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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

59. Int. Filmfestspiele Berlin - Berlinale 2009

Supersohn trifft Zaubermöppse

„Höllenritt“ (D 2008, Martin Busker)  

Jakob (Aaron Altares) hat einen echten „Höllenritt“ vor sich: das erste Wochenende seit der Trennung seiner Eltern mit seinem Vater (Jockel Tschiersch) und dessen neuer Familie: Frau Karin (Julia Koschitz) und deren frühreifer Tochter Marion (Leonie Kienzle). Scheidungskinder haben es nicht leicht, und wenn Papa sich verdünnisiert hat, ist er fortan einfach ein „Arschloch“.

Da bleibt nur, sich entsprechend zu wappnen – mit den Waffen des „PSA“, eines Clubs vaterverlassener Söhne, dessen Akronym sich wie folgt verdolmetscht: „Papas Sind Arschlöcher“. Ziel des Clubs: Papa möglichst fies vorführen – für jeden Affront vom enttäuschten Sohnemann gibt’s Punkte. Nach dem höllischen Wochenende hat Jakob davon viele auf seinem Konto: Der Supersohn hat seinem sich als Supermann-Papa gerierenden Vater gehörig die Leviten gelesen. Nach der Achterbahnfahrt im „Höllenritt“ eines Freizeitparks hat er Papas Freizeitkluft trefflich vollgekotzt, Stiefschwester Marion hat er erfolgreich den Mädchen-BH geklaut, in den sie ihre „Zaubermöppse“ packt, im Fast-Food-Restaurant hat er mit sicherem Griff die Ketchup-Flasche auf Papas neue Frau Karin entleert. Ein PSA-Sieg auf ganzer Linie – wäre da nicht die kindliche, (ver-) söhnliche Sehnsucht nach dem angefeindeten Papa ...

Martin Busker, Student an der Filmakademie Baden-Württemberg, hat dieses Stück „persönlicher Scheidungskindgeschichte“ bewusst als Comedy „für die breite Masse“ inszeniert. Ein garstiger Gag des aufmüpfigen Supersohns in filmischer PSA-Mission jagt den anderen und erzeugt im Publikum manchen herzlichen Lacher. Doch das Drama der Leidtragenden von Patchwork-Familien, das hier auch gezeigt werden soll, bleibt dabei auf der Strecke. Vor dem Hintergrund der schrillen Comedy um Bübchenpubertät und anhimmelbare „Zaubermöppse“, die manchen intelligenten Witz reißt, wirkt das problematische Vater-Sohn-Verhältnis wie aufgesetzter „Sinn“, weil sich Busker dann doch nicht traut, einfach einen Joke zu wagen, der seinen ernsten Kern von selbst enthüllte. Nein, wenn Vater und Sohn nach der finalen „Aussprache“ Seit’ an Seit’ hoch auf der Achterbahn des Freizeitparks und ihrer Gefühle hocken, glaubt man das weder dem scheiternden Papa, noch seinem Supersohn.



Auf der Achterbahn der Gefühle und Gags: Jockel Tschiersch (l.) und Aaron Altares (Foto: Berlinale)
Ein Film, der gerade daran scheitert, dass er zu viel will, indem er posenhaft nichts außer Witz will. Beides einzeln wäre okay: Witz versus Wahnsinn. Aber beides zusammen ist eine Melange, die im Trüben des eigenen Safts fischt. Schade, denn die hier unvereinbarten Ansätze für sich genommen hätten gleich zwei Chancen auf einen jeweils guten Kurzfilm geboten. (jm)
„Höllenritt“, D 2008, 30 Min., HDCAM. Regie: Martin Busker, Buch: Matthias Schmidt, Kamera: Florian Langanke, Schnitt: Kilian Schmid. Mit: Aaron Altares, Jockel Tschiersch, Julia Koschitz, Leonie Kienzle. www.hoellenritt.com