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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

64. Int. Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2014

Man merkt die Absicht

„Zwischen Welten“ (Feo Alsdag, D 2014)


Der Filmemacherin Feo Alsdag liegt die Situation der deutschen Soldaten im Afghanistankrieg am Herzen. Sie möchte Denkanstöße liefern, Diskussionen entfachen, die in ihrem Film „Zwischen Welten“ dargestellten Schicksale eines Bundeswehroffiziers und seines afghanischen Dolmetschers zum „Diskurs über Fragen von Nähe und Fremdheit, Vertrauen und Versagen“ nutzen, wie es im Katalogtext zur Berlinale heißt. „Wie human kann jemand handeln, der ins Räderwerk der strengen Militärbürokratie eingebunden ist? Was bleibt im alltäglichen Kampf ums Überleben von den Idealen der Menschenwürde?“, so lauten die Grundfragen, die sie mit ihrem Film, wenn nicht gültig beantworten, so doch stellen möchte.

Alsdag packt viel in ihren Film, hat jedoch eine klar gebaute Geschichte, scheinbar nah an der Realität, dennoch lehrbuchartig zugespitzt. Hauptmann Jesper (Ronald Zehrfeld) geht zum zweiten Mal nach Afghanistan, mit den Auftrag mit einer kleinen Truppe von Soldaten, ein gutes Dutzend, einen Außenposten in einem kleinen Dorf vor den Taliban zu schützen. Der junge Afghane Tarik (Mohsin Ahmady) wird ihm als Dolmetscher zur Seite gestellt. Jesper versucht mit Tariks Hilfe, das Vertrauen der Dorfgemeinschaft und des verbündeten afghanischen Milizkommandanten (Abdul Salam Yosofzai) zu gewinnen. Doch die Unterschiede zwischen den beiden Welten sind groß. Jesper muss sich tagtäglich zwischen seinem Gewissen und den Befehlen der Vorgesetzten entscheiden. Als Tarik, der von den Taliban bedroht wird, weil er für die Deutschen arbeitet, seine Schwester zu ihrem Schutz ins Dorf bringt, geraten die Dinge außer Kontrolle, spitzen sich schließlich tödlich zu.


Hauptmann Jesper (Ronald Zehrfeld) und sein Dolmetscher Tarik (Mohsin Ahmady) (Foto: Bjoern Kommerell, Independent Artists Filmproduktion)
Alsdag hat sich nach ausgiebigen, Jahre langen Recherchen vor Ort in das Wagnis und Abenteuer gestürzt, direkt im Krisengebiet, an Originalschauplätzen in Afghanistan zu drehen. Die Liste der Unterstützer, Filmförderer und Produzenten ist ansehnlich: Bundeswehr, Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion, ZDF und Arte, FFA und DFFF, Mediaboard Berlin-Brandenburg, Film- und Medienstiftung NRW, Nordmedia und das MEDIA-Programm der EU.

Warum ich hier alle Förderer und beteiligten Fernsehredaktionen aufzähle? – Nun, man kann die Behauptung aufstellen, dass die potenten hier aufgeführten Förderer und Unterstützer solch einen Film verlangen bzw. bedingen, wie er uns nun vorliegt. Ein politisch und gesellschaftlich brisantes Thema wird in unbestreitbar bester Absicht mit Engagement, aber auch politisch korrekt mit schwerwiegender Aussage durch die diversen Gremien geschleust. Hier ein Ratschlag, dort eine Änderung, eine weitere Drehbuchfassung, viel Zuspruch und vielleicht auch Schulterklopfen. Alsdag und ihre Produzenten brauchen ja nicht nur die beachtliche Produktionssumme, sondern auch die unbezahlbare Unterstützung der Bundeswehr in Kunduz und Mazar-i-Sharif. Herausgekommen ist ein deutscher Thesenfilm, der stark konstruiert wirkt. Alles, was er aussagen will, ist szenisch belegt, wird regelrecht „bewiesen“. Die Situationen werden problematisiert, indem lehrbuchartig, ja fast musterhaft Szenen gestaltet werden.

So werden z.B. die interkulturellen Vorurteile der Deutschen, ihr Nichtverstehen und ihr ungewollt falsches Vorgehen sowie die daraus resultierenden Reaktionen der Afghanen schön brav in einzelnen Episoden bilderbuchartig belegt. Die Soldaten erhalten ihre Lektionen und wir sollen mitlernen. So absichtsvoll „deutsch“ kommt die Filmhandlung daher. Als z.B. die Soldaten einer Kuh, die sich nächtens schwer im Stacheldraht verwundet hat, den Gnadenschuss geben, sind die afghanischen Männer im Dorf im Aufruhr. Die Kuh war Lebensgrundlage einer Familie. Jespers Vorgesetzte lehnen die 500 Dollar Entschädigung ab, die die Männer als Wiedergutmachung fordern. Für solche Schäden müsse die Internationale Schutztruppe nicht aufkommen, heißt es lapidar. Schließlich sammeln die Soldaten untereinander, um den Schaden zu begleichen. Ein anderes Mal wird das gesamte Dorf Zeuge, wie der Milizenchef einen Untergebenen brutal zusammenstaucht. Jesper schreitet ein, ohne die Gründe für das Ausrasten des Anführers zu kennen. Der Bestrafte war während seiner Wache mit Haschisch „zugedröhnt“ eingeschlafen. Zornig stellt der Milizhauptmann später Jesper zur Rede. Jesper rechtfertigt sich darauf: „Mit Tritten verdient man sich nicht den Respekt seiner Leute.“ Die Erwiderung des Hauptmanns: „Mit Hubschaubern in ein Land einzufallen und es zu beschießen, damit verdient man sich auch keinen Respekt.“

Positiv herauszustellen sind die Darsteller, allen voran Ronald Zehrfeld als Hauptmann Jesper, der die Zerrissenheit eines Mannes in seiner Situation glaubhaft darzustellen vermag. Jesper weiß um die Bedrohung auch seiner Psyche und muss schließlich an einem unlösbaren Konflikt scheitern. Gelungen ist auch die Darstellung von non-verbaler Kommunikation, Sprachlosigkeit und dem Unverständnis der Soldaten. Alsdag findet hierfür filmische Äquivalente. Denn manches muss in diesem Film keine Worte haben. Kamerafrau Judith Kaufmann weiß das in aussagekräftige Bilder zu setzen.

Dem Film ist durchweg das Bemühen anzumerken, der schwierigen Lage der Soldaten gerecht zu werden. Dabei zeigt er leider viel Schwarzweiß und wenig Ambivalentes. Alles soll für den Zuschauer klar sein und das bei so undurchsichtigen und undurchschaubaren Verhältnissen. Und natürlich bleibt, nachdem alles gezeigt und gesagt wurde, die wichtigste Frage, die zum Gewissenskonflikt zwischen Menschlichkeit und Menschenwürde auf der einen Seite und soldatischem Gehorsam in militärischer Verantwortung entscheiden zu müssen, offen bzw. unbeantwortet. Genauso wie die im Film latent immer mitschwingende Frage nach dem Sinn des Kriegseinsatzes der deutschen Soldaten in Afghanistan. Doch beides steht leider im Film unter Rhetorikverdacht. (Helmut Schulzeck)

„Zwischen Welten“, Deutschland 2014, 98 Min., Farbe, Buch und Regie: Feo Alsdag Kamera: Judith Kaufmann, Schnitt: Andrea Mertens, Darsteller: Ronald Zehrfeld, Mohsin Ahmady, Salda Barmaky, Abdul Salam Yosofzai.