Der Newsletter zum Thema Medien in Schleswig-Holstein
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Filmkultur Schleswig-Holstein e.V.
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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56 |
Blitzfilm: Der erweiterte AugenblickNachdem der Jetlag verklungen ist und die Verdauung wieder Tritt gefasst hat, wollen wir einen Rückblick auf unseren Chinabesuch wagen.Bei dem Konzept für das erste mobile deutsche Filmfestival in China hatten wir ein glückliches Händchen. Es ist sowieso ungewöhnlich, dass ein Festival von Filmemachern organisiert wird, aber genau das sollte eine Stärke der Veranstaltungen werden. Die finanzielle Unterstützung der Kulturellen Filmförderung Schleswig Holstein und von GERMAN FILMS war in ihrer Form unkompliziert und es wurde kein inhaltlicher Einfluss genommen. Wir hatten keinen Zwang, etwas verkaufen zu müssen. So konnten wir uns darauf konzentrieren, ein Programm zusammenzustellen, das mit Experimenten und filmischen Grenzüberschreitungen einen Ausblick auf die Zukunft des Films ermöglicht. Gleichzeitig versuchten wir, mit einem denkbar weiten Spektrum vom experimentellen Undergroundfilm bis zur glatten Produktion aus dem Mainstream einen Überblick über die deutsche Filmszene zu vermitteln. Einige Filme sollten auch einen Einblick in soziale und politische Realitäten Deutschlands widerspiegeln. Und weil wir unser Publikum mit dem Programm kräftig forderten, durften leichtverdauliche, lustige Kurzfilme nicht fehlen.Im Flieger hatten wir Geschäftsleuten über die Schulter schauen können, wie sie entnervte Berichte über ihre Chinaerfahrungen in ihre Laptops tippten. Wir hatten uns darauf eingestellt, dass Absprachen etwas sehr Relatives in dem Land sind. Und am liebsten scheint man dort spontan und in letzter Minute zu entscheiden. Aber letztendlich hat immer alles auch geklappt, was versprochen worden war. Wir lernten auch die Hürden mit Bravour zu nehmen, an denen so manch westlicher Geschäftsmann gescheitert ist. Allen Aktivitäten geht ein großes Essen voraus, bei dem es darum geht herauszufinden, ob man einander mag und vertraut. Das beste Geschäftskonzept wird scheitern, wenn man beim Menü versagt. Da wir aber gehackte Schlange, Schweineohren, Hühnerfüße und Knorpelteller, ohne mit der Wimper zu zucken, mit Stäbchen aßen, sah man in uns die idealen Kooperationspartner. Das Essen scheint in dem offiziell atheistischen Land eine Ersatzreligion zu sein, und uns blieb der einmonatige Chinaaufenthalt als permanente Entdeckungsreise durch die erstaunliche Küche des Landes in Erinnerung. Unsere Nerven wurden schon strapaziert, als uns der Direktor des Filmdepartments der Kunstakademie und Professoren dann zum Essen einluden, als das Publikum bereits auf uns wartete. Das Publikum nahm es uns jedoch nicht übel und es wurde noch eine wirklich schöne Veranstaltung.Man interessierte sich eher für Jugendsubkulturen als für Politik. Eine Befragung von Schülern ergab, dass kaum noch jemand Arbeiter werden möchte. Man hofft auf eine Zukunft im IT-Bereich und natürlich bei den Medien. Im Wirtschaftsboom hat sich eine Goldgräberstimmung ausgebreitet, und die Medien könnten durchaus gute Leute gebrauchen. Das Fernsehen ist einfach unglaublich. Ein Volksmusiksender bedient das Publikum rund um die Uhr mit Musikshows, die kein Stück besser sind als die deutschen, dafür aber in gewaltigen Hallen vor einem begeisterten Publikum inszeniert werden. Maos langen Marsch gibt es im Stil einer Seifenoper, ständig unterbrochen von Webespots für Coca Cola, Handys und Make Up. Der Sportsender wird nicht müde, die Olympischen Spiele in den schillerndsten Farben anzukündigen, und ein Wirtschaftssender hält einen über die aktuellen Börsenkurse auf dem Laufenden. Ein Sender ist den Verkaufshows vorbehalten, und man kann Goldkettchen, Fitness- oder Küchengeräte telefonisch bestellen. Das Ganze ist mit derart heißer Nadel gestrickt, dass es schon mal vorkommt, dass die gleiche Kurzreportage dreimal hintereinander über den Bildschirm geht und bei einigen Sendungen und Werbespots vergessen wird, den Timecode auszublenden. Viele Spielfilmproduktionen sind ausgeleuchtet wie Seifenopern, so dass selbst die ins Chinesische synchronisierten Hollywood B-Produktionen ästhetisch wohltuend wirken. Und wirklich beeindruckend ist das Faible für Kriegsfilme. Zu jeder Tageszeit befindet man sich in Grabenkämpfen mit den Japanern, oftmals auf mehreren Kanälen gleichzeitig. Das gilt aber nicht allein für das Fernsehen, auch die Straßenhändler, die raubkopierte DVDs zu umgerechnet einem Euro anbieten, haben neben den aktuellen Hollywood Blockbustern auch ein reichhaltiges Kriegsfilmsortiment besonders die mit einem Hakenkreuz auf den Cover scheinen recht populär. |