins Neubaugebiet Marzahn ein kulturelles Zentrum zu schaffen. Einige seiner ehemaligen Kommilitonen gewinnt er für dieses Projekt, ein Team von leidenschaftlich engagierten Jungarchitekten entsteht. Gemeinsam suchen sie nach Alternativen zu der staatlich verordneten Monotonie und Gleichförmigkeit, die weit über das Bauwesen hinaus bis in das Privatleben hineinreicht.
Diese Erfahrung muss auch Daniel machen. Viel zu spät erkennt er, wie sehr seine Frau Wanda vom ewig gleichen Alltag erdrückt wird. Sie will nicht mehr warten, sondern ihr Leben im Hier und Heute leben, weshalb sie gemeinsam mit Tochter Johanna aus der DDR ausreist.
REGIE: Peter Kahane
PRODUZENT: DEFA-Studio für Spielfilme
DREHBUCH: Thomas Knauf (Szenarium), Peter Kahane (Mitarbeit)
KAMERA: Andreas Köfer
MUSIK: Gerd Halbach, Georg Friedrich Händel, Tamás Kahane, Herbert Keller, Hans Naumilkat, Gerhard Siebholz
STANDFOTOGRAF: Christa Köfer
DARSTELLER: Kurt Naumann (Daniel Brenner), Rita Feldmeier (Wanda Brenner), Uta Eisold (Renate Reese), Jürgen Watzke (Martin Bulla), Ute Lubosch (Franziska Scharf), Catherine Stoyan (Elke Krug), Andrea Meissner (Barbara Schneider), Jörg Schüttauf (Wilfried Berger), Hans-Joachim Hegewald (Albrecht Wischala), Christoph Engel (Ökonom Endler), Joachim Tomaschewsky (Prof. Vesely), Judith Richter (1. Kind), René Wünsch (2. Kind), Werner Dissel (Alter), Wolfgang Greese (Günther Adam), Roland Kuchenbuch (Dieter Zahlke), Karl Ernst Hobol, Thomas Just, Markus Kissling, Ronny Tanner, Jürgen Watzke

Berlin – Ecke Schönhauser

DDR 1957, 79 Min., R: Gerhard Klein

Berlin, Prenzlauer Berg. Unter dem U-Bahnbogen an der Ecke Schönhauser Allee trifft sich täglich das junge Deutschland.
Die Erwachsenen stören sich an der Gruppe Jugendlicher, den Halbstarken, ohne zu fragen, warum sie auf der Straße ihre Freiheit suchen. Da ist „Kohle“, dessen Stiefvater versucht, ihm mit Schlägen Anstand beizubringen. Angela macht stundenweise Platz für den Liebhaber der Mutter, einer Kriegswitwe, die die Einsamkeit nicht mehr aushält. Dieter liebt Angela und ist ein anständiger Kerl, der sich aber von niemandem etwas sagen lässt und deshalb überall aneckt. Einzig und allein Karl-Heinz, ein Junge aus behütetem Elternhaus, ist auf die schiefe Bahn geraten. Am Bahnhof Zoo versucht er, das schnelle Geld zu machen. Als er seine Freunde Dieter und „Kohle“ mit in die Sache hineinzieht, müssen die beiden vor der Polizei in den Westsektor der Stadt fliehen. Im Auffanglager kommt „Kohle“ tragisch ums Leben, und Dieter muss erneut um seine innere Freiheit kämpfen.
REGIE: Gerhard Klein
PRODUZENT: DEFA-Studio für Spielfilme
DREHBUCH: Wolfgang Kohlhaase
KAMERA: Wolf Göthe
MUSIK: Günter Klück
DARSTELLER: Ekkehard Schall (Dieter), Ilse Pagé (Angela), Harry Engel (Karl-Heinz), Ernst-Georg Schwill (Kohle), Helga Göring (Angelas Mutter), Raimund Schelcher (VP-Kommissar), Erika Dunkelmann (Kohles Mutter), Maximilian Larsen (Stiefvater von Kohle), Ingeborg Beeske (Mutter von Karl-Heinz), Siegfried Weiß (Vater von Karl-Heinz), Manfred Borges (Bruder von Dieter), Hartmut Reck (FDJler), Gert Heinrich, Jürgen Holtz (Geldwechsler), Gerhard Soor (Geldwechsler), Gerhard Rachold (Schläger), Adi Tischmeier (FDJ-Sekretärin), Heinz Schröder (1. Lagerleiter), Peter Kiwitt (2. Lagerleiter), Gerd Michael Henneberg (Amerikaner), Horst Friedrich (Korpulenter Mann), Rolf Ripperger (Chef des Funkwagens), Albert Zahn (Arbeiter), Brigitte Stroh (Kohles Schwester), Hella Jansen (Sekretärin), Brigitte Rauchfleisch (Mädchen von Karl-Heinz), Dorothea Thiesing (Dieters Zimmerwirtin), Anselm Glücksmann (Freund von Angelas Mutter)

Ich war neunzehn

DDR 1968, 114 Min., R: Konrad Wolf

Ein Kunstwerk, eigenwillig, streng, voller Geschichten von den letzten Tagen des Krieges.
Zweifelsohne zählt „Ich war neunzehn“ zu den bedeutenden DEFA-Produktionen und den wichtigen Filmen des deutschen Kinos überhaupt, war er doch stilistisch dem konventionellen Kino weit überlegen, das in den 50er- und 60er-Jahren in der Bundesrepublik Deutschland den Ton angab. Der Neue Deutsche Film, verkörpert durch Wenders, Fassbinder und Herzog, setzte sich ja erst später durch. „Ich war neunzehn“ erzielte übrigens einen beachtlichen internationalen Erfolg, im Unterschied zu den meisten DEFA-Produktionen, die fast ausschließlich in den ehemaligen Ostblockländern vertrieben wurden.
Der Film behandelt von Woche zu Woche den Marsch der Roten Armee auf Berlin vom 16. April bis 3. Mai 1945. Deutschland steht kurz vor dem Zusammenbruch, und seine Soldaten wollen lieber desertieren oder sich dem Feind ergeben, als den Kampf fortsetzen. In den kleinen Städten und auf dem Lande wird ein Gebiet nach dem anderen befriedet. Nur die von sowjetischen Streitkräften belagerte Zitadelle Spandau, in der sich viele Offiziere und Zivilisten verschanzt haben, widersetzt sich anfangs der Kapitulation: Zur Vermeidung eines sinnlosen Blutbads hat die sowjetische Seite Emissäre entsandt, die jedoch vorerst abgewiesen werden. Am Ende des Films schießt eine SS-Kolonne unterwegs auf verwundete deutsche Soldaten, die sich einem kleinen russischen Sonderkommando ergeben haben. Die verschiedenen Episoden werden vom Standpunkt eines blutjungen Leutnants deutscher Herkunft erzählt, der nach zwölfjährigem Exil zum ersten Mal wieder heimatlichen Boden betreten hat: diesmal als Rotarmist. Aufgrund seiner Zweisprachigkeit hat er eine Sonderstellung als Übersetzer und Vermittler zwischen Russen und Deutschen inne.
Das Werk beruht auf Konrad Wolfs eigenen Erinnerungen. Der am 20. Oktober 1925 geborene Sohn des kommunistischen Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf hatte Deutschland als Achtjähriger verlassen: Die Familie war 1933 nach der Machtergreifung der Nazis emigriert und über Österreich, die Schweiz und Frankreich schließlich 1934 in die Sowjetunion gekommen. In der Uniform der Roten Armee kehrte Konrad Wolf dann als Neunzehnjähriger in seine Heimat zurück. „Ich war neunzehn“ ist ein außergewöhnlicher Kriegsfilm, vor allem wegen der Persönlichkeit seines Helden – eines jungen Mannes, der gerade erst die Kindheit hinter sich gelassen hat. Er, der sich beiden Lagern nicht wirklich zugehörig fühlt, wird gleichzeitig Zeuge und Protagonist eines entscheidenden Kapitels des Zweiten Weltkriegs.
„Ich war neunzehn“ ist ein bemerkenswert inszenierter Film voller unvergesslicher Bilder. Zeitlupen, Standbilder und andere Stileffekte werden sehr behutsam eingesetzt, um die angestrebte Authentizität zu wahren. Konrad Wolf gestattet sich auch die für einen Spielfilm ziemlich seltene Freiheit, einen Dokumentarfilmausschnitt einzubauen. Darin zeigt er das Verhör eines Henkers, der vor der Kamera erklärt, wie eine Gaskammer in einem Vernichtungslager funktioniert und bedient wird. Diese Aufnahmen lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Eine andere, diesmal fiktionale, Sequenz veranschaulicht die Verblendung und den Fanatismus der Nazis zu einem Zeitpunkt, als der Krieg praktisch schon verloren ist: Während der Belagerung der Zitadelle Spandau schenkt ein Offizier einem Hitlerjungen, der ihm erzählt, wie er einen russischen Soldaten mit einer Granate getötet hat, sein Eisernes Kreuz. In der Tat hatte das Hitler-Regime kurz vor der Kapitulation Invaliden aus dem Ersten Weltkrieg und Kindersoldaten als letztes Aufgebot in die blutige Schlacht um Berlin geworfen.
Obwohl „Ich war neunzehn“ als realistischer und aufrichtiger Film zu werten ist, trägt er doch zu einer propagandistischen Sicht der Befreiung Deutschlands bei: Er verherrlicht die sowjetische Militärstrategie, die um jeden Preis unnötiges Blutvergießen vermeiden will, verschleiert allerdings schockierende Taten der sowjetischen Truppen, insbesondere die systematischen Vergewaltigungen in Deutschland und Polen: Immerhin wurden zwischen Januar 1945, als die Rote Armee in Deutschland einmarschierte, und Juli 1945, als die Alliierten das Land unter sich aufteilten, fast zwei Millionen deutsche Frauen und Mädchen von Sowjetsoldaten vergewaltigt. Diese Taten waren lange tabu und erscheinen unseres Wissens in keinem Film über den Zweiten Weltkrieg aus den 50er- und 60er-Jahren. Ähnliche Vorkommnisse aufseiten der alliierten Streitkräfte tauchen übrigens auch in keinem Hollywood-Kriegsfilm auf. Da die DEFA-Produktionen der DDR-Filmzensur unterlagen, konnte Konrad Wolf das heikle Thema nicht explizit ansprechen. Aber er setzte zumindest durch, dass es in einer Szene kurz und dennoch unmissverständlich angedeutet wurde.
Darüber hinaus kann man Konrad Wolf auch insofern Mut bescheinigen, als er in einer anderen wichtigen Szene des Films eine weitere, in der Roten Armee verbreitete Geißel erwähnt, den Alkoholismus: Da bringen sich betrunkene Soldaten auf dem Lande gegenseitig um, wodurch sie das kleine Sonderkommando zur Umkehr zwingen.
An dieser Stelle drängt sich eine Vermutung auf: Sam Peckinpah könnte „Ich war neunzehn“ gesehen haben, bevor er neun Jahre später seinen Film „Steiner – Das Eiserne Kreuz“ drehte.
REGIE: Konrad Wolf
PRODUZENT: DEFA-Studio für Spielfilme
DREHBUCH: Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf
KAMERA: Werner Bergmann
MUSIK: Lied „Am Rio Jarama“ singt Ernst Busch
DARSTELLER: Jaecki Schwarz (Gregor), Wassili Liwanow (Wadim), Alexej Ejboshenko (Sascha), Galina Polskich (Sowjetisches Mädchen), Jenny Gröllmann (Deutsches Mädchen), Rolf Hoppe (Major)

Karla

DDR 1965, 127 Min., R: Herrmann Zschoche
Karla Blum kommt frisch von der Universität und soll in einer Kleinstadt eine 12. Klasse in Deutsch und Geschichte unterrichten.
Voll Enthusiasmus will die junge Lehrerin ihre Schüler zu selbstständigem und kritischem Denken erziehen. Doch bei allen – Jugendlichen, Kollegen, Direktor wie Schulrätin – stößt sie auf völliges Unverständnis, denn ihr unkonventionelles Verhalten steht im klaren Widerspruch zu den staatlich verordneten Prinzipien. Wenig förderlich für Karlas Ansehen ist auch ihre Liebesbeziehung zu Kaspar, einem Journalisten, der Stalins Verbrechen aufdecken soll, dann doch nicht darf und später aus Protest seinen Beruf an den Nagel hängt. Nach einer Niederlage resigniert auch Karla phasenweise und passt sich den Normen an. Doch ihre Ideen und Visionen sind stärker, und so führt Karlas mutige Standhaftigkeit schließlich zur Zwangsversetzung.
Wie zahlreiche Filme der Jahresproduktion 1965/66 fiel auch „Karla“ mit seinem zentralen Thema der Meinungsfreiheit dem 11. Plenum des ZK der SED zum Opfer. Zunächst wurden einzelne Szenen herausgeschnitten, letztlich der ganze Film verboten.
REGIE: Herrmann Zschoche
PRODUZENT: DEFA-Studio für Spielfilme
DREHBUCH: Ulrich Plenzdorf, Herrmann Zschoche
KAMERA: Günter Ost
MUSIK: Karl-Ernst Sasse
DARSTELLER: Jutta Hoffmann (Karla), Jürgen Hentsch (Kaspar), Hans Hardt-Hardtloff (Direktor Hirte), Inge Keller (Schulrätin Janson), Gisela Morgen (Frau Wenndorf), Herwart Grosse (Lehrer Jott), Rolf Hoppe (Lehrer Eiffler), Jörg Knochée (Rudi), Klaus-Peter Pleßow (Uwe Wenndorf), Jürgen Krumrey (Der Kleine), Heidemarie Schneider (Erna), Dieter Wien (Lenke), Harald Moszdorf (Lehrer Karstadt), Fred Delmare (Hausmeister)

(nach Texten von cinema.arte.tv)