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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

59. Int. Filmfestspiele Berlin - Berlinale 2009

Nächtliches Kesselgulasch

„Der Knochenmann“ (Wolfgang Murnberger, Österreich 2008)

„Never change a winning team“ – diese Weisheit lässt manchmal auch den umgekehrten Schluss zu, dass das Werk eines Erfolgsteams auch zwangsläufig zum Erfolg führt. So und nicht anders sieht es aus mit dem dritten der filmisch umgesetzten schwarzen Krimis des österreichischen Autors Wolf Haas „Der Knochenmann“. Wie schon bei „Komm, süßer Tod“ (2000) und „Silentium!“ (2004) hat Regisseur Wolfgang Murnberger aus dem Drehbuch von Wolf Haas und Josef Hader einen makabren Filmgenuss geschaffen, der sich in der österreichischen Touristenidylle umso wirkungsvoller entfaltet.



Ganz besonderer Dackelblick – Josef Hader und Birgit Minichmayr (Fotos: Berlinale)
Zum Team gehören natürlich Privatdetektiv Brenner (Josef Hader) und der inzwischen vom Krankenwagenfahrer zum Unternehmer avancierte Berti (Simon Schwarz). Berti verdient sein Geld mit dem Leasing von PKWs und ist gar nicht erfreut, wenn die Kunden ihre Raten nicht bezahlen. Ein solcher säumiger Zahler ist ein gewisser Horvath, dessen Verfolgung Brenner bis hin zum idyllisch gelegenen Gasthof Löschenkohl übernimmt. Doch plötzlich ist nicht nur der Wagen, sondern auch Horvath verschwunden ...

Dass Brenner, der die Steiermark-Idylle alles andere als anziehend findet, sich weiter bei Löschenkohls einquartiert, hat keinesfalls mit den berühmten Löschenkohlschen Brathendln zu tun, sondern mit der fesch-rothaarigen Jung-Wirtin Birgit (Birgit Minichmayr). Birgit hält zusammen mit ihrem Schwiegervater (Josef Bierbichler) den Gasthof aufrecht, während ihr Fast-schon-Ex-Mann Pauli (Christoph Luser) sich nur für schnelle Autos interessiert und seinen Vater verdächtigt, Geld zu unterschlagen. Denn Geld bringen sie ein, die legendären Brathendl, die allabendlich im Gasthof verzehrt und deren Überreste vom alten Löschenkohl allnächtlich im Keller zu Tierfutter kleingeschreddert werden. Auf der Suche nach dem Leasing-Schuldner Horvath ist dann auch Brenner nächtens in den Löschenkohlschen Keller-Katakomben unterwegs. Mal bringt ihm das einen willkommenen Imbiss ein, mal entdeckt er im Ausguss einen menschlichen Finger ...

In einem so wachsend makabren Setting ist es eine Freude, die großartige Schauspieler-Crew um Hader, Bierbichler und Minichmayr agieren zu sehen. Josef Hader könnte den Anti-Helden Brenner nicht loserhaft-liebenswerter darstellen und hat in Gegenwart von Birgit (Minichmayr) sogar noch einen ganz besonderen Dackelblick für ihn entwickelt – was nicht ungelohnt bleibt. Fatal, dass gerade Brenners Einschreiten immer wieder neue mörderische Ereignisse auslöst – aber immerhin findet kein anderer als er schließlich auch die Wahrheit heraus.

Allerdings gibt es ein Problem: Wenn schon die vorherigen Brenner-Krimis dreist auf allerlei Geschmacksgrenzen wandelten, so macht „Der Knochenmann“ – immerhin mehr in der Fantasie des Zuschauers als filmisch – Ausflüge ins Splatter-Genre, die kaum zu ertragen sind. – Oder doch?! Die Berlinale-Gänger jedenfalls wählten „Der Knochenmann“ 2009 auf den dritten Platz des Panorama-Publikumspreises. (gls)

„Der Knochenmann“, Österreich 2008, 121 Min., 35mm. Regie: Wolfgang Murnberger, Buch: Josef Hader, Wolfgang Murnberger, Wolf Haas nach dem gleichnamigen Roman von Wolf Haas, Kamera: Peter von Haller, Schnitt: Evi Romen. Mit: Josef Hader, Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr, Simon Schwarz, Christoph Luser u.a.