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Letztes Update:
15. Juli 2023 - 13:56

50. Nordische Filmtage Lübeck

Filmforum: Fremdgänge über Grenzen

Grenzen spielen in einem von Meeren eingeschlossenen Land von Natur aus eine besondere Rolle. Mystifizierende Geschichten ranken sich darum. Die Fremde dahinter lockt und beunruhigt zugleich. Schleswig-Holsteins Lage spiegelt sich in diesem Jahr im Schaffen der Filmemacher deutlicher wieder als je zuvor, Grenzgänge prägen das Programm des Filmforums bei der Jubiläumsausgabe der Nordischen Filmtagen 2008.

Mit „Gonger“ ist zum ersten Mal das Genre Mystery-Horror vertreten. Der erste in dieser Art durch einen privaten deutschen Sender in Auftrag gegebene Film entstand unter der Regie von Christian Theede. Selbstbewusst orientiert sich die Produktion an den Erzählverfahren des großen Gruselkinos. Nach einer Legende kehren „Gonger“, im Watt ums Leben gebrachte Untote, nach zwei Generationen zurück und suchen die Nachkommen ihrer Mörder so lange heim, bis diese den Mord aufklären oder auf grässliche Weise an Land ertrinken.


Horror aus Holstein: „Gonger“ (Fotos: NFL)
Einen Wendepunkt im Leben der burschikosen Melanie markiert die Begegnung mit der hübschen Anhalterin Jenny, von der sie für einen jungen Portugiesen gehalten wird. Sie verschweigt, was auf der Hand liegt und gibt sich ihren Gefühlen für Jenny sorgenlos hin – eine Frage der Zeit, bis die Sache auffliegt. Die Geschichte des verpassten Coming-Outs in „Mein Freund aus Faro“ erzählt Autorin und Regisseurin Nana Neul, die mit dem Film ihr Spielfilmdebüt feiert.


Verpasstes Coming-Out: „Mein Freund aus Faro“
Überdies kommt auch der trockene norddeutsche Humor nicht zu kurz: Ein amerikanischer Straßenkreuzer, zwei Typen, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, und die endlose Dithmarscher Weite sind das Inventar für Lars Jessens Komödie „Die Schimmelreiter“. Peter Jordan und Axel Prahl spielen das ungleiche Paar, bestehend aus dem nimmermüden Restaurantprüfer Fuchs und dem grantigen Alkoholiker Tilmann, die sich durch eine Welt voller Asia-Bistros, Dönerbuden und Grillstationen bewegen.


Zwischen Dönerbuden und Strand-Katen road-movie-reiten „Die Schimmelreiter“
Im Dokumentarfilmprogramm des diesjährigen Programms stehen die Begegnungen mit dem Anderen im Mittelpunkt. Während andere noch über den Jakobsweg pilgern, hat sich der Kieler Filmemacher Gerald Koll auf den Hachijuhakkasho begeben, den „Jakobsweg hoch zwei“. Auf einer von 88 Tempeln markierten Strecke suchen seit Jahrhunderten Japaner nach dem „Henro boke“, einem eigentümlichen Gemütszustand. „88 – pilgern auf japanisch“ beschreibt die Kunst, den Stock aufzusetzen, ebenso wie die Fremderfahrung der fernöstlichen Kultur.


„Henro boke“ = „Emptyness is Everything“: „88 – pilgern auf japanisch“
Dass fallende Grenzen nicht automatisch die Welt verbessern, zeigt „Frohe Zukunft“, eine Dokumentation von Bianca Bodau, welche die Erfahrungen der Menschen in den Mittelpunkt rückt, deren privates Leben durch die deutsche Wiedervereinigung in völlig neue Bahnen geworfen wurde. Auch dieser Film wurde unterstützt von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein.

Die für den Film markanteste Wende bedeutete die Einführung und Verbreitung des Tonfilms Ende der 1920er Jahre. Die zwei Kieler Nachwuchsfilmer Andrea Oberheiden und Jens Reinke widmen sich in ihrer Dokumentation „Al Jolson und The Jazz Singer“ dem ersten Tonfilm, der von Warner Bros. 1927 in die Kinos gebracht wurde.


Früher Tonfilmstar: Al Jolson
Dass sich aus der Distanz die Dinge doch einfacher erkennen lassen, veranschaulicht die französische Produktion „Sylt à perte de vue“ („Sylt so weit das Auge reicht“) von Samuel Bester. Ihm gelingt nicht nur ein offener Umgang mit der Zukunft von Sylt, bedroht vom Blanken Hans und dem Untergang kurz bevor stehend. Er fängt darüber hinaus in ungewohnten Perspektiven den wechselhaften Charakter der Insel ein.


„Sylt à perte de vue“

Mit dem Taxi nach São Paolo. Das kann nur der Film oder der Traum: in „Taxi to Daydream“ erfahren halbstarke Kleinkriminelle aus den Favelas und Trunkenbolde aus Kieler Kneipen einen ernüchternden und doch ermutigenden Blick in eine andere Welt. Die deutschen Regisseure Ansgar Ahlers und Dirk Manthey drehten den brasilianischen Teil dieser bi-nationalen Koproduktion, der brasilianische Nachwuchsregisseur Eder Augusto drehte den Kieler Part. Der Film ist im diesjährigen Kurzfilmprogramm des Filmforums zu sehen, in dem auch die beiden schleswig-holsteinischen Kurzfilmpreise, der Comline- und der Cinegate-Preis vergeben werden. Neben Reisen nach Brasilien begeben wir uns dabei in deutsche Wälder („Reise zum Wald“ von Jörn Staeger), in norwegische Schnee- und Zeitverwehungen („Schneezeit“ von Hannes Burchert) oder vermissen einfach mal die Zeit der roten Kunstlederpolster und kompetenter Bahnbeamten von einst („Die schiefe Bahn“ von Jim Lacy).


„Schneezeit“
In Kooperation mit der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein zeigt das Filmforum die für den Norddeutschen Filmpreis nominierte Dokumentation „Ich.Immendorff“ von Nicole Graef aus der Kategorie „Beste Dokumentation“. Für die Kategorie „Bestes Drehbuch“ wird die Nominierung „Was wenn der Tod uns scheidet?“ (Buch: Ulrike Grote, Ilona Schultz) gezeigt. Der für den Produzentenpreis nominierte Film„Das Fremde in mir“ von Nicole Gerhards (Regie: Emily Atef) wird die Kategorie „Bester Spielfilm“ vertreten.

Das endgültige Programm des Festivals ist ab Mitte Oktober unter www.filmtage.luebeck.de zu finden. Der Vorverkauf für die 50. Nordischen Filmtage Lübeck beginnt im Cinestar Filmpalast Stadthalle am 26.10.2008, 10 Uhr, sowie unter der Telefonnummer 0451-7030102 oder www.filmtage.luebeck.de und www.cinestar.de. (Robin Schmeck, Nordische Filmtage Lübeck)