
Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.
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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56 |
10. Filmfest Schleswig-Holstein AugenweideVisuelle Wassermusik„Kobe” (Rainer Komers, D 2005)Man sagt, dass blinde Menschen sich im Regen besser orientieren können, weil auf nassem Boden intensivere Geräusche entstehen und auch unbewegliche Gegenstände durch das Auftreffen der Regentropfen wahrnehmbar werden. Insoweit muss eine Stadt des Wassers auch immer eine Stadt der Töne sein. Das mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb sich Rainer Komers (geb. 1944) in seinem aktuellen „nonverbalen Dokumentarfilm” (Komers) der japanischen Hafen- und Industriemetropole Kobe gewidmet hat, die sich über 25 km entlang der Meeresküste windet.Bekannt wurde der Name der westlich von Osaka gelegenen 1,4-Millionen-Stadt durch das gewaltige Erdbeben vom 17. Januar 1995, das über 6.000 Menschen das Leben kostete. Die Verwüstung einer modernen, weitgehend als erdbebensicher geltenden Großstadt erschütterte den Fortschrittsglauben und das Technikvertrauen der japanischen Nachkriegsgesellschaft in ähnlicher Weise, wie es die Europäer neun Jahre zuvor durch den Tschernobyl-GAU erlebt hatten.In seiner Filmtrilogie „Erdbewegung” (1999-2004) folgte Komers in jeweils halbstündigen Portraits zentralen Verkehrsadern durch nachindustrielle Reviere im Ruhrgebiet („B 224”), in Indien („NH 2”) und in Alaska („Nome Road System”). Im Unterschied dazu zeigt „Kobe” eine höchst lebendige, aus der Asche erstandene Stadtlandschaft, die alle Aspekte der Urbanität in sich vereint. Der dreiviertelstündige Film bildet den Auftakt einer weiteren Trilogie, diesmal über Hafenstädte. Dieses serielle Denken in Reihen und Folgen findet sich auch in der Binnenstruktur von Rainer Komers‘ Filmen, so auch in „Kobe”.Wer das Gestaltungskonzept noch nicht kennt, wartet in den ersten Minuten gebannt auf erklärende Worte, versucht die wohlkadrierten aber scheinbar ungeordneten Super-16mm-Bilder in sinnfälligen Zusammenhang zu bringen, bis sich nach und nach die Erkenntnis einstellt, dass es der Ton ist, der hier die Musik macht. In einer langen Assoziationskette werden die Bilder aneinander gefügt. Mal ähneln sie sich visuell, mal liegen sie in geografischer Nachbarschaft, meist ist es jedoch der individuelle Klang, der sie verbindet, trennt oder rhythmisiert. Auf die donnernde Trommelperformance einer Schulsportgruppe folgt das maschinengewehrähnliche Staccato eines Lötautomaten, der Computerplatinen bestückt. Auf das tosende Kielwasser eines Hafenschleppers folgt das sanfte Plätschern einer rituellen Händewaschung im Tempel. Eine rasselnde Gebetsglocke leitet über zum Prasseln von Perlen in einer Stahldose.Vieles erscheint vertraut, manches bleibt rätselhaft, einiges wirkt aus eurozentrischer Sicht unfreiwillig komisch. Es ist jedoch nicht die Perspektive eines ahnungslosen Touristen, sondern die eines allwissenden, aber sehr schweigsamen Erzählers, der der Film folgt. Mikrofon und Kamera springen schwerelos vom Kai in die Kanzel einer Containerbrücke, vom Fundament der gigantischen Akashi Kaikyo Brücke hinauf in ihre inneren Wartungsgänge und weiter auf die Spitze ihrer Pylonen. Erstaunt stellt man fest, wie groß die Vielfalt der immer wiederkehrenden Wassergeräusche sein kann, bis hin zum skurrilen Pfeifen eines Kaffeeverkosters beim Testschmecken.![]() |